Vegane Ketoernährung

Ernährung, Lebenswandel, Supplemente
bartolini
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Vegane Ketoernährung

Beitrag von bartolini » 27. Mai 2017 11:23

Hallo Leute,
momentan bin ich sehr an der Ketoernährung interessiert.

Für alle, denen das kein Begriff ist: wenn wir fasten, stellt der Körper irgendwann von der Verbrennung seines Kohlenhydratspeichers zu Energie auf Fettverbrennung um (die ersten 1-2 Tage beim Fasten sind ätzend, danach wird es leichter und der Kopf wieder klarer). Dabei werden sogenannte Ketokörper oder Ketone gebildet, die recht ähnlich wie Glucose sind und beispielsweise auch die Blut-Gehirn-Barriere passieren können. Viele der positiven Resultate vom Fasten werden dieser Umstellung in unserer Physiologie zugeschrieben.

Die Ketoernährung versucht, diese Effekte auch im Alltag bei einer angepassten Ernährung zu erreichen. D.h. es wird vor allem sehr viel Fett, mäßig viel Eiweiß und praktisch keine Kohlenhydrate (auf ca. 20g/Tag beschränkt) verzehrt. Teilweise werden sogar von außen Ketone der Nahrung ergänzt.

Bei den meisten Menschen stehen dabei sehr viele, sehr fettige und kohlenhydratarme Lebensmittel auf dem Speiseplan, d.h. Eier, fettiges Fleisch, Fisch, Sahne, etc.

Eine vegane Ernährung ist in den meisten Fällen, solange sie nicht speziell in eine Richtung gelenkt wird, sehr kohlenhydratreich. Ich bin gerade etwas am Forschen, ob eine solche Ernährung auch vegan möglich sein kann, ohne dass man den ganzen Tag nur Kokosöl oder Olivenöl nuckelt.

Gibt es hier jemanden, der schon Erfahrungen damit gemacht hat? Falls ja, wie sieht ein typischer Ernährungstag aus? Welche Lebensmittel eigenen sich besonders gut?

Die sinnvollste Resource, die ich bisher zu diesem Thema gefunden habe, ist diese Webseite: http://ketomotive.com/vegan-ketogenic-diet/
Aber gerade bei den Fettquellen bin ich wie gesagt noch nicht ganz einverstanden. Ich mag nicht ein industriell hergestelltes Öl als Hauptnahrungsquelle zu mir nehmen,

Für alle Tipps bin ich dankbar :)

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BodyBuilder
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Beitrag von BodyBuilder » 27. Mai 2017 13:21

bartolini hat geschrieben:Die Ketoernährung [...]Bei den meisten Menschen stehen dabei sehr viele, sehr fettige und kohlenhydratarme Lebensmittel auf dem Speiseplan
Na logisch. Was denn auch sonst.
Wenn man von den Makronähstoffen fast 0% der Energie für Kohlenhydrate anpeilt, dann bleibt ja auch kaum eine andere Möglichkeit, als den Fettanteil entsprechend aufzubohren. Denn über Protein als einiger Makronährstoff geht die Gesundheit halt ziemlich schnell den Bach runter.
Da droht dann auch ganz fix eine Proteinvergiftung mit Harnstoffüberflutung.

Meine Gesundheit ist mir zu wertvoll für solche Späße. Carbs müssen bei mir schon mindestens 50% der Macros ausmachen, sonst ist das definitiv nichts für mich.

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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 27. Mai 2017 16:09

Wirklich ketogen habe ich mich vegan zwar noch nicht ernährt, aber ziemlich low carb. Meine Empfehlung wäre es nicht - der sehr eingeschränkte Speiseplan geht einem irgendwann extrem auf den Geist, und die Ergebnisse waren auch nicht so toll.

Da würde ich eher zu time restricted eating raten - für mich selbst funktioniert das am besten mit zwei großen Mahlzeiten am Tag (Frühstück und Mittagessen, a. k. a. dinner cancelling), aber da muss wohl jeder seinen eigenen Weg finden. Diese Form des Fastens ist für mich hochgradig alltagskompatibel, sie vereinfacht meinen Tagesablauf sogar. Trotz HCLF habe ich nicht das Gefühl, auf dem "Blutzuckerkarussell" zu sitzen, d. h. kein knurrender Magen etc. Stattdessen haben sich meine Hungergefühle im Gegenteil stark verringert.

Aber da tickt jeder anders. Wenn du noch nie low carb probiert hast, mach' halt mal ein Experiment. Ich würde dann aber nicht gleich keto machen, sondern eine gemäßigtere Form ausprobieren wo ich lediglich auf Obst, Stärketräger wie Getreide, Kartoffeln etc. und wenn du ganz hart bist auch Hülsenfrüchte außer Soja und Lupinen verzichtest. Stattdessen viel grünes Gemüse, Nüsse/Kerne, Soja/Lupinen, und ein paar Beeren/Kirschen etc. Das wäre für mich auch langfristig umsetzbar - wenn ich nicht einige blöde Unverträglichkeiten hätte. Wenn du von sowas verschont bist, könnte es klappen.

Ach, und zum Thema Fasten-Hacks: Angeblich sorgen auch gewisse Supps für einen fastenähnlichen Effekt auf Stoffwechsel und Autophagie. Da wäre einmal Spermidin (in Weizenkeimen vorhanden; aus der AS Arginin synthetisierbar), und dann gibt es noch Glucosamin. Beiden Stoffen wird eine Anti-Aging Wirkung zugesprochen (zugegeben, im Tiermodell).

Links:
http://derstandard.at/2000040944192/Bio ... -Neuanfang
http://www.wissenschaft.de/leben-umwelt ... er-Zucker/

Solches Zeug allein deswegen jahrzehntelang zu schlucken wäre mir aber zu spekulativ, dann doch lieber the real thing.
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illith
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Beitrag von illith » 28. Mai 2017 00:24

human vegetable hat geschrieben:dinner cancelling
oh mann :D
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Reichi
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Beitrag von Reichi » 28. Mai 2017 01:51

Ich würde dir auch eher davon abraten. Fastenperioden können sich zwar durchaus positiv auf den Körper auswirken, so werden z.B. die Selbstheilung beschleunigt und defekte Proteine ersetzt. Tumorzellen, welche auf Glucose angewiesen sind, lassen sich dadurch auch aushungern.

Das Imitieren dieses Hungerzustandes mittels einer extrem kohlenhydratreduzierten Diät ist aber, aus einer gesundheitsorientierten Perspektive, nicht zu empfehlen, erst recht nicht auf Dauer. Denn dazu müsste man, wie du erwähntest, weniger als 20g Kohlenhydrate pro Tag konsumieren. Das entspricht etwa einem Apfel pro Tag, vorausgesetzt du schafftest es, ansonsten keinerlei Kohlenhydrate zu dir zu nehmen (wofür du tatsächlich den Rest deiner Kalorien aus Öl beziehen müsstest). Obst, mit die beste Nahrung für uns Menschen, müsste man also mehr oder weniger komplett streichen, ebenso wie viele Gemüsesorten, z.B. Karotten, denn diese bestehen ebenfalls fast nur aus Kohlehydraten. Selbst 200g Brokkoli enthalten 13g Kohlehydrate, während der Fettanteil, wie bei fast allen pflanzlichen Nahrungsmitteln (Ausnahmen sind z.B. Nüsse und Avocados) lediglich 10 % beträgt. Um in Ketose zu bleiben, darf der Kohlenhydratanteil aber ca. 2-3 % nicht überschreiten. Selbst Nüsse enthalten deutlich mehr.

Du siehst also, dass das angestrebte Makronährstoffverhältnis mit pflanzlicher Ernährung sehr schwer zu erreichen ist. Außerdem ginge diese Umstellung wahrscheinlich zu Lasten der Mikronährstoffaufnahme (Vitamine, Mineralien, sekundäre Pflanzenstoffe).
Was ist denn deine Motivation für eine ketogene Ernährung? Sofern es dir primär um die Vorteile des Fastens geht, wirst du um dieses wohl nicht herum kommen, denn selbst falls du es schaffen solltest, auf vegane Weise in Ketose zu bleiben, so hältst du dein Verdauungssystem doch nach wie vor in Gang, was beim reinen Fasten eben nicht der Fall ist. Längeres Wasserfasten ist aber durchaus nicht für jeden, es gehört eine Menge Überwindung dazu. Ich habe es nur dreieinhalb Tage ausgehalten.
Alternativ könntest du es mit intermittierendem Fasten versuchen, wie von human vegetable vorgeschlagen. Dabei legst du deine Mahlzeiten in ein bestimmtes Zeitfenster und fastest den Rest des Tages. So soll bereits eine Begrenzung der Nahrungsaufnahme auf acht Stunden pro Tag zu fastentypischen Vorteilen führen.

Solltest du auch eine Gewichtsreduktion anstreben, so könntest du es mit einer weniger strengen Kohlenhydratreduktion probieren, sagen wir < 100-150g, was vegan durchaus machbar ist, physiologisch gesehen aber nur bedingt sinnvoll. All unsere Zellen verbrennen bevorzugt Glucose, unser Gehirn ist sogar darauf angewiesen. Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Getreide sind für uns am leichtesten verdaulich, wohingegen fettiges Essen unser Blut zähflüssig werden lässt und den Transport von Glucose in die Zellen erschwert, also Insulinresistenz hervorruft. Unsere Arterien stehen auch überhaupt nicht auf Öle und Co.

Deshalb ernähre ich mich seit geraumer Zeit überwiegend fettarm, d.h. ich esse soviel Obst, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, wie ich möchte. Öle hingegen habe ich komplett gestrichen. Im Englischen wurde dafür der Begriff "whole foods plant based" (WFPB) geprägt, was soviel bedeutet wie vegane und unverarbeitete Nahrungsmittel. Nüsse dienen mir ab und zu zur Verfeinerung von Gerichten, stehen aber nicht generell auf dem Speiseplan. Ausnahme: Jeden Tag mische ich mir 1-2 Esslöffel gemahlene Leinsamen in den Haferbrei, wegen der Omega-3-Fettsäuren und den ganzen anderen tollen Dingen, die Leinsamen bewirken (allerdings nur in gemahlener Form, sonst rutschen die frechen Körner einfach durch uns durch!)

Positiver Nebeneffekt Nr. 1: Die nun im Übermaß vorhandenen Ballaststoffe halten unser Mikrobiom (Darmflora) und damit auch uns als Wirt bei Laune. :)
Positiver Nebeneffekt Nr. 2: Überflüssige Pfunde schmelzen nur so dahin.

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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 28. Mai 2017 11:24

illith, ???
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Beitrag von bartolini » 28. Mai 2017 12:40

Danke für die Antworten.

Ich habe das schon durchdacht und möchte es gerne als Art Experiment versuchen und schauen, wie mein Körper darauf reagiert. Ich habe nicht vor, mich mein restliches Leben so zu ernähren, wäre mir auch viel zu umständlich.

Die medizinischen Anwendungen und Forschungen in der Richtung sind eben sehr interessant und ich habe gute Erfahrungen mit Fasten gemacht. Deshalb würde es mich interessieren, ob dieser Zustand (Ketose) ähnlich ist oder wie er sich unterscheidet.

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Beitrag von human vegetable » 28. Mai 2017 18:17

Problem ist halt, irgendwoher "Füllsubstanz" zu bekommen. Selbst ziemlich KH-arme unverarbeitete pflanzliche Produkte wie Blattgemüse, Nüsse, Avocados etc. sind für Ketokost noch zu KH-reich, um sie unbegrenzt zu verzehren. Das heißt, ein Großteil deiner Energie wird aus verarbeiteten Produkten wie Öle, Proteinkonzentrate etc. kommen.

Als Kurzzeitexperiment vielleicht durchführbar - einige Proteinshakes mit heftig Öl über den Tag verteilt einnehmen, als Krönung ein kleiner Salat mit Nüssen. Ballaststoffe in Form von Flohsamenschalen- oder Konjakpulver supplementieren, damit du keine Verstopfung bekommst. Extrem Übergewichtige specken ja so Ähnlich ab (ohne Öl natürlich), nennt sich Formula-Diät.

Der Sinn eines solchen Versuchs bestünde für mich dann aber nur darin, "es mal gemacht zu haben" und zu merken, wie scheiße man sich dabei fühlt. Hoffentlich hat es eine dauerhaft abschreckende Wirkung - dann wäre es nicht ganz umsonst gewesen ;)
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Beitrag von bartolini » 28. Mai 2017 21:07

Ihr wisst, dass viele Menschen in sehr ähnlicher Weise gegen eine vegane Ernährung argumentieren oder? ;)

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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 28. Mai 2017 23:36

Du meinst damit, "ungesund und nicht praktikabel?"

Tja, auch hier hilft ein Selbstexperiment mit kh-reicherer veganer Kost. Dann merkt man am eigenen Leib, ob an diesen Argumenten was dran ist. Probieren geht über Studieren...
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