Psychische Belastung durch Vegansein und Umweltbewusstsein

Ernährung, Lebenswandel, Supplemente
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bethechange
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Psychische Belastung durch Vegansein und Umweltbewusstsein

Beitrag von bethechange » 2. Nov 2015 17:47

Hallo Ihr Lieben,

ich habe ein etwas anderes Thema zu den Auswirkungen des Veganseins, bei dem ich mir auch ganz unsicher bin, in welches topic es am besten passt. Ich hab mich jetzt für Gesundheit entschieden, denn im weitesten Sinne es betrifft die psychische Gesundheit und alle weiteren Topics kamen mir noch unpassender vor...

Ich möchte vor allem eine kleine Gesprächsrunde und einen Erfahrungs- und Meinungsaustausch starten, und wissen ob es hier Menschen gibt, denen es ähnlich geht.

Mir fällt es schwer, das Thema zu beschreiben. Ich versuch es jetzt einfach mal irgendwie und hoffe dass es verständlich ist, was ich daso von mir gebe.

Ich bin in erster Linie aus ökologischen und in zweiter Linie aus ethischen Gründen Veganerin geworden. Mein ganzer Lebensstil ist auch danach ausgerichtet, das heißt zum Beispiel: ich kaufe im Bioladen, ich kaufe regional/saisonal, ich fahre kein Auto, ich werde mich nie in ein Flugzeug setzen, ich kaufe Kleidung (wenn überhaupt) fast nur Second-Hand oder fair und nachhaltig, ich kaufe nur das, was ich brauche, ich verwende alles so lange bis es kaputt geht, und so weiter. Das ist ja alles toll und löblich, aber das geht mittlerweile so weit, dass ich bei allem, was moralisch, ökologisch nicht gut ist, ein heftiges schlechtes Gewissen habe. Zum Verständnis ein paar Beispiele:

Ich habe ein schlechtes Gewissen Bananen zu kaufen, ich habe ein schlechtes Gewissen im Restaurant oder bei Freunden zu essen, weil die verwendeten Lebensmittel sind meistens nicht bio oder auch noch von Discountern, ich überlege brim Einkaufen, ob ich wirklich Reis kaufen soll, obwohl er ja umweltschädlich ist, und so weiter.

Und das Problem geht noch weiter. Vieles, was in der Gesellschaft als normal oder erstrebenswert gilt, lehne ich ab, weil ich es nicht mit meinen Werten vereinbaren kann. Das sind Dinge wie die normalen (Kino)filme, Shoppen gehen, in Clubs gehen und sich betrinken, möglichst billig einkaufen, in großen (Kleidungs-/Supermarkt-/Bäcker-/... )-ketten einkaufen, dann natürlich alles was nicht mit dem Veganismus vereinbar ist, wie Zoos, Reiten, Angeln oder allein Nicht-Vegan essen zu gehen, Wein aus dem Supermarkt kaufen, ohne zu wissen, ob er vegan ist.

Das sind einfach viele Dinge, die im Alltag mir immer wieder bewusst werden, und mit denen ich mich konfrontiert fühle. Und darüber muss ich mit anderen auch immer reden, weil es für die meisten einfach nicht nachvollziehbar ist, warum man sowas ablehnen sollte. Ich fühle mich also immer irgendwie komisch, ausgeschlossen, anders.

Gleichzeitig finde ich es toll, dass ich für diese Dinge einstehe und andere damit konfrontiere. Das führt aber auch dazu, dass ich sehe, wie hoffnungslos das alles ist, weil keiner da mitmacht, weil alle mit dem Strom schwimmen und sich noch gut dabei fühlen, weil sie Müll trennen. Ich sehe aber alles, ich kann die Probleme, die wir auf der Welt haben und den Zusammenhang mit dem, was wir tagtäglich tun, nicht ausblenden oder verdrängen. Und irgendwie erfahre ich in meinem Umfeld dafür keine Unterstützung sondern nur Unverständnis. Das macht mich so traurig und ich fühle mich einfach so falsch in der Welt und so allein.

Je mehr ich mich für die Umwelt und die soziale Gerechtigkeit einsetze, desto weniger komme ich mit den Menschen klar, desto weniger fühle ich mich verstanden, desto schlechter geht es mir.

Vielleicht kennt eine/r von euch das Gefühl und mag seine Erfahrungen dazu mit mir und uns allen teilen.

Ich freue mich über jeden Kommentar.

Lieben Dank.

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Lee
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Beitrag von Lee » 2. Nov 2015 17:52

du scheinst halt schon echt viel zu machen was ich prinzipiell echt toll find.

Kann aber natürlich auch belastent sein. Dir würds glaub ich gut tun andere Konsequente Leute zu finden. Dann fühlst du dich weniger allein dabei denk ich :)

vielleicht mal n veganes Cafe in deiner Nähe?

Auch da werden aber viele nich ganz so viel "machen" wie du aber gucken kannst du mal :)
Muh!

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VegSun
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Beitrag von VegSun » 2. Nov 2015 19:34

Es gibt auch so RepairCafes z.B. vielleicht macht dir soetwas auch Spaß
"Ein Mathebuch ist der einzige Ort , wo es normal ist 52 Wassermelonen zu kaufen."

anphie
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Beitrag von anphie » 2. Nov 2015 22:12

Ich kann grade nicht ganz nachvollziehen wieso du Filme ablehnst.
Den Großteil der anderen Sachen mache ich auch, aber nicht ganz so strikt wie du und ohne nagendes schlechtes Gewissen. Ich kaufe Bio, achte weitestgehend auf regional, achte wenn nicht regional auf fair, etc. Aber ich mache Ausnahmen ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich esse bei Freunden und im Restaurant. Ich schaue Filme (hierbei sehe ich ohnehin das Problem nicht wirklich). Und ich habe Spaß am Leben.

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Vampy
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Beitrag von Vampy » 2. Nov 2015 22:26

das Problem taucht hier öfter auf, wenn wohl auch nicht so extrem:
Vegan in der Krise
Wie geht ihr mit Wut und Traurigkeit um ?
Enttäuschung und Frustration
Think, before you speak - google, before you post!

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mashisouk
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Beitrag von mashisouk » 3. Nov 2015 08:29

Wie immer finde ich es auch hier wichtig, den Fokus weg von "den anderen" zu lenken und dich selbst in den Fokus zu stellen.
Also, denk nicht darüber nach, was die anderen NICHT tun, sondern halte dich daran, was DU tust. Du bist nicht verantwortlich für das Handeln anderer Menschen und (ganz nebenbei) steht es uns auch gar nicht zu, das Handeln anderer Menschen zu beurteilen - oder gar zu verurteilen. Es wäre schön, wenn wir aufhören könnten unsere Mitmenschen zu bewerten - denn nichts anderes ist das ja.
Nur dein eigenes Denken und Handeln ist für dich von Bedeutung.
Und (nochmal nebenbei): du bist noch so jung! Hab auch mal ein bißchen Spaß, iß Reis wenn dir danach ist und zeige dir und deiner Umwelt, daß es Spaß macht so zu leben wie du!
In Bezug auf den christlichen Glauben habe ich mal gelesen:"Es wäre leichter an die Erlösung zu glauben, wenn all die Erlösten nicht so unerlöst aussehen würden."
Ein bißchen kann man das auch hierauf beziehen. Wenn deine Umwelt wahrnimmt, wie anstrengend das alles ist (vegansein, ökologisch korrektsein,...), dann kommt doch sicher niemand auf die Idee, daß mal auszuprobieren.
Und jetzt geh, kauf dir eine Wimperntusche bei DM und zeige der Welt, daß es absolut nichts tolleres gibt als dein way of life!!
Sei ganz du selbst!
Außer du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn

bethechange
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Beitrag von bethechange » 3. Nov 2015 12:54

Vielen lieben Dank für eure Antworten und Tipps.

Ich kenne schon sehr viele VeganerInnen, das ist nicht das Problem. Aber von denen ist keiner so "extrem" wie ich. Es gibt eine Person, die mich versteht und auch so ist, vielleicht bin ich auch wegen ihr so geworden - meine Mama. Leider wohnen wir fast 700 km voneinander entfernt.

In meiner Stadt gibt es auch sehr viele Angebote, wie ein Repair-Café und eine vegane VoKü und so weiter. Das ist schon mal gut, aber das ist dann teilweise auxh ernüchternd, wenn ich sehe, dass ich nicht mal da Gleichgesinnte finde.

Ich versuche schon an mir zu arbeiten, aber ich kann die schlechten Gedanken nicht einfach ausblenden. Vorallem nicht, wenn ich mit niemandem darüber reden kann.

@anphie: ich finde natürlich nicht amme Filme doof. Aber die meisten, die meine Freunde oder auch der Großteil der Gesellschaft toll findet. Warum? Weil mich oft stört, wie mit Stereotypen gearbeitet wird, wie alles verfälscht und geschönigt dargestellt wird, wie die Schönheitsideale einer Gesellschaft in den Schauspielern widergespiegelt sein muss, oder auch, welche sozialen Normen und Werte in den Filmen eine Rolle spielen (erstrebenswerte Dinge in vielen Filmen sind Schönheit, Geld, Heldentum, eine tolle Familie, Reisen, DIE EINE Liebe zu finden/natürlich immer heterosexuelle Liebe, und so weiter) Seltenst wird auch auf die Umwelt und Soziale Aspekte Wert gelegt. Es wird suggeriert, dass wenn das eigene Leben gut ist, muss man sich um nichts mehr kümmern. Heile Welt und Miniprobleme eben. Ganz zu schweigen von Alien-/Action-/Kriegsfilmen, die viel Gewalt darstellen und wo es immer eine hübsche, heldenhafte Frau geben muss.

@mashisouk: Das Zitat mit der Erlösung hat mir gefallen :) Danke

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Joachim
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Beitrag von Joachim » 3. Nov 2015 14:55

[font=Georgia]bethecange,

ich finde das toll, dass Du die vegane Lebensweise so konsequent durchziehst. Du verfolgst Deine Ideale konsequent. Das ist wirklich gut.

Aber: Ich glaube, Du wirst auf Dauer Schiffbruch erleiden. Warum? Ich glaube, Du setzt nicht nur an deine Umwelt hohe Maßstäbe, sondern auch an dich selbst. Du erwähnst das "schlechte Gewissen" beispielsweise, wenn du bei Freunden isst. Ich kann Dir nur raten, gelassener zu werden. Freue Dich doch, dass du Freunde hast (es gibt Menschen, die haben keine), die dich mögen und dich zum essen einladen. Genieße die Zeit mit ihnen. Wir alle müssen im Leben Kompromisse eingehen. Du sitzt vor einem PC, das Forum wird auf einem Server gehostet, ich sitze vor einem PC. Sicherlich enthalten die PC's Edelmetalle aus Afrika - ich möchte nicht wissen, unter welchen Umständen diese Edelmetalle gefördert werden (oder man denke bei Apple an die Produktionsbedingungen). Kein PC - kein Internetzugang, kein Schreiben hier im Forum. Verstehe mich nicht falsch: Ich meine mit "Gelassenheit" nicht: "Oh, ich habe keinen Tofu im Kühlschrank, dann gehe ich zur Pommes Bude an der Ecke und hole mir 'ne Bratwurst." Aber es gibt einfach Umstände, die zu ändern liegt nicht in unserer Macht. Und wir müssen damit leben, ob wir wollen oder nicht.

Und was andere Menschen angeht, die nicht so leben wie Du - wie mashisouk schon schreibt: "Du bist nicht verantwortlich für das Handeln anderer Menschen..." Und es ist auch egal, ob Du dein vegan sein einfach für dich konsequent lebst oder ob du "missionierst" - in letzter Konsequenz überzeugen sich Menschen immer selbst, ob eine Sache gut ist oder nicht. Sie wiegen das für und wider ab, und dann entscheiden sie sich. Und sonst niemand.

Versuche, gelassener zu sein. Vegan sein ist keine Religion. Und die Welt wirst Du nicht retten können (ich übrigens auch nicht).

Liebe Grüße,

Joachim

P.S. Bitte verzeih, wenn ich Dich irgendwo falsch verstanden haben sollte. Ein Internet-Forum ist halt immer ein wenig eindimensional. Es fehlen halt Mimik etc. (Was keine Kritik am Vegan-Forum sein soll. Das ist wirklich spitze!)[/font]
"Wenn Menschen einen Anspruch auf Grundrechte haben, warum dann nicht auch Tiere?"
Nair v. Union of India, Juni 2000

ranja
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Beitrag von ranja » 3. Nov 2015 17:29

Hallo bethechange,

ehrlich gesagt bin ich ziemlich erschrocken, als ich deinen Post gelesen habe. Ich kann deine Argumentation zwar nachvollziehen - immerhin versuchen wir hier ja alle durch den Verzicht auf tierische Produkte Leiden ein wenig zu verringern - aber du allein kannst die Welt nicht retten. Du bist nicht für alles verantwortlich, was passiert, um das, was du konsumierst herzustellen. Transparenz darüber haben wir ohnehin nicht. Leben ohne negative Nebenwirkungen ist nicht möglich. Erst recht nicht bist du dafür verantwortlich, ob sich andere von deiner Lebensweise inspirieren oder motivieren lassen – also sei auch nicht enttäuscht, wenn andere sich anders verhalten und dich nicht verstehen.

Wofür du aber, und zwar nur du, verantwortlich bist, ist, dass du ein glückliches und zufriedenes Leben hast. Also grübel‘ bitte nicht zu sehr darüber nach, welche Auswirkungen dein Handeln möglicherweise jeweils hat. Ich finde den Vergleich mit anderen Mitmenschen durchaus legitim, und ich persönlich freue mich ganz oft darüber, dass ich durch mein veganes Essen oder meine veganen Schuhe eben weniger Leid/Schäden verursache als der Durchschnittsdeutsche. Und du machst definitiv viel mehr als ich – sei stolz darauf, konzentriere dich mehr auf das, was du gut machst, sei nicht so hart zu dir selbst.

Was mir immer hilft, um „Abstand“ zu dem zu finden, was alles schief läuft: Schau‘ dir nachts den Himmel an, da ist ein ganzes Universum da draußen, was wir hier machen, der Zeitraum der Menschheitsgeschichte, das ist alles kurz und unbedeutend!

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Hauser2015
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Beitrag von Hauser2015 » 4. Nov 2015 12:01

Hallo,

du solltest aus meiner Sicht damit aufhören andere verbessern oder aufklären zu wollen. Der Weg den du gehst ist nur dein Weg, du kannst ebenfalls keinen anderen gehen !
Alles was du beschreibst ist absolut richtig und wird deine Welt oder dein Umfeld verändern ohne das du darauf aktiv Einfluss nehmen musst. Wenn die anderen nicht erkennen, dann erkennen sie eben nicht !
Lebe für dich und entscheide für dich; es reicht eine Welt zu verändern.... DEINE ! Wenn die Veränderung nicht bei jedem selbst von innen wächst, ist es keine Veränderung sondern nur Zwang so ehrenvoll die Beweggründe auch sein mögen.

LG

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