Was ist Vegetarismus überhaupt?

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Waschbär
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Was ist Vegetarismus überhaupt?

Beitrag von Waschbär » 8. Apr 2016 15:41

Kann es sein, dass sich Vegetarismus fundamental vom Veganismus unterschiedet in dem Sinne, dass hinter Vegetarismus gar keine Ideologie steht, die den Umgang mit Tieren betrifft, sondern lediglich eine Ernährungsweise? Beispiel: Wenn sich jemand vegetarisch ernährt, aber jeden Tag auf Hunde einprügelt, ist er trotzdem ein Vegetarier- richtig? Wenn sich jemand aber vegan ernährt, aber jeden Tag auf Hunde einprügelt, dann ist er *kein* Veganer. Entsprechendes gilt für die anderen Abschwächungen des Vegetarismus. Ein Pescetarier definiert sich dadurch, dass er kein Fleisch von Landtieren isst, aber er könnte sie dennoch schlecht behandeln. Der ethische Anspruch von Vegetariern ist ja, dass für sie keine Tiere getötet werden. Dass das dennoch geschieht, wenn sie Milchprodukte und Eier kaufen, scheint sie wenig zu stören. Mir scheint da keine speziesübergreifende konsistente Ethik vorhanden zu sein.

So gesehen, gibt es anscheinend nur zwei Ideologien: Veganismus und Karnismus. Würdet ihr mir da zustimmen?

Dazu passt auch das folgende Statement des Tierrechtlers Gary L. Francione:

"Es gibt Veganismus und es gibt Tierausbeutung. Eine dritte Option gibt es nicht. Wenn Sie nicht vegan sind, beteiligen Sie sich unmittelbar an Tierausbeutung."

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Reeba
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Beitrag von Reeba » 8. Apr 2016 15:54

Also die Vegetarier, die ich kenne, essen kein Fleisch wegen der Annahme, dass für Milchprodukte etc. ja niemand sterben muss.

Ich habe das früher auch gedacht, weil ich mich nicht informiert habe.
Die Vegetarier, die ich bis jetzt darauf angesprochen habe, dass Milchprodukte im Normalfall auch nicht zu 'nem Happy Ending des Tieres führen, waren ziemlich erstaunt und entsetzt.
Ich denke das hat viel mit Nichtwissen zu tun..

Das mit dem Veganismus und Karnismus würde ich prinzipiell auch so sehen, bzw. fühlt sich für mich so an, wobei ich auch die Erfahrung gemacht habe, dass die meisten Vegetarier sich zwar moralisch eher Richtung Veganer positionieren, vom tatsächlichen Handeln/Konsumieren her aber eher in Richtung Karnismus gehen.

Herztier
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Beitrag von Herztier » 8. Apr 2016 16:30

Ich würde Vegetarismus trotzdem als Ideologie bezeichnen, die den Umgang mit Tieren betrifft. Vegetarier denken ja, für sie müsste kein Tier getötet werden, wie Reeba auch schon sagt und sind der Meinung das Richtige zu tun. Ideologie bedeutet ja nicht, dass es 100% logisch sein muss. Das ist der Karnismus ja auch nicht. Der unterscheidet ja zwischen Nutztieren und anderen Tieren, was auch völlig aus der Luft gegriffen ist. Vielleicht kann man eher sagen, dass Vegetarier unbewusst Karnismus unterstützen?

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037merlin
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Beitrag von 037merlin » 11. Apr 2016 12:27

Richtig, eine Ideologie schafft Regeln, die es einzuhalten gilt, wenn man sich der Ideologie unterordnet. Beim Karnismus gilt es, die Fleischsorten zu konsumieren, die man in der Kultur für richtig hält, und die zu meiden, die per Kulturdefintion nicht essbar sind. Insofern hat sogar jede Kultur einen eigenen ideologischen Karnismuszweig und es ist nichtmal "der Karnismus". Naja, beim Vegetarismus lautet die Regel: kein Fleisch essen.
Und beim Veganismus: keine Tierprodukte konsumieren in jedweder Form.
Insofern gibt es da noch mehr Ideologien. Ich weiß nicht, ob nicht auch andere Ernährungsformen ideologisch sind. Zum Beispiel Paleo oder Ketogene Ernährung. Aber ich würde sagen, ja.
"Earth" without "art" would be just "Eh"...

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Waschbär
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Beitrag von Waschbär » 11. Apr 2016 12:39

Danke für die Antworten.

Veganismus ≠ vegane Ernährung. Die Ideologie hinter dem Veganismus besteht doch vor allem darin, dass Tiere kein unnötiges Leid erfahren sollen. Daraus resultiert dann eine vegane Ernährungsweise.

Aus welcher Ideologie (die über das Essen hinausgeht) entsteht eine vegetarische Ernährung? Ich sehe immer noch keine. Wenn die Ideologie dieselbe wie oben ist, würde ja eine vegane Ernährung resultieren, und keine ovo-lakto-vegetarische Ernährung. Vegetarier, die tatsächlich glauben, dass sie durch den Kauf von Milch und Eiern aus dem Supermarkt Tieren kein Leid zufügen, sind einem Irrglauben aufgesessen (war bei mir ja nicht anders) und folgen keiner Ideologie, die über das Essen hinausgeht. Denn meiner Ansicht nach besteht eine Ideologie nur aus Vorsätzen, wie man zu leben und zu handeln hat, und nicht aus falsifizierbaren Aussagen.

Dass der Karnismus unterschiedliche Ausprägungen hat, macht ja nichts weiter. Veganismus hat ja auch unterschiedliche Ausprägungen. Stichwort Palmöl.

Mr. Kennedy
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Beitrag von Mr. Kennedy » 11. Apr 2016 12:49

037merlin hat geschrieben: Zum Beispiel Paleo oder Ketogene Ernährung. Aber ich würde sagen, ja.
Ketogene Ernährung ist ein gutes Gegenbeispiel für ideologische Ernährung. Ketogene Ernährung basiert ja auf objektiven, wissenschaftlichen Erkenntnissen zum menschlichen Stoffwechsel und versucht diese auszunutzen, um zur Reduzierung der Körperpfunde in den Zustand der Ketose zu kommen, bei dem der Körper seine Energie zu einem großen Teil aus den Fettreserven bezieht. Diesem Ziel ordnet sich die Ernährung unter. Bei einer ketogenen Diat spielen Moral, Ethik oder auch Dogma im Grundsatz erstmal nicht mit rein.
Trotzdem ordnet sich die ketogene Diät dem Karnismus der herrschenden Kultur unter. Ein Europäer der eine ketogene Diät durchführt, fängt nicht plötzlich an Hunde oder Katzen zu essen und ist demzufolge in "zweiter Instanz" quasi wieder Karnist.

Paleo hingegen ist vollkommen ideologisch und speist sich aus dem unbewiesenen Dogma, dass Steinzeit-Nahrung gut ist, weil Steinzeit.

Herztier
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Beitrag von Herztier » 11. Apr 2016 19:09

Waschbär hat geschrieben:Danke für die Antworten.

Veganismus ≠ vegane Ernährung. Die Ideologie hinter dem Veganismus besteht doch vor allem darin, dass Tiere kein unnötiges Leid erfahren sollen. Daraus resultiert dann eine vegane Ernährungsweise.

Aus welcher Ideologie (die über das Essen hinausgeht) entsteht eine vegetarische Ernährung?
Die ethische Überzeugung der Vegetarier, die ich kenne ist, dass Tiere nicht getötet werden dürfen. Es gibt ja auch Vegetarier, die keine Eier essen, weil dadurch ungeborenes Leben getötet wird.

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Auraya
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Beitrag von Auraya » 11. Apr 2016 19:20

Ich würde sagen es kommt auf den Blickwinkel drauf an. Aus Veganer Sicht ist der Vegetarismus keine Ideologie, da er ja Tierleid unterstützt.
Wenn man aber nun den Standpunkt der Vegetarier anschaut (ich kann nur für den Standpunkt der Vegetarier sprechen die ich kenne) so sieht die Situation aus wie bei Herztier. Sie machen es alle weil sie kein Tierleid herbeiführen möchten (dass das natürlich ein Irrglauben ist müssen wir nicht diskutieren, das ist klar).
Aber über das Essen hinaus glaube ich nicht dass eine Ideologie existiert.
Die Vegetarier die ich kenne tragen alle auch Leder, Wolle, Seide, etc. o_O
"Milton was of the devil's party without knowing it." -William Blake

Herztier
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Beitrag von Herztier » 11. Apr 2016 19:27

Ich war lange Vegetarierer und habe Leder deshalb getragen, weil ich wirklich dachte, dafür müssen keine Tiere sterben, das fällt sowieso an. Ich hab mich halt nicht genug informiert. Ich glaube aber nicht, dass man auf Vegetarier trifft die Pelz tragen.

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Waschbär
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Beitrag von Waschbär » 12. Apr 2016 09:23

Herztier hat geschrieben:Die ethische Überzeugung der Vegetarier, die ich kenne ist, dass Tiere nicht getötet werden dürfen.
Dann dürfte es wohl kaum Vegetarier geben, die keine Veganer sind. Welcher Vegetarier bezieht seine Milch (und Milchprodukte) von Bauernhöfen, wo die Kälber nicht zum Schlachthof geschickt werden? Wenn sie ihrer eigenen Ideologie nicht folgen, dann befindet sich der Vegetarismus in einem seltsamen Schwebezustand. Das ist so, als ob ich jeden Tag Papier verbrauche und gleichzeitig der Ideologie folge, dass Bäumen kein Schaden zugefügt werden darf.

Aber das hast du ja schon hier beschrieben:
Herztier hat geschrieben:Vielleicht kann man eher sagen, dass Vegetarier unbewusst Karnismus unterstützen?

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