Salat ist dreimal schädlicher als Speck

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Gerlinde
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Beitrag von Gerlinde » 20. Dez 2015 22:47

Kefir, schau Dir mal diese Veröffentlichung an,
insbesondere Seite 262,

http://www.oeko.de/oekodoc/80/2000-012-de.pdf

klar hat Fleisch eine höhere Energiedichte als Obst /Gemüse;
nach dieser Option wäre eine Ernährung nur mit Öl, Zucker und Mehl am effizientesten,
zudem muss man zu Pökelfleisch deutlich mehr trinken als zu wässrigem Salat.

die Detail-Rechnung kann man locker ins Extrem bringen,
indem man z.B. Gewächshaus-Salat/Gemüse berechnet und tief gefrorenes Fleisch außen vor lässt.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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Kefir
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Beitrag von Kefir » 20. Dez 2015 23:44

@ Gerlinde

Vielen Dank für den Link zu dieser hervorragenden Arbeit zum Thema. Besonders die Tabelle auf Seite 262 zeigt mir auf, dass die Verhältnisse von Energieverbrauch zu Nahrungsenergie beim Gemüse (alles gemessen am Gesamtverbrauch eines Haushalts) tatsächlich sehr schlecht sind. Nämlich (grob gerundet) Gemüse: 8:1, Fische 3:1, Obst 2:1, Fleisch: 1.8:1, Milch, Käse, Eier 1:1. Positive Bilanz haben wie du schreibst: Brot, Mehl, Nährmittel: 1:2.5 Speisefett und -öle 1:5, Zucker 1:15.

Natürlich ist in diesem Vergleich (wie auch im erwähnten reisserischen Artikel) nur Energiedichte und keinerlei Makro- und Mikronährstoffe bewertet.

Trotzdem erstaunt mich der hohe Energieaufwand für die Gemüseproduktion, so wäre es wohl tatsächlich ökologisch problematisch, wenn die ganze Menschheit ihren Kalorienbedarf in erster Linie mit (angebauten) Früchten und Gemüse a la Rawfood decken würde.

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Gerlinde
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Beitrag von Gerlinde » 21. Dez 2015 21:40

Kefir hat geschrieben:....
Trotzdem erstaunt mich der hohe Energieaufwand für die Gemüseproduktion, so wäre es wohl tatsächlich ökologisch problematisch, wenn die ganze Menschheit ihren Kalorienbedarf in erster Linie mit (angebauten) Früchten und Gemüse a la Rawfood decken würde.
Diese Untersuchung beschreibt lediglich den IST-Energieaufwand unserer Nahrungsmittel-Auswahl und ist aus meiner Sicht nicht geeignet, Fleisch schön und Gemüse schlecht zu reden, denn:

- wir essen nicht saisonal, d.h. alles Gemüse zur unpassenden Zeit wird in Gewächshäusern mit hohen Energiekosten produziert

- wir essen insbesondere viele pflanzliche Produkte nicht regional, die Transportkosten werden angerechnet

- die bei uns hohen Kosten für Strom und Wärme wirken voll

- Obst/Gemüse wird überwiegend mit Kunstdünger gedüngt und selten mit organischen Düngern; Stickstoff-Synthese ist sehr energieaufwändig, die Fleischproduktion hat hier die Gülle zu Verfügung, die sowieso "weg" muss

- Fleischproduktion ist energie-extensiver, je größer die "Tier-Massen" sind

- in der Studie gibt es auch Gegenüberstellungen von Bio zu konventionell bei Pflanzen, Bio benötigt oft nur 1/3 des Energieaufwandes im Vergleich zu konventionell+Gewächshaus (nur ist der Bio-Anteil zu gering)

kurzum:
würden wir regional-saisonal-bio das Obst/Gemüse rechnen
und bei dem Fleischkonsum die bio-Haltung rechnen, dann würde es ganz anders aussehen.

aber das ist eben nicht die Gegenwart.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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Beitrag von Gerlinde » 21. Dez 2015 22:01

Nachtrag:
nach dieser Energiekostenberechnung würde Wildbret besonders günstig abschneiden,
denn hier habe ich kaum Futtergewinnung (bisschen Kirrung), keine Stallbaukosten, keine Maschinenkosten,
keine Düngung und keine Fäkalienentsorgung - also extrem niedriger Energie-Erzeugungsaufwand.

Würde man allerdings in Euro-Aufwand rechnen, dann wäre die Jagd wahrscheinlich deutlich schlechter,
denn die Preise für Waffentechnik& Co sind schon extrem;
allein eine "wildchwein-sichere-Jagdhose" kann schon mal um die 500 € kosten.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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Kefir
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Beitrag von Kefir » 22. Dez 2015 00:01

Hallo Gerlinde, wenn ich da schon mal Zugang zu einer Fachperson habe stelle ich dir gerne noch ein paar Fragen:

Das mit dem Dünger habe ich nicht recht verstanden, wäre Düngen ohne Tiermist energieaufwändiger?

Verstehe ich richtig, dass Bio bei Gemüse- und Früchteanbau günstig und bei Tierprodukten ungünstig ist bezüglich Ökobilanz?

Auch habe ich gelesen, dass TK Ware besonders unökologisch ist wegen dem hohen Energieaufwand fürs Einfrieren. Dafür kann ich bei TK Ware meist auf europäische Produktion zurückgreifen während die Frischware in der Auslage aus Kenia oder Chile stammt.

Auch in meinem Haushalt scheint mir das Einfrieren recht ökologisch, besonders bei Nahrungsmitteln, die eine lange Kochzeit haben wie Bohnen und Kichererbsen. Ausserdem muss ich dank meiner TK Vorratshaltung viel weniger fortwerfen als wenn ich es nur kühlen würde.

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Beitrag von illith » 22. Dez 2015 02:36

habs nur überflogen, aber in der vegan-mastermind-gruppe auf FB hieß es irgendwie, dass in der zugrundeliegenden studie die früchte vor allem aus kalifornien kommen, wo es zwar warm ist, aber riesenmengen wasser rangeschafft werden müssen für den anbau, was diese negative ökobilanz zur folge hat.
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Beitrag von VegSun » 22. Dez 2015 08:09

Ware aus Kenia ist z.B. diese Zuckerschoten die in kleinen Schälchen zu winzigen Mengen abgepackt sind und per Flugfracht kommen.

Sobald ich mich mit dem Buch beschäftige schreibe ich mehr dazu.
"Ein Mathebuch ist der einzige Ort , wo es normal ist 52 Wassermelonen zu kaufen."

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Beitrag von Gerlinde » 22. Dez 2015 19:54

Kefir hat geschrieben:..
- Das mit dem Dünger habe ich nicht recht verstanden, wäre Düngen ohne Tiermist energieaufwändiger?
- Verstehe ich richtig, dass Bio bei Gemüse- und Früchteanbau günstig und bei Tierprodukten ungünstig ist bezüglich Ökobilanz?
... Dafür kann ich bei TK Ware meist auf europäische Produktion zurückgreifen während die Frischware in der Auslage aus Kenia oder Chile stammt.
... Ausserdem muss ich dank meiner TK Vorratshaltung viel weniger fortwerfen als wenn ich es nur kühlen würde.
Ich muss meinen Beitrag von 20:40 auch nochmal überarbeiten, denn ich trenne nicht sauber zwischen "Energieaufwand" und "Kostenaufwand".
Dann dürfen wir die Studien nicht vermischen; für die US-Studie habe ich nur eine Zusammenfassung, die Dissertation von Jungbluth ist sehr detailiert und bestätigt nur in einer Untersuchung die US-Ergebnisse. Ich hatte noch nicht die Zeit die 300 Seiten durchzugehen, habs mir aber vorgenommen....

Dünger:

Für Obst und Gemüse haben die großen Lebensmittelketten feste Zeitpunkt-genaue Lieferverträge; d.h. die "Ware" muss punktgenau erzeugt werden, das geht nur mit standardisierten Verfahren (Düngung). Mineraldünger wirkt wie gewünscht, organische Dünger sind von Wärme und Wasser abhängig. Auch bringen organische Dünger ein anderes Hygienerisiko mit sich. Mineraldünger müssen konvektioniert werden, Phosphor und Kalium werden aus Lagerstätten gewonnen, Stickstoff muss synthetisch hergestellt werden (Haber-Bosch-Verfahren). Dieses Verfahren wurde mittlerweile schon effizienter, kostet aber immer noch reichlich Energie.

Im Tiermist sind Nährstoffe und organische Substanzen in verschiedenen Verfügbarkeiten enthalten und wird bei Tierhaltung quasi als Nebenprodukt geliefert.
Tiermist fällt im Betrieb an und muss nicht zugekauft werden.
Ich denke, deshalb schneiden Bio-Öko-Betriebe gut ab, da viele Tierhaltung und Pflanzenprodiktion haben, oder düngen mit Hornspäne usw.

Die Intensiv-Tierhaltung "wirbt" ja teilweise damit, dass eine Hochleistungskuh gemessen am Liter Milch weniger Methan erzeugt als eine Biokuh.
Die Frage ist, wie man Öko-Bilanz berechnet/bewertet und ob man Methan-Ausstoß mit Tierwohl aufrechnen kann.

Fakt ist, dass 5000 Tiere in einer Stalleinheit sich gegenseitig über die Abgabe von Köpertemperatur warm halten; Biotiere müssen eingestreut werden, damit sie warm liegen (vereinfacht ausgedrückt).


Das mit der Tierfkühlkost beschreibt unseren Lebensstil (wie in der Studie aufgegriffen) und das ist nicht unbedingt das ökologische Optimum.
Wir haben aber einen Alltag, der nicht unbedingt eine Vorratshaltung (trocken) und ein regelmäßiges Zubereiten von Grundnahrungsmittel ermöglicht.
Das geht mir genauso.

Die US-Studie mit Kalifornien benötigt wohl keine wärmenden Gewächshäuser aber ich vermute mal eine anschließende konsequente Kühlung.

http://www.oekosystem-erde.de/html/indu ... nstduenger
Auszug:
Das Haber-Bosch-Verfahren brauchte etwa einen Liter Erdöl oder eine entsprechende Menge Erdgas, um ein Kilogramm Stickstoff zu fixieren. Aber dies war die Zeit, in der Erdöl immer billiger wurde (>> hier); und so konnte die Produktion ständig ausgebaut werden: Der Kunstdüngereinsatz stieg von 4 Millionen Tonnen im Jahr 1940 über 40 Millionen Tonnen im Jahr 1965 auf fast 150 Millionen Tonnen im Jahr 1990. Damit konnten die Böden wieder mit Nährstoffen aufgefüllt werden - allerdings gelangte mehr als die Hälfe des Kunstdüngers gar nicht auf die Felder, sondern in Gewässer und führte dort zur Überdüngung (>> hier). Der Einsatz von Kunstdünger war an seine Grenzen gekommen, seit 1990 fällt er sogar leicht (2000: 137 Millionen Tonnen). Der Einsatz von Düngern ist heute etwa beim Maisanbau in den USA der Haupt-Energieverbraucher, und hat noch mehr als die Mechanisierung dazu beigetragen, dass die Landwirtschaft mehr Energie verbraucht als sie in Form von Lebensmitteln erzeugt.

(letzte Aussage würd eich nicht 1:1 übernehmen)
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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Kefir
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Beitrag von Kefir » 23. Dez 2015 00:14

Danke Gerlinde!! Super, deine Infos. Offenbar kann man die Behauptungen im Artikel nicht so leicht widerlegen, auch wenn sie absichtlich ein falsches negatives Licht auf den Gemüsekonsum werfen.

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Rainer
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Beitrag von Rainer » 27. Jan 2016 14:17

Beachtet auch folgenden GEO-Artikel zum Thema inkl. des Fazits:

--
Worum es in der Studie eigentlich ging

Der Wirbel über die Studie verdeckt, dass die Wissenschaftler eigentlich auf einer ganz anderen Spur waren. Es ging nämlich ursprünglich nicht darum, eine vegetarische oder vegane Ernährung mit einer fleischhaltigen zu vergleichen. Die Autoren wollten lediglich die Umweltauswirkungen der aktuellen Ernährungsempfehlungen des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) und des Gesundheitsministeriums abschätzen.

Als besonders umweltschädlich erwies sich dabei eine Ernährungsvariante, die zwar die von der USDA empfohlenen Nahrungsmittel einschloss, bei der aber keine Kalorien reduziert werden. Eine solche Ernährungsstrategie führt der Studie zufolge zu einem 43 Prozent erhöhten Energieverbrauch, zu einem 16 Prozent höheren Verbraucht von blauem Wasser und elf Prozent mehr Klimagasen.

Allerdings war keines der untersuchten Szenarien vegetarisch oder vegan. Und dass Vegetarier unter dem Strich die größeren Umweltsünder als die Fleischesser seien, haben die Autoren nicht behauptet.

--

Andere seriöse Studien wie z.B. Total Environmental Impact of Three Main Dietary Patterns in Relation to the Content of Animal and Plant Food kommen zu einer Schlußfolgerung ganz in unserem Sinne: "The results of our study confirmed the findings reached over the last few years by the research in this field, and showed that the environmental impact of a diet is mainly related to the consumption of animal products."

Edit: Der Beitrag Salat ist doch nicht umweltschädlicher als Bacon liefert eine Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs.
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