Diese Dreadlocks=Cultural appropriation-Diskussionen gehen mir langsam auf den Geist.
Wie schon erwähnt wurde, gehören Dreadlocks zu allen Kulturen, in welchen Menschen Haare haben. Wegen illiths Aussage, Wikinger/Germanen usw hätten nie Dreadlocks getragen: Hast du hierfür Beweise/Quellen? Soweit ich weiss, existieren aus dieser Zeit weder Aufzeichnungen über getragene Haarstile, noch Fotos. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass durchaus Dreadlocks getragen wurden, weil Dreadlocks schlicht und einfach entstehen, wenn Haare nicht gebürstet/gewaschen werden. Ein Freund von mir hat nie an seinen Dreads gedreht/geflochten. Er hat sie ganz einfach entstehen lassen und für's ungeschulte Auge ist kein Unterschied zwischen seinen und geflochtenen Dreads erkennbar.
Dreadlocks sind also schlicht und einfach NICHT Cultural Appropriation. Was nun die gesamte Debatte über Rassismus anbelangt:
Vorneweg: dieser whitesplaining-Hashtag wird unglaublich überbenutzt. Whitesplaining existiert und ist nervig- jede Kritik und jeden Einwand oder auch nur jede Frage von Weissen, welche Rassismus anbelangt, als whitesplaining abzutun, ist einfach nur peinlich und ist so, wie wenn ein Kleinkind sich die Ohren zuhält und "lalala ich will deine Argumente nicht hören" schreit. Gerade Weisse sollten diesen Hashtag keineswegs verwenden.
Ich führte auf Facebook eine Diskussion, wo mir drei Frauen, eine weisser als die andere, erklären wollten, ich sei rassistisch, nur weil ich kein Problem darin sehe, wenn Weisse Dreadlocks tragen. Das unglaublich Witzige an der Sache ist ja, dass gemäss dieser Definition die drei Damen sich selber auch als rassistisch bezeichnen könnten, da sie als Weisse glauben, erklären zu können, was Rassismus ist.
Dazu gibt es die einfache Frage: Wenn ich dir den Finger breche, hast du oder habe ich das Recht zu sagen, dass es weh tut?
Natürlich hat das nur die Person mit dem verletzten Finger/ergo die aufgrund ihrer Hautfarbe unterprivilegierte Person. Gerade die drei Frauen auf Facebook sagten kurz vorher, dass nur POC definieren können, was Rassismus ist.
Grundsätzlich sollten Weisse darauf verzichten, Diskussionen über Rassismus zu führen und Schwarze Autoren zu zitieren, ohne den Zusammenhang ihrer Zitate zu kennen.
Dieses Kommunikations oder Verständnisproblem ist es ja wahrscheinlich auch, warum überhaupt diskutiert wird, ob Dreads rassistisch sind.
Diverse Schwarze Autoren, zB Noah Sow, haben das Beispiel Dreadlocks gewählt, um auf Privilegien der Weissen Bevölkerung hinzuweisen.
-Weisse können also Dreadlocks tragen, ohne dass ihnen dauernd in die Haare gelangt wird. (Kurze Anmerkung hierzu: im Youtube-Video "True Tea" wird von der Protagonistin erklärt, Schwarze fänden oft aufgrund ihres Afros keinen Job, wohingegen Weisse mit Dreads keine Probleme hätten. Dem muss ich widersprechen, weil -auch wenn Dreads im Gegensatz zum Afro freiwillig getragen werden- Menschen mit Dreads durchaus Probleme bei der Jobsuche haben, zumindest in Europa. Das Beispiel finde ich daher schlecht gewählt. Es sollte eher heissen, Weisse haben eben gerade das Privileg, mit ihrer natürlichen Frisur keine Probleme bei der Jobsuche zu haben)
-Weisse finden schneller einen Job
-Weisse werden in Artikeln nicht als "weiss" bezeichnet und auf ihre Hautfarbe reduziert
-Weisse können sich nach Belieben Aspekte anderer Kulturen aneignen (eben cultural appropriation)
usw usf.
NIRGENDWO hingegen wird behauptet, von diesen Privilegien Gebrauch zu machen, sei rassistisch. Selbst PoC haben diese Behauptung nicht aufgestellt.
Bei der Gleichberechtigung geht es darum, allen Parteien die selben Rechte zuzuschreiben und nicht, der privilegierten Partei diese Rechte abzusprechen.
Es verlangt also niemand (auch Schwarze nicht), dass Weisse auf Dreadlocks verzichten sollen, oder keine Hosen aus Thailand tragen usw.
Es wird lediglich kritisiert, dass nur Weisse das Recht dazu haben.
Feminist*innen wollen ja auch nicht den Männern die Rechte absprechen, sondern fordern nur dieselben Rechte auch für Frauen.
Natürlich kann mensch behaupten, auf Dreadlocks zu verzichten sei einfacher, als auf diverse andere "weisse" Privilegien zu verzichten. Nur sagt sich das für Nicht-Dreadlock-Träger so leicht. Wie illith erwähnte, es ist ein Teil von ihr, sie hat diese Frisur getragen, seit sie 15 war. Leute wie Justin Bieber, die sich nicht im Geringsten für politische Debatten interessieren und nur provozieren wollen, ecken natürlich mit Dreadlocks an. Die meisten "normalen" Dreadlocks-Träger sind jedoch politisch links und tragen Dreadlocks, um gegen die weisse Gesellschaft zu protestieren und aus der Welt der Diskriminierung aufgrund von Äusserlichkeiten auszubrechen. Manche auch einfach, weil sie zu faul sind, ihre Haare zu pflegen- und auch das ist in Ordnung.
Nun hat ja ein Schwarzer Student einen Weissen Dreadlocks-Träger verprügelt, was weltweite Diskussionen angeheizt hat.
Diese Person litt wahrscheinlich wie sehr viele andere unter der rassistischen und von Weissen dominierten Gesellschaft und liess diesen Ärger an jemandem aus, welcher offensichtlich von einem der "weissen" Privilegien Gebrauch machte. Ein Dreadlocks-Träger ist natürlich ein leichtes Opfer und klar zu erkennen. Genausogut hätte er auch einen Weissen Manager verprügeln können, einen Weissen Lehrer, einen Weissen Autor, einen Weissen Solariumbesucher oder einen Weissen Backpacker.
Übrigens gibt es durchaus immer wieder Gewaltverbrechen an Weissen, aufgrund ihrer Privilegien, nur wird das von den Medien nicht so aufgegriffen, wie die Dreadlocks-Sache. Die Dreadlocks-Situation hat halt besonders angeeckt, weil sich davon linke Antirassist*innen angesprochen fühlten, welche sich ihrer Situation plötzlich nicht mehr sicher waren.
Rassismus wird übrigens (auch von PoC) folgendermassen definiert: Wenn ein Weisser einen Schwarzen aufgrund seiner Hautfarbe anders behandelt, ihm aufgrund seiner Hautfarbe irgendwelche Rechte zu/oder abspricht, dann ist das Rassismus.
(
http://www.edition-assemblage.de/wie-ve ... schreiben/) (edit: das steht so im Text und ist für meine Aussage relevant, hingegen nicht meine eigene Meinung)
Fazit:
-Dreadlocks sind eigentlich nicht cultural appropriation. Selbst wenn sie es wären, macht es den Träger oder den Befürworter nicht zum Rassisten, weil nirgendwo gesagt wird, der Gebrauch von Weissen Privilegien sei rassistisch. Rassistisch ist, dass es sich eben um Privilegien handelt und nicht um für alle gleichermassen geltende Rechte. Rassistisch ist, wer kein Problem darin sieht, dass diese Rechte nicht auch für PoC gelten.
-Weisse sollten auf Rassismus-Diskussionen verzichten, weil sie schlichtweg nicht wissen, wie es sich anfühlt, von Rassismus betroffen zu sein. Weisse sollten auch nicht andere Weisse als Rassisten bezeichnen, wenn die allgemeine (auch von PoC verwendete) Definition von Rassismus nicht auf diese zutrifft. Weisse die glauben, für Schwarze sprechen zu müssen, wären ihrer eigenen Definition nach selber Rassisten.
Meine persönliche Meinung: Heute sind alle gegen alle, Linke, Tierrechtler*innen, Feminist*innen bekämpfen sich gegenseitig aufgrund von irrelevanten kleinen Unterschieden in der Weltanschauung. Das führt zu nichts.
In der oben erwähnten Diskussion mit drei "weissen" Frauen sagte übrigens eine der drei zu mir: "wenn Unterprivilegierte etwas sagen/machen, dann ist das gut so und wir haben uns daran zu halten". Wenn damit die Definition von Rassismus gemeint war, dann stimme ich grundsätzlich mit ihr überein, ansonsten finde ich diese Aussage extrem problematisch, da sie suggeriert, dass alle zu einer unterprivilegierten Partei gehörenden Menschen das Recht haben zu tun und zu lassen, was sie wollen. Das würde dazu führen, dass Deutsche, welche den Palästinakrieg kritisieren, aufgrund ihrer Vergangenheit als Antisemiten bezeichnet werden und überhaupt jegliche Kritik am Verhalten israelischer Menschen, aufgrund ihrer "Unterprivilegiertheit" verboten wäre.
Grunsätzlich sollten wir Antirassismus leben, indem wir von Grund auf keinen Unterschied zwischen Hautfarben sehen/machen und anders"farbige" Menschen nicht anders behandeln, als uns selber. Dieses "Unterprivilegierte/ergo PoC können machen was sie wollen, weil sie unterprivilegiert sind" Führt nur zu noch mehr Rassismus und treibt einen Keil zwischen verschiedene Bevölkerungsgruppen/Ethnien. Auf alles, was aus anderen Kulturen stammt zu verzichten, aus Angst, rassistisch zu sein, macht den Graben zwischen den Kulturen nur grösser. Ich strebe eine multikulturelle Welt an, wo von Grund auf kein Unterschied zwischen Geschlechtern und Ethnien gemacht wird- was jedoch nicht im Geringsten bedeutet, dass ich Unterschiede welche heute existieren, leugne (was mir schon vorgeworfen wurde). Ich bin ebenfalls nicht im Geringsten, auch nur annähernd eine Rassistin- und ich lasse mich erst recht nicht von Weissen als solche bezeichnen, nur weil ich aus guten Gründen kein Problem darin sehe, dass Weisse Dreads tragen.
Dieses mit-dem Finger-auf-andere-zeigen erinnert mich ebenfalls an die Szene vom Kleinkind, welches sich einschleimen will, so à la: "Schaut nur her PoC, ICH bin kein Rassist- die dort aber schon, weil die findet Dreadlocks bei Weissen okay."
Wir können uns also weiterhin gegenseitig bekriegen, nur weil wir Zitate von Schwarzen Autoren/Rednern unterschiedlich interpretieren, oder wir können uns auf die eigentlichen Probleme konzentrieren.