Akayi hat geschrieben:
Das tue ich freilich nicht. Wenn sich aber inhaltliche Fehler (Rassismus, Nationalismus) durch alle diese Gruppen ziehen, dann muss man das festhalten. Dass von Rechts gerne die Nebelkerze gezündet wird und wie vond einem Wortgeber jüngst gefordert noch die "heterogene AfD" nach moralischen Maßstäben sezioert wird, dann wird klar worum es geht: Ehrenrettung der eigenen rechten Einstellungen.
Da stimme ich dir zu. "Rechts" ist in der öffentlichen Wahrnehmung vieler ein derart abenteuerlich negativ belasteter Begriff geworden, dass sich dieses Label formell niemand mehr überstreifen will. Was die Leute wollen, ist rechte Ansichten und Standpunkte vertreten, aber ohne dass das dann so bezeichnet wird. "Ich bin ja nicht rechts, aber... [hier rechtes Statement einfügen]", "In die rechte Ecke stellen", "Nazikeule", etc. In den Köpfen vieler Menschen ist man erst dann wirklich "rechts", wenn man zum Völkermord an den Juden aufruft oder ähnliches. Diese kognitive Dissonanz ist ein Problem. Die Frage ist nun, wie man diesem Phänomen begegnet und wie man maximale Schadensbegrenzung betreibt.
Akayi hat geschrieben:
Wenn die eigene Analyse zudem auf so wackeligen Beinen steht, dass Brexit und Trump sie umwerfen, dann sollte man wohl als erstes daran arbeiten bevor man anderen einen Vorwurf macht.
Halte mich für verrückt, aber ich glaube du unterschätzt die doch recht gigantische Tragweite dieser beiden politischen Zäsuren. Nichts normalisiert und legitimiert rechtes Gedankengut mehr als solche großen Wahlerfolge. Trump ist erst eine Woche im Weißen Haus und der Prozess "Grenzmauern" und "America first" vom verpönten, rechten Rand in den Mainstream zu holen, ist in vollem Gange. Das ist nochmal ein Schritt weiter, als wir hier in Deutschland. Hier schämt man sich zwar auch nicht mehr für rechtes Gedankengut, aber wenigstens noch für das Label. Unsere "Alt-Right" heißt beispielsweise deshalb auch nicht "rechte Alternative", sondern nur schlicht "Alternative für Deutschland".
Akayi hat geschrieben:
Auch das ist natürlich Unsinn. Dinge erst zu analyiseren und entsprechend einzuordnen ist simples wissenschaftliches Herngehen an Sachverhalte. Darin sehe ich kein Problem. Allerdings ist das nur der erste Schritt. Eine entsprechende Kritik ist das nächste. Dies bildet den Ausgangspunkt für Praxis. Wie sollte es auch anders sein? Wer würde denn ohne Sinn und Verstand handeln wollen? Ein ziemlich merkwürdiger Vorwurf ist das.
Vielleicht solltest du dein Fähnchen nicht immer nach dem Wind / Jahreszeit ausrichten, sondern lieber selber denken?
Und genau da bist du ein bisschen aus der Zeit gefallen, finde ich. Es geht schon lange nicht mehr darum, Diskussionen zu gewinnen, sondern darum Wahlen zu gewinnen. Den rechten Rand von öffentlichen Ämter fernhalten, egal wie. Die Strategie, dem Rechtsruck der Gesellschaft mit Kampfbegriffen und schonungsloser Offenlegung der jeweiligen Ressentiments zu begegnen, ist jetzt zweimal in die Hose gegangen. Die Leute hat es schlicht nicht interessiert, dass man sie als Rassisten, Sexisten und Homophobe bezeichnet hat, die haben Trump trotzdem gewählt. Demnach würde ich einen Strategiewechsel vorschlagen, mit dem man diese Bewegung effektiver abfangen kann.
Meine Strategie (oder eher frommer Wunsch) für Deutschland wäre Folgendes: Merkel muss weg und die Union auch raus aus der Regierung und in die Opposition. Martin Chulz als Kanzler regiert mit Rot-Rot-Grünem Bündnis. In der Opposition kann die Union ihr konservatives Profil schärfen und ordentlich mit den Säbeln rasseln und der AfD so die Wähler wieder wegfischen, die sie in den vergangenen Jahren verloren haben. Mit Merkel an der Spitze hat sich die Union viel zu weit in die politische Mitte und an die SPD herangedriftet. Dieser Prozess hat die Nische für die AfD geöffnet. Diese Nische muss wieder geschlossen werden. Die Union ist eine uralte Volkspartei und sehr viel weniger gefährlich, als die AfD, die sich ja binnen Rekordzeit radikalisiert hat. Gegründet 2013 als eurokritische Partei, hat sie bis 2015 ihren Gründer gechasst und ist nun 2017 inzwischen dort angelangt, wo Björn Höcke flammende Nazi-Reden halten darf, ohne dass das mit Partei-Ausschluss geahndet wird. Totale Extremisierung innerhalb nichtmal 4 Jahre. Diese Partei ist so viel gefährlicher als es die Union jemals sein könnte. Und um das zu erreichen, wird man wohl einige Kompromisse eingehen müssen. Für die tägliche Praxis und unseren Diskurs hieße das beispielsweise: Konservative und rechts-konservative Forderungen seitens der Union akzeptieren und normalisieren und dahinter einen Schnitt setzen und alles was von der AfD kommt weiterhin platt hauen. Denn sobald die Union was Konservatives fordert, muss die AfD nachziehen und einen draufsetzen, um sich weiterhin abzugrenzen. Das muss man solange machen, bis wieder genügend Schnittmenge zwischen "besorgten Bürgern" und der Union vorhanden ist, dass sie von der AfD abspringen, die sich im Fahrwasser noch weiter radikalisieren wird, um Gesicht zu wahren.
Akayi hat geschrieben:Ich wüsste nicht wo wir über die Funktionsweise von Demokratie geredet haben oder wo ich etwas darüber gesagt haben soll. Ist das ein taktischer Gegenstandswechsel?
Nein, aber wir müssens uns halt wohl oder übel damit abfinden, dass der Westen einen Rechtsruck durchlebt und dass wir dies leider erstmal akzeptieren müssen. Wir leben letztenendes in einer Gesellschaft mit Meinungspluralismus. Der Versuch diesen Rechtsruck mit dem Hammer zu zerquetschen droht zu scheitern, daher schlage ich vor, dass wir diesen Ruck auffangen, umlenken und Schadensbegrenzung betreiben.