Aydan Özoğuz - Beauftragte der Bundesregierung für Migration

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
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Akayi
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Beitrag von Akayi » 27. Mai 2017 09:11

Komisch dass sich diese angebliche "abendländische Christenheit" nur in Banalitäten oder Positivem ausdrückt. Was ist denn z.B. mit Genozid und Sklaverei?
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 27. Mai 2017 11:22

hansel hat geschrieben:Ohne dass wir es wissen (und bei einigen ohne es zu wollen) sind wir doch in der Regel Teile der "abendländischen Christenheit".
ja. viele "Wertvorstellungen", die hier üblich sind, sind ganz klar (auch?) christlich geprägt, selbst wenn es heute keine direkte Verbindung mehr gibt bzw. diese so nicht (mehr) wahrgenommen wird.


@ Akayi
der Kontext ist doch aber auch zumeist, daß es um quasi um "gewünschtes Verhalten" geht?
Man hat jeden Tag die Chance die bestmögliche Version von sich selbst zu sein. ♥

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 27. Mai 2017 11:51

Es ging ihm ja nicht "Leitkultur" sondern um "unsere" Kultur der wir zwangsläufig angehören. Das kann man sich ja nicht wirklich aussuchen. Von daher wäre es nur ehrlich alle Bestandteile aufzuzählen.

Btw. das Christentum kommt aus dem nahen Osten.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

Balthazar2026
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Beitrag von Balthazar2026 » 27. Mai 2017 14:16

Sry...ich muss grad schmunzeln.
"Christliche Werte" sind etwas vollkommen anderes als das was im Europäischen Kulturkreis gepflegt wird.
Diese Werte normieren zwar als "christlich" weil unser Kulturraum so geprägt ist aber originär christlich ist da nichts daran.
Es sind Werte der Aufklärung die den christlichen Kirchen und Despoten nicht zuletzt auch mit Gewalt und Wieder stand in Jahrhunderten langen Kampf abgerungen werden konnten.

Diese als christlich zu bezeichnen ist schon eine Beleidigung für die Menschen die sich für diese Werte eingesetzt haben.

gemüse
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Beitrag von gemüse » 29. Mai 2017 13:08

Der Mann bringt auf den Punkt, weshalb diese Leitkultur-Geschichte hinkt:
Frage: "Aber fängt die Arbeit nicht jetzt erst richtig an – diese Million, die Gekommenen, auch zu integrieren?"
Ilija Trojanow: "Mit dem Wort Integration habe ich grösste Probleme. Sind die Einheimischen denn integriert? Die Zahl der Dummköpfe, Frauen- und Kinderschänder in Österreich, wo ich lebe, ist atemberaubend. Stehen die auf dem Boden der Aufklärung und des Grundgesetzes? Oder sind die nicht integriert und müssen also abgeschoben werden? Es stehen auch nicht alle Einheimischen auf dem Boden der Verfassung. Viele kennen sie nicht einmal. Die Vorstellung, unsere Gesellschaften bestünden aus lauter aufgeklärten Gutmenschen, ist lächerlich."
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buec ... y/22796526

hansel
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Beitrag von hansel » 31. Mai 2017 18:47

So, bin wieder da.
Ich habe ausdrücklich nicht von "christlichen Werten" gesprochen, ich wüsste auch nicht, welche das sind. Und vor Grausamkeiten und Verbrechen schützte auch die christliche Religion nicht. Die kamen in allen Kulturkreisen vor; das Ausmaß wurde oft nur von dem technisch Möglichen begrenzt.
Ich bin aber nicht der Meinung, dass die Aufklärung aus dem Nichts heraus kam: Auch sie ist ein Produkt (wenn auch von Seiten der Kirche ein ungewolltes) unserer christlich-abendländischen Kultur.
Als Beispiel mag dienen, dass die später oft vielgeschmähte Scholastik auf der Grundlage der alten Philosophie unseren Diskussionsstil bis heute beeinflusst hat, mit ihrem Bestreben, die Wahrheit aus These und Antithese zu ergründen.
Historiker sind heute der Meinung, dass gerade die spezifisch christliche Religiosität einen enormen Antrieb für die Geschichte der Wissenschaften bildete*.
Schon allein der Zwang, die kirchlichen Feste zum "richtigen" Zeitpunkt zu feiern, oder der Drang den Zeitpunkt des jüngsten Tages aus diversen Zeichen zu erfahren, beflügelte die Geister, so dass sich spezifisch europäische Denkstrukturen und eine Vernunftkultur heraus bilden konnten.
Natürlich mit der wichtigen Beigabe arabischer Transkriptionen alter griechischer Texte.

* Dazu "Aufstieg aus dem Untergang" von Johannes Fried
(Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter)
Kurze Beschreibung (weshalb ich mir das Buch damals auch kaufte):
http://www.deutschlandfunk.de/aufstieg- ... e_id=80529

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 1. Jun 2017 02:08

Das ist wie gesagt sehr bequem: dass wir so ähm toll diskutieren können liegt an diesem christlichen Abendland, aber Völkermord ist dann was universelles und wir habe nur zufällig genug Schießpulver dafür gehabt. Dabei wird freilich vollkommen darüber hinweggeschaut wie dieses christliche Abendland sich den Rassismus ausgedacht hat der überhaupt die Grundlage für Kolonialismus gelegt hat. Auch das Produkt dieser "christlich-abwndländischen" Kultur. Aber klar, Diskussionen um Feiertage sind natürlich wesentliche bedeutender. Ich vermute du hast einfach ein populärwisseschaftliches Buch gelesen was dich sehr beeindruckt hat und was du jetzt überstrapazierst um die die Welt zu erklären.
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Beitrag von Balthazar2026 » 1. Jun 2017 08:03

hansel hat geschrieben: Historiker sind heute der Meinung, dass gerade die spezifisch christliche Religiosität einen enormen Antrieb für die Geschichte der Wissenschaften bildete*.
Das ist eine sehr sehr sehr steile These (höflich formuliert) und ich kann diese aus der kurzen Buchvorstellung auch nicht herraus lesen.

hansel
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Beitrag von hansel » 1. Jun 2017 08:40

Diese "steile These" ist in allen Rezensionen, die mir vorliegen, erkannt und als überaus einleuchtend aufgenommen worden.
Anbei die Rezensionen von Die Zeit, Süddeutscher Zeitung, Neue Zürcher Zeitung:
https://www.perlentaucher.de/buch/johan ... rgang.html

Weiter von der FAZ mit dem Ausschnitt:
"....Frieds Ziel war bescheidener und anspruchsvoller zugleich, wollte er doch das Mittelalter rehabilitieren und im Abendland den Aufbruch in die europäische Vernunftkultur freilegen, deren letztes Ergebnis, eine Folge des unstillbaren Wissen- und Erfahrenwollens, die Globalisierung sei. Als Urheber des alten Vorurteils und dadurch selbst Opfer "vernunftloser Unmündigkeit" identifiziert er nicht die Humanisten des fünfzehnten Jahrhunderts oder Historiker wie Friedrich Schiller, sondern Immanuel Kant mit seiner wirkungsmächtigen Schrift "Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" von 1764.

Nichts habe Kant davon wissen wollen, was er Peter Abaelard im zwölften Jahrhundert verdankte oder dass sein kategorischer Imperativ nur vollendete, was mit den Beschlüssen des Vierten Laterankonzils (1215) begonnen hatte: "Der Gebrauch der Vernunft verdankte sich nicht erst jener Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts; seine ,Wiedergeburt', die Konzentration nämlich auf eine in Regeln gefasste und damit kritisierbare Logik und Dialektik, die allmähliche Herausbildung formallogischer Operationen, wie sie die Entwicklungspsychologie beschreibt, setzte Jahrhunderte früher, bald ein Jahrtausend vor Kant, am Hof Karls des Großen ein, intensivierte sich im 10. Jahrhundert, steigerte sich durch fortgesetzte kulturelle Rückkopplung und gestattete dem Königsberger, sich von den Schultern ihm fremder Riesen herab umzusehen und weiter zu denken. Europa war längst vor der ,Neuzeit' aufgebrochen, um im Wechselspiel von Erfahrung und kritischem Denken die Welt zu erkunden."

Mit stupender Gelehrsamkeit belegt Fried seine These seit den Zeiten des Boethius und lässt kein Gebiet des Wissens aus, behandelt also natürlich Philosophie ebenso wie alle Arten der Naturkunde, Physik neben Astronomie und Kartographie, die Erfindungen von Theologie und Politischer Wissenschaft, nicht zuletzt auch die Musik, vor allem aber zeigt er, dass das kategoriale, rationale Denken alle Bereiche des praktischen Lebens zu durchdringen begann. In einzigartig narrativer Verdichtung stellt er wieder und wieder totale Geschichte her und evoziert dabei eine nicht willkürliche, sondern vernunftgeleitete Vernetzung des menschlichen Daseins. Am besten ist der Verfasser aber, wenn er Argument an Argument reihen kann und die sich gegenseitig stützenden Befunde präsentiert; dann wird er in mitreißender Sprache geradezu ein Rhapsode der mittelalterlichen Vernunft."
http://www.buecher.de/shop/buecher/aufs ... /09814053/

Oder auch hier:
http://www.chbeck.de/Fried-Aufstieg-Unt ... t=11114557
Zuletzt geändert von hansel am 1. Jun 2017 09:04, insgesamt 1-mal geändert.

hansel
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Beitrag von hansel » 1. Jun 2017 09:01

@akayi
Völkermord ist nicht nur ein europäisches (hier deutsches) Alleinstellungsmerkmal, wie die Behandlung der Armenier durch die Türken zeigt. Allerdings ist er im dritten Reich perfektioniert worden, mit einer scheinbaren "wissenschaftlichen Begründung" dazu.
Wie alle wissenschaftlichen Erkenntnisse konnte auch Darwin missverstanden und missbraucht werden.
Sklavenhaltung (und Begründungen dazu) hat es in fast allen Kulturen der Welt gegeben.
Ebenso Rassismus. Außereuropäisch am stärksten ausgeprägt wohl in Japan.

Du kannst dir deine Vorfahren und deinen kulturellen Hintergrund wohl aussuchen - ich leider nicht.
Und so muss ich eben auch die vielen Schattenseiten in der europäischen Geschichte annehmen.
Trotzdem bekenne ich mich zu dem christlich-abendländischen Kulturkreis.
Dass das nicht immer "Werte" sind, haben wir ja schon festgestellt.

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