Die Hartz-IV-Diktatur - Diskussion ausgelagert

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
Rosi
Beiträge: 540
Registriert: 05.04.2015

Beitrag von Rosi » 16. Mai 2015 16:42

ClaireFontaine hat geschrieben: Das find ich halt einfach nur lächerlich und vermessen. Weißt du, wie jeder Mensch, der Hartz IV bezieht, lebt? Was da los ist? Reicht ja schon, wenn man mit dem Geld eben doch nicht mehr auskommt oder das ganze Leben nur noch aus Sparen besteht, um für andere Dinge keine Zeit/Energie oder Kraft mehr zu haben.
Tatsächlich vermessen finde ich es, eine Aussage über alle Menschen zu treffen, ohne überhaupt zu wissen, was beim Einzelnen los ist.
Ja aber was ist dann die Lösung? den Satz zu erhöhen ? Klar ist jeder Mensch anders und braucht vielleicht an bestimmten Stellen mehr als der Durchschnitt, aber wie soll das berechnet/durchgeführt werden ?

In meinem Praktikum hatte ich ein bisschen Einblicke in die Jobcenterpolitik, wir haben vermittelt, beraten oft auch bei den schwierigen Beantragungen und Regeln geholfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es durchaus Möglichkeiten auf Extrahilfe in solchen individuellen Fällen geben kann. Dass diese mit Hürden aller Art verknüpft sind möchte ich nicht bestreiten und natürlich wird dich das Jobcenter auch nicht von ganz alleine auf diese Sondermöglichkeiten hinweisen.

Ich sage nicht, dass es ein Bezieher von Leistungen nach SGB II leicht hat, aber ich denke schon auch, dass es möglich ist damit mehr oder weniger (je nach Definition) gut zu überleben.

Benutzeravatar
Iustinianus
Beiträge: 729
Registriert: 10.08.2014

Beitrag von Iustinianus » 16. Mai 2015 16:59

@ClaireFontaine: Die Ursache für meine Ansichten zu diesem Thema sind nicht in irgendwelchen niederen Beweggründen zu finden, sondern basieren auf Grundüberzeugungen, die um einen Ausgleich zwischen ökonomischen Notwendigkeiten und sozialer Verantwortung bemührt sind. Das hat nichts mit "Neid" oder "Missgunst" zu tun, sondern ist vielmehr Prinzipien wie beispielsweise der Leistungsgerechtigkeit und dem Lohhnabstandsgebot verpflichtet. Für mich sollte eine zielführende Wirtschaftspolitik den ordnungspolitischen Maßnahmen einen hohen Stellenwert einräumen, da sie überhaupt erst die Grundlage für eine prozesspolitische Vermögensregulierung bieten können. Dabei sollte die Eigenverantwortung an erster Stelle kommen und erst im Bedarfsfall eine staatliche Unterstützung. Von einer institutionalisierten Daueralimentierung ohne jegliche Bedingungen halte ich daher nichts. Aber dafür sehr viel von einer Grundsicherung mit flankierenden Maßnahmen, die Hilfe zur Selbsthilfe bietet.

Und in irgendeiner Form muss das nach transparenten Kriterien organisiert werden und dazu gehört auch die Höhe einer Bedarfsermittlung. Du kannst mir gerne das Recht auf eine eigene Meinung dazu absprechen und zu einem Herunterbrechen der Gesprächsgrundlage auf die Betrachtung eines jeden Einzelfalles ermahnen. Auf dieser Grundlage ist eine Diskussion über sachorientierte Lösungsansätze allerdings nicht möglich und führt fast unweigerlich zu einer Emotionalisierung, die einen sachlichen Austausch zu diesem Thema extrem erschwert.

Benutzeravatar
slartibartfaß
★FoodPornStar★
Beiträge: 11305
Registriert: 09.05.2013

Beitrag von slartibartfaß » 16. Mai 2015 19:02

Iusti: ich hab ein paar Stunden nicht mitgelesen - einer inzwischen so angewachsenen Armee von Strohmänner ergebe ich mich kampflos.

Schade, dass meine anfängliche Frage auch in Deinem letzten Post unbeantwortet blieb. Deine Grundüberzeugungen kenne ich inzwischen ja - aber was ist denn Dein Motiv, Menschen, denen es offensichtlich schlechter geht als Dir, genau dieses absprechen, oder ihnen das wenige, was sie zum Leben haben, auch noch reduzieren zu wollen?
Rosi hat geschrieben:Ja aber was ist dann die Lösung?
Rosi - ich bin überzeugt davon, dass mit etwas Wertschätzung es wesentlich einfacher ist, den individuellen Bedarf von Menschen zu ermitteln, als deren Verfehlungen und die damit zusammenhängenden Sanktionen zu verwalten.
Wellen des Paradoxen rollten über das Meer der Kausalität (...) an dieser Stelle gibt die normale Sprache auf, besucht die nächste Kneipe und gießt sich einen hinter die Binde.

Rosi
Beiträge: 540
Registriert: 05.04.2015

Beitrag von Rosi » 16. Mai 2015 19:09

slartibartfaß hat geschrieben: Rosi - ich bin überzeugt davon, dass mit etwas Wertschätzung es wesentlich einfacher ist, den individuellen Bedarf von Menschen zu ermitteln, als deren Verfehlungen und die damit zusammenhängenden Sanktionen zu verwalten.
Das hört sich finde ich kritisch an. Unterschiedliche Menschen werden von unterschiedlichen Menschen mehr oder weniger wertzuschätzend wahrgenommen. Oder wie genau stellst du dir das vor ?

Benutzeravatar
Iustinianus
Beiträge: 729
Registriert: 10.08.2014

Beitrag von Iustinianus » 16. Mai 2015 19:19

@slartibartfaß: Ich sehe auf diese Art und Weise nicht mal ansatzweise eine vernünftige Diskussionsgrundlage, wenn du mir erneut irgendwelche niederen Absichten unterschieben willst und alle meine Argumente nur als Strohmänner betrachtest. Mehr als meine Positionen zu begründen kann ich nicht. Und nur weil sie dir nicht passen bedeutet das nicht, dass sie keine vernünftigen Reaktionen auf deine Fragen und Anwürfe darstellen. Wir haben nunmal vollkommen konträre Ansichten. Dann ist das halt so. Finde ich nicht schlimm. Eine gefühlige Einsichtserklärung über die Aufgabe meiner politischen Grundüberzeugungen wird es hier jedenfalls nicht geben.

Benutzeravatar
slartibartfaß
★FoodPornStar★
Beiträge: 11305
Registriert: 09.05.2013

Beitrag von slartibartfaß » 16. Mai 2015 19:47

Nochmal: es liegt mir fern, Dir niedere Absichten zu unterstellen. Allerdings windest Du Dich um die Frage schon dermaßen, dass Raum für Interpretationen entsteht. Diese Frage hat mich letztendlich aber die Diskussion führen lassen, die ja - sind wir mal ehrlich - nicht unbedingt erhellend war und über Stammtischparolen kaum rauskam. Ich habe meinen letzten Post begonnen und wieder gelöscht, weil ich lediglich damit beschäftigt war, Deinen Unterstellung meiner Sichtweise zu widersprechen. Deshalb die Strohmänner.

Es geht mir doch nicht darum, Dich in irgendeiner Weise zu verändern. Gestern Abend hat mich einfach die Frage umgetrieben, was jemanden motiviert, solche Klischees und Stereotypen über die HartzIV-ler weiter zu verbreiten. Das ist alles. Vielleicht hilft auch meine Antwort an Rosi weiter:

Rosi: Das Problem sehe ich mitunter schon in dem Blick, den unsere Gesellschaft auf arbeitslose Menschen hat. Es ist alles andere als wertschätzend, wenn man zum Jobcenter zitiert wird und in paternalistischer und gönnerhafter Art erklärt bekommt, was denn gut für einen ist. Dann wird man zu Dingen gezwungen, die man nicht tun will, fängt nachvollziehbarerweise an, Unwahrheiten zu erzählen um dem zu entgehen und weil man dennoch die Kohle braucht. Aber keine Idee mehr hat, wie denn der Mensch, der einen verwaltet überhaupt zu einer Perspektivenbildung hilfreich sein könnte. Und dann haben wir genau die Situation wie sie heute vorherrscht.

Das oben bereits bemühte Ehrenamt als Beispiel: hier werden sinnvolle, gemeinnützige Dienste von Menschen übernommen und in einer Dimension ausgeführt, wie der Staat, im Sinne von Reglement, es nicht schaffen würde. Alles aufgrund von Freiwilligkeit und unentgeltlich. Warum sieht man (die Gesellschaft/der Staat) in den Menschen, deren Grundbedarf man sich verpflichtet hat zu befriedigen, im Falle als das Individuum dazu nicht eigenmächtig in der Lage ist, nicht ein "Ressourcen-Entfaltungs-Kapital", was es auszuschöpfen gilt, sondern Almosenempfänger, die immer mehr wollen, als sie kriegen und die man aufgrund dessen bestrafen muss?
Wellen des Paradoxen rollten über das Meer der Kausalität (...) an dieser Stelle gibt die normale Sprache auf, besucht die nächste Kneipe und gießt sich einen hinter die Binde.

Rosi
Beiträge: 540
Registriert: 05.04.2015

Beitrag von Rosi » 16. Mai 2015 19:57

Ich glaube du hast mich anders verstanden als ich es meinte. Ich finde definitiv, dass bei der Jobcenterpolitik im Bereich Wertschätzung einiges zu machen und ändern wäre.
Ich wollte mit meinem Post sagen, dass ich es kritisch finde, wenn unterschiedlichen Menschen aufgrund ihres unterschiedlich wahrgenommenen "Wertschätzungsbedarf" mehr oder weniger Leistungen zugesprochen werden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie das ohne Regelsatz funktionieren soll.

Benutzeravatar
Kim Sun Woo
Recherche und Archiv
Beiträge: 18792
Registriert: 09.09.2008
Wohnort: Ruhrgebiet

Beitrag von Kim Sun Woo » 16. Mai 2015 20:06

edit.
Man hat jeden Tag die Chance die bestmögliche Version von sich selbst zu sein. ♥

Benutzeravatar
slartibartfaß
★FoodPornStar★
Beiträge: 11305
Registriert: 09.05.2013

Beitrag von slartibartfaß » 16. Mai 2015 20:11

Rosi: indem man die Betroffenen einfach fragt, was sie brauchen? Für gewöhnlich muss man nicht einmal das: sie sagen es meist freiwillig, zumindest, wenn man ihnen wertschätzend entgegentritt.

Ich finde die Frage ist eher in die andere Richtung berechtigt: wie soll das denn mit einem "Regelsatz" funktionieren? Bzw. man sieht doch am jetzigen System, dass es eben nicht funktioniert.
Wellen des Paradoxen rollten über das Meer der Kausalität (...) an dieser Stelle gibt die normale Sprache auf, besucht die nächste Kneipe und gießt sich einen hinter die Binde.

Rosi
Beiträge: 540
Registriert: 05.04.2015

Beitrag von Rosi » 16. Mai 2015 20:31

puh das ist aber eine schwierige Rechnung. Und soll dann auch jeder das bekommen was er nach seinem subjektivem Empfinden braucht ? Wo werden die Grenzen gezogen und wer zieht sie ? Führt das zu Benachteiligungen ?

Wie definierst du denn "funktionieren" ? Ich finde schon auch, dass es viele Dinge gibt die da nicht so gut funktionieren und an denen man arbeiten müsste, aber das heißt doch nicht automatisch dass das ganze System an sich Müll ist.

Antworten