unkraut hat geschrieben:
Kleine Anmerkung: Typisch für Naturwissenschaften, ist es, eben NICHT von Beweisen zu sprechen. (Sobald du jemanden sagen hörst "das ist wissenschaftlich bewisen", ist es ein Scharlatan.) Naturwissenschaft funktioniert soweit ich weiß falsifikatorisch, so dass man durch Widerlegen zu Erkenntnis kommt. Die Hypothese sollte so formuliert sein, zu behaupten, dass etwas NICHT zutrifft.
Es gibt eine Erwartung, von der man ohne die Hypothese ausgehen würde. Die Hypothese sagt eine bestimmte Abweichung vorher. Was man am Ende der Studie oder des Experiments tut, ist lediglich, die Hypothese anzunehmen oder zu verwerfen, je nach dem, wie Beobachtung und Vorhersage übereinstimmen. Wenn man die Hypothese annimmt, heißt das nur, dass sie wahrscheinlicher ist als die alte Annahme. Dieser Befund wird dann wieder in die Theorie, die man vom Sachverhalt hat, eingebaut. Aber es wird immer eine Theorie bleiben. Man WEIß niemals etwas.
Ich glaube du verwechselst hier etwas. Praktisch funktioniert Naturwissenschaft quasi immer so, dass beispielsweise ein kausaler Zusammenhang versucht wird nachzuweisen. Die Hypothese wäre dann in etwa: Prozess X greift maßgeblich in Prozess Y ein. Diese Hypothese versucht man dann durch Versuch zu belegen. Was du glaube ich meinst ist, dass eine Hypothese als unwissenschaftlich gilt, solange sie nicht prinzipiell falsifizierbar ist. Im Praktischen hieße das, "Es existiert ein Gott" ist keine wissenschaftliche Hypothese, weil man niemals durch Versuch belegen kann, dass es keinen gibt. Unser Beispiel oben erfüllt die Falsifizierbarkeit aber. Wenn man in einem geeigneten Versuchsaufbau wieder und wieder zeigen kann, dass Prozess X völlig unabhängig von Prozess Y stattfindet, muss man die Hypothese von oben verwerfen. Oder der Versuchsaufbau zeigt zuverlässig und wiederholbar, dass die beiden Prozesse eben doch in kausalem Zusammenhang stehen. Das würde dann als wissenschaftlicher Beleg gelten. Eben solange, bis irgendeine neue Hypothese die alte korrigiert oder verbessert.
Finde es immer sehr amüsant, dass eigentlich alle Personen den erkenntnistheoretischen Ansatz von "Existiert überhaupt gesichertes Wissen?" oder "Alles ist nur Theorie" immer nur sehr selektiv auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse angewandt wissen möchten, die ihnen selbst nicht so ganz ins Weltbild passen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich nicht vor deine Freunde und Bekannte stellen würdest um zu behaupten, dass die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Erde ein Globus ist, auf dessen Oberfläche wir leben, ja nichts weiter ist als Hypothese und Theorie und ja auch genauso gut morgen durch eine andere Erkenntnis abgelöst werden könnte. Oder die Erkenntnis dass Materie aus Atomen aufgebaut ist. Oder dass für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch, mehrere Kilogramm Futtermittel notwendig sind.
unkraut hat geschrieben:Wer behauptet, Fragestellungen zum Thema Gender seinen naturwissenschaftlich nicht erfassbar, ist einfach schief gewickelt.
Das behaupte ich ja auch garnicht. Ich behaupte das genaue Gegenteil.
unkraut hat geschrieben: Und Mr. Kennedy ist dies sowieso.
Ohne Seitenhieb gehts in diesem Forum wohl einfach nicht.
Gerlinde hat geschrieben:Wie Trisomie gibt es auch die XXY-Genvariante.
Warum können wir den Menschen nicht unabhängig vom Geschlecht Mann/Frau als Persönlichkeit wahr nehmen?
Warum kann die gleiche Person nicht männliche und weibliche Phasen im Wechsel durchleben?
Die XXY-Genvariante nennt sich Klinefelter und ist (wie alle weiteren Polysomien) recht gut medizinisch charaktersiert, aber das nur nebenbei.
Davon abgesehen ist dein Problem mit meinem Einwand eigentlich semantischer Natur. Klar ist die Utopie, dass wir geschlechtliche Rollenbilder hinter uns lassen und eine Gesellschaft ohne binäre Geschlechtsordnung formen, zumindest theoretisch denkbar. Die Utopie des Kommunismus ist das auch. Nur hat sich eben schon des Öfteren gezeigt, dass die Umsetzung eines solchen Systems immer irgendwann scheitert oder zumindest weniger durchsetzungsfähig ist als ein System, das den Menschen ein Privateigentum zusichert und dieses schützt.
Auf ähnliche (nur stärkere) Weise glaube ich auch dass die Idee einer quasi geschlechtslosen Gesellschaft aus Individuen immer an der Umsetzung scheitern wird. Ich kann dir hier im Grunde nichts anderes sagen als schon Akayi und zwar dass uns wohl nichts anderes übrig bleiben wird, als uns in 50 Jahren nochmal zu unterhalten, wenn die Gesellschaftsutopie des dekonstruktivistischen Feminismus ihren Platz in den Geschichtsbüchern als gescheiterte Ideologie gefunden haben wird.
Als Beispiel zur gescheiterten Ideologie (mit selbstverständlich sehr viel verheerenderen Implikationen und Konsequenzen, aber vom zumindest gedanklichen Prinzip her vergleichbar) kann man hier die Bewegung zur Legalisierung pädosexueller Akte in den 70er Jahren heranziehen. Das Argument, dass der Rechtsbegriff der "sexuellen Mündigkeit" nichts weiter sei als ein arbiträres gesellschaftliches Konstrukt und die Einwilligung in den Austausch körperlichen Zärtlichkeiten jedweder Natur nur von Individuum zu Individuum isoliert und stets aufs Neue zu betrachten sei, war gängig. Und dass Kinder generell über ausreichend sexuelle Selbstbestimmung und Zurechnungsfähigkeit verfügen um eine mündige Entscheidung in Bezug auf Beischlaf mit einem Erwachsenen zu treffen, ebenfalls. Das Argument, dass die geistige Verarbeitung von Sexualität auch an körperliche und biologische Reifeprozesse gekoppelt sein könnte, wurde abgelehnt. Diese Episode begraben heute alle Beteiligten schambewusst unter einem Mantel des Schweigens.
Und auch wenn es mir alle dennoch als genau das um die Ohren hauen werden, sage ich es der Vollständigkeit halber trotzdem: Ich will natürlich die gesellschaftsreformistischen Ansätze der Pädosex-Bewegung nicht gleichsetzen mit dem "third wave feminism". Das eine ist eine Gesellschaftsutopie, das andere eine Bewegung die de facto Kindesmissbrauch legalisieren wollte. Was sie eint, ist lediglich der Fehler ein Gesellschaftskonstrukt zu ersinnen, das sich zu weit von der Biologie des Menschen entfernt und an diesem Fehler zwingend scheitert.
Was ich insgesamt eigentlich sagen will, ist Folgendes: Der Mensch ist kein geschlechtsloses, ätherisches Wesen mit grenzenloser Fähigkeit zur Kognition. Der Mensch ist ein Tier. Er kann nur zufällig auch Raketen bauen.