Zurückstecken von Eltern / frühkindliche Betreuung

Schwangerschaft, Kinder & Familienleben
Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30363
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 19. Dez 2013 17:16

Spreewaldgurke hat geschrieben:Ich weiß nicht ob ich dich richtig verstehe. Meinst du mich jetzt persönlich? Also bei uns müssen auch beide arbeiten, sonst würde es arg knapp. Wir wollen das aber auch (an den meisten Tagen). Außerdem prangere ich niemanden an...
Nein, ich meinte dich persönlich nicht. Ich bezog mich auf die Diskussion im Gesellschaftlichen Rahmen. In deinem Fall kann ich diese Selbstanprangerung natürlich noch weniger verstehen.
Spreewaldgurke hat geschrieben:So weit ich informiert bin, also über Bekannte Freunde und Familie, die in Westdeutschland aufgewachsen sind, konnte ein Industriearbeiter oder Handwerker sehr wohl allein die Familie ernähren (Meine Quellen selbst stammen auch nicht aus dem "reichen Bürgertum"). daher meine Einschätzung.
Ja, klar. Weil das Steuersystem nach dem zweiten Weltkrieg bewusst so aufgebeut wurde um Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Nur ist diese kurze Phase von 30 - 40 Jahren wohl kaum etwas was ein "traditionelles Familienmodell" hätte fabrizieren können sondern eine Ausnahme. In der "traditionellen Familie" arbeiten beide Teile, unabhängig vom Geschlecht.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Selbst erlebt (weil im Osten aufgewachsen) habe ich natürlich nur, dass Mutter und Vater selbstverständlich sofort wieder Vollzeit arbeiten mussten. Da war es ählich wie heute (nur ohne die Möglichkeit bezahlt Elternzeit zu nehmen).#
So rum: Sie konnten Volllzeit arbeiten. Und das weil es ein gut Ausgebautes System der Kinderbetreuung gab und andere Errungenschaften wie z.B. den Haushaltstag der dies ermöglichte. Heute sehen wir wie es ohne diese Institutionen aussieht, wobei die Lage im Osten Deutschlands nach wie vor besser zu sein scheint als im Westen.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Und zur Ideologie: Ja, sag ich doch... :?:
Ich hatte das nicht als selbstkritische EInschätzung verstanden, sondern als Vorwurf gegen die die ein freieres Modell der Erziehung und Fürsorge auf gesellschaftlicher Basis fordern.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

Benutzeravatar
kiara
Quacksalber Diaboli
Beiträge: 8057
Registriert: 10.03.2010

Beitrag von kiara » 19. Dez 2013 17:23

Spreewaldgurke hat geschrieben:@Kiara,
Grundsätzlich stimmt das was du schreibst. Was die (eventuellen) Auswikungen auf die Kinder angeht aber vor allem was die wirtschaftlichen und ideologischen Zwänge betrifft.
Allerdings sollte man das imho nicht so drastisch und alternativlos darstellen. Sonst darf man sich auch nicht über die Reaktionen wundern.
Formulierungen wie "Schäden" und "geht massiv zu Lasten der Kinder" sind m.E. übertrieben.
Das kommt doch aufs Alter und auf die Umstände an. Dass kleine Kinder, die alleine wochenlang in Krankenhäusern sind, mit schweren Verhaltensstörungen und Hospitalismus darauf reagieren, ist ja nun unumstritten die Wahrheit, und dass Babys, die lange im Brutkasten sind, davon auch Schäden davontragen, ist auch bekannt. Wie soll man das sonst nennen, wenn es zu langfristigem und schwererem Einschränken des Wohlbefindens und der Entwicklung kommt, außer "Schaden"?

Die Schäden bei Krippen sind natürlich geringer, weil die Babys da auch andere Menschen hören und wahrnehmen und regelmäßig hochgehoben und gefüttert/wickelt werden, aber auch da reicht die Fürsorge nicht, und je kleiner bei der Abgabe an Krippen, desto größer sind die Schäden oder Probleme.

Ich weiß nicht wie ich das anders ausdrücken soll, ich finde es nicht drastisch, sondern schlicht die Wahrheit, ebenso wie die Aussage "das Schulsystem wird Kindern nicht gerecht und bietet keinen gesunden Lernprozess und Entwicklung", oder "Kapitalismus führt zu Ausbeutung" oder "Depressionen der Mutter führen zu Schäden beim Kind". Das ist einfach so, auch wenn es viele als Normalität wahrnehmen und nicht wahrhaben wollen.
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Und zur Ideologie: Ja, sag ich doch... :?:
Ich hatte das nicht als selbstkritische EInschätzung verstanden, sondern als Vorwurf gegen die die ein freieres Modell der Erziehung und Fürsorge auf gesellschaftlicher Basis fordern.
Eine gute Form der Fürsorge ist in den Krippen, wie es sie landläufig in Deutschland gibt, ja eben leider nicht möglich. Babys brauchen mindestens eine feste konstante Bezugsperson und Körperkontakt, Tragen und regelmäßig direkte 1:1 Kommunikation und Ansprache. Babys sind halt so gebaut, dass sie in den ersten 2-3 Jahren direkte Fürsorge brauchen; Gruppenbetreuung wird dem nicht gerecht. Allein vom Personalschlüssel in Krippen her, eine Person kann ja nicht 10 Babys tragen. Die liegen warm, werden gefüttert und gewickelt, das reicht aber nicht an Fürsorge.

In manchen Naturvölkern wird ein Baby getötet bzw. ausgesetzt, wenn es schneller als etwa mit 3-4 Jahren Altersabstand zum Geschwisterkind geboren wird, ebenso u.a. ein Zwilling bei Zwillingskindern. Der Grund liegt darin, dass die Sichtweise in solchen Kulturen darin besteht, dass eine Mutter nicht mehr als ein unter-dreijähriges Kind versorgen kann (dazu gehört auch Dauertragen und Stillen - sobald das Neue kommt, wird das ältere nicht mehr getragen und gestillt, bzw. kaum). Und wir glauben ernsthaft, wir können die en masse in Krippchen packen, liegen lassen und ab und zu mit nem Fläschchen vorbekommen?
corn + floor = cloorn?

Benutzeravatar
illith
Berufs-Veganer
Beiträge: 70193
Registriert: 09.01.2008
Wohnort: Niedersachsen

Beitrag von illith » 20. Dez 2013 02:40

kiara hat geschrieben:ErzieherInnen bestätigen das ja immer wieder, weil das so auffällig ist: Kinder, die in einer "Krippe" waren, sind im Kindergarten schüchterner und angepasster. Die ignoranteren finden das sogar "gut" bzw. "empfehlenswert", weil sie nicht wissen, dass die Kinder geprägt von der Erfahrung des Liebesentzugs (=sehr früh weggegeben werden) sind, während angemessen genährte Kinder, die eine sichere Bindungserfahrung gemacht haben als Babys, mutiger und forscher sind. Und "beliebter" sind natürlich "bravere" Kinder, dh. die mit Krippenerfahrung.
ich hatte superviel beziehung, nähe und mutterliebe und bin verlgeichsweise spät in den kindergarten gekommen. erzieherinnen konnten bestätigen, dass ich übermäßig schüchtern, bzw verängstigt und verstört war. (auch über den kindergarten hinaus)
ist natürlich nur eine anekdote und beweist nix, scheint mir hier aber trotzdem passend mal zu erwähnen.
☜★VeganTakeover.de★☞
BlogShirtsBuch

Klingbling
Beiträge: 166
Registriert: 01.09.2013

Beitrag von Klingbling » 20. Dez 2013 07:27

Oh ich war auch extrem schüchtern - so lange bis ich in den Kindergarten gekommen bin. Da haben sich sogar Außenstehende gewundert, wie offen ich geworden bin :)

Benutzeravatar
Spreewaldgurke
Muse
Beiträge: 856
Registriert: 04.01.2013
Wohnort: jwd

Beitrag von Spreewaldgurke » 20. Dez 2013 07:59

@Akayi:
Wie schon gesagt prangere ich niemanden an auch nicht mich selbst. Was mich nervt sind diese ideologisch gefärbten Vorwürfe, dehnen Eltern ständig ausgesetzt sind. Man wird ständig kritisiert, wenn nicht aus der einen Ecke, dann aus der Anderen. Das meine ich mit Ideologischen Zwängen, die auf den Eltern lasten.

In meiner Region wird es als höchstes der Gefühle angesehen, dass die Mutter ein Jahr zu Hause bleibt und erst dann wieder arbeiten geht. Wenn man der Meinung ist, das Kind braucht noch Zeit, ist noch nicht so weit, bekommt man gesagt: Das Kind könnte ja verhätschelt werden und bildungs-/leistungsmäßig den Anschluss verlieren. Andererseits, wenn die Frau schon nach 6 Monaten wieder arbeiten gehen will, da ist sie plötzlich die egoistische Rabenmutter schlecht hin. Selbst wenn der Mann Elternzeit nimmt und zu Hause ist. Das Argument zählt gar nicht. Rabenmutter (Punkt). Für den Mann sieht es genau anders herum aus. „Was, du nimmst Elternzeit, 7 Monate und deine Frau geht arbeiten? Naja machst dir wohl schön ein paar Monate Urlaub, da kannst du wenigstens etwas zum Hausbau beitragen, du hast ja jetzt Zeit. Du stehst schon ganz schön unterm Pantoffel oder?“ Und im anderen Fall: „Was deine Frau muss (!) noch länger zu Hause bleiben? [Ähh sie will!..., :| ) Ja, ja natürlich, die verliert doch dann total den Anschluss im Job, und das Kind, meint Ihr nicht, das ihr das ein wenig verhätschelt…
Hab ich alles so bei meinen zwei großen Kindern gesagt bekommen (mehr oder weniger direkt)

Ich bin der Meinung man sollte selber einschätzen und entscheiden wie man sich organisiert. Gesetzlich gibt es da bereits gute Möglichkeiten. Gesellschaftlich ist da aber kaum Verständnis da. Egal, man wird in jedem Fall von irgendeiner Seite angepöbelt.

Zum Thema DDR: Ich denke dass schätzt du grob falsch ein. Das Wort können (also eine implizierte Wahlmöglichkeit) in Verbindung mit der DDR ist an Naivität kaum zu übertreffen.
Man musste arbeiten, ob man wollte oder nicht. Ansonsten war man „asozial“ und wurde weggesperrt. Arbeitskräfte wurden gebraucht und entsprechend ausgebeutet, die Kinder mussten in der Zeit halt irgendwo zwischengelagert werden. Nichts anderes war das oftmals. (Außerdem ne willkommene Möglichkeit sie auszuhorchen was zu Hause so gesprochen wird…). Ich habe letztens erst mit ‘ner Nachbarin gesprochen, die früher als Erzieherin in ‘nem großen Kraftwerkskindergarten gearbeitet hat: Morgens vor Schichtbeginn, wurden die Kinder durch ein Türfenster reingereicht, und abends hat man sie auf gleichem Wege zurückbekommen. Wie ‘ne Jacke, die man an der Garderobe abgibt. Verabschieden usw. war da nicht. Sie denkt immer hoch (mit heute fast 80) an die stundenlang weinenden Kinder, die da apathisch in der Ecke gesessen habe. Irgendwann um die Mittagszeit haben die dann verzweifelt aufgegeben und waren endlich leise. Die Mutter hat man dann abends beruhigt: Ja, ja, der Kleine hatte sich gleich wieder beruhigt. Kommentar: Tja, so war das halt früher, es ging ja nicht anders…
Ich sage nicht, dass es gar keine gute Einrichtungen gab aber im Grunde ist das ^^ dein tolles gut ausgebautes DDR Kinderbetreuungsystem gewesen.
Neben dem bloßen Vorhandensein, ist auch Qualität ein Thema – die scheint dir überhaupt nicht wichtig. Hauptsache die Eltern können arbeiten, weil das ja der Sinn des Lebens ist.

Mein Vater hat übrigens kurz nach meiner Geburt seine Einberufung zur Armee bekommen. Weil er wegen West-Verwandtschaft nicht zu den Grenztruppen wollte, hat man ihm gesagt: „Wenn sie sich stur stellen, können wir auch anders. Dann ziehen wir sie sobald Sie Familie haben. So kam es dann auch. Und meine Mutter war die nächsten anderthalb Jahre mit mir alleine. Aber hey was soll‘s – immerhin hatte sie ‘nen Haushaltstag…
i'm not crazy i'm just a little unwell

Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30363
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 20. Dez 2013 09:04

Spreewaldgurke hat geschrieben:@Akayi:
Wie schon gesagt prangere ich niemanden an auch nicht mich selbst. Was mich nervt sind diese ideologisch gefärbten Vorwürfe, dehnen Eltern ständig ausgesetzt sind. Man wird ständig kritisiert, wenn nicht aus der einen Ecke, dann aus der Anderen. Das meine ich mit Ideologischen Zwängen, die auf den Eltern lasten.
Okay, dann nehme ich das weiter oben natürlich zurück. Es kam mir tatsächlich so vor, als wäre das eine Vorwurf von deiner Seite gegenüber "Betreuungsbefürwortern" wie mir z.B.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Ich bin der Meinung man sollte selber einschätzen und entscheiden wie man sich organisiert. Gesetzlich gibt es da bereits gute Möglichkeiten. Gesellschaftlich ist da aber kaum Verständnis da. Egal, man wird in jedem Fall von irgendeiner Seite angepöbelt.
Ja, wobei ich eben den Unterschied darin sehe dass auf der Seite, die auf Betreuung angewiesen sind viel engere Grenzen gesetzt sind, weil es entweder kein Angebot gibt oder dieses nicht bezahlbar ist. Das ist meiner Ansicht nach schon ein großer Unterschied.
Spreewaldgurke hat geschrieben: Zum Thema DDR: Ich denke dass schätzt du grob falsch ein. Das Wort können (also eine implizierte Wahlmöglichkeit) in Verbindung mit der DDR ist an Naivität kaum zu übertreffen.
Ich glaube das kann ich ein bisschen besser einschätzen. Bei dir scheinen mir da subjektive Faktoren eine ganz bedeutende Rolle zu spielen, die einer objektiven Auseinandersetzung im Wege stehen.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Man musste arbeiten, ob man wollte oder nicht. Ansonsten war man „asozial“ und wurde weggesperrt.
Das ist natürlich falsch. Natürlich war es in der DDR anders als hier und heute nicht möglich auf Kosten anderer zu leben, aber wenn man denn unbedingt Hausfrau sein wollte, dann ging das auch. Selbst erlebt, kein Scheiß ;)
Spreewaldgurke hat geschrieben:Arbeitskräfte wurden gebraucht und entsprechend ausgebeutet, die Kinder mussten in der Zeit halt irgendwo zwischengelagert werden.
Die Grundlage jeder Gesellschaft ist Arbeit bzw. das daraus entstehende Mehrprodukt, dass jetzt als Besonderheit der DDR darzustellen ist etwas seltsam. Wie gesagt ist Betreuung von Kindern auch keine "Zwischenlagerung". Ich weiß nicht, was es da immer für aufgeladene Begriffe braucht.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Ich sage nicht, dass es gar keine gute Einrichtungen gab aber im Grunde ist das ^^ dein tolles gut ausgebautes DDR Kinderbetreuungsystem gewesen.
Dass das so nicht stimmt wird uns ja beiden klar sein, du kannst ja gerne mal versuchen ohne Krippen und Ganztagsbetreuung auszukommen. Das ist nämlich die Realität im Westen und dann den Vergleich machen. Nur um mal die Balance zu finden.
Spreewaldgurke hat geschrieben: Neben dem bloßen Vorhandensein, ist auch Qualität ein Thema – die scheint dir überhaupt nicht wichtig. Hauptsache die Eltern können arbeiten, weil das ja der Sinn des Lebens ist.
Das man wegen dem Selbstwertgefühl arbeite, das hattest du gesagt. Jetzt machst du mir das zum Vorwurf? Dass mir die Qualität nicht wichtig sei, das stimmt freilich nicht. Aber natürlich ist die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben das was uns Menschen überhaupt ausmacht. Natürlich stelle ich das in den Vordergrund.
Spreewaldgurke hat geschrieben:Mein Vater hat übrigens kurz nach meiner Geburt seine Einberufung zur Armee bekommen. Weil er wegen West-Verwandtschaft nicht zu den Grenztruppen wollte, hat man ihm gesagt: „Wenn sie sich stur stellen, können wir auch anders. Dann ziehen wir sie sobald Sie Familie haben. So kam es dann auch. Und meine Mutter war die nächsten anderthalb Jahre mit mir alleine. Aber hey was soll‘s – immerhin hatte sie ‘nen Haushaltstag…
Korrektur: Deine Mutter war nicht mir dir allein weil es ein umfassendes und ausgebautes System der Kinderbetreuung gab. "Allein" waren in der Zeit Mütter in einer vergleichbaren Situation im Westen, die nicht auf solche Errungenschaften zurückgreifen konnten.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

Benutzeravatar
Spreewaldgurke
Muse
Beiträge: 856
Registriert: 04.01.2013
Wohnort: jwd

Beitrag von Spreewaldgurke » 20. Dez 2013 10:18

Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Ich bin der Meinung man sollte selber einschätzen und entscheiden wie man sich organisiert. Gesetzlich gibt es da bereits gute Möglichkeiten. Gesellschaftlich ist da aber kaum Verständnis da. Egal, man wird in jedem Fall von irgendeiner Seite angepöbelt.
Ja, wobei ich eben den Unterschied darin sehe dass auf der Seite, die auf Betreuung angewiesen sind viel engere Grenzen gesetzt sind, weil es entweder kein Angebot gibt oder dieses nicht bezahlbar ist. Das ist meiner Ansicht nach schon ein großer Unterschied.
Ja, da hasst du wohl recht. Sehe da aber unseren Widerspruch nicht. Es gibt ja seit neustem den Rechtsanspruch auf Betreuung ab einem Jahr. Je nachdem wie sich das entwickelt zumindest ein Fortschritt...
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben: Zum Thema DDR: Ich denke dass schätzt du grob falsch ein. Das Wort können (also eine implizierte Wahlmöglichkeit) in Verbindung mit der DDR ist an Naivität kaum zu übertreffen.
Ich glaube das kann ich ein bisschen besser einschätzen. Bei dir scheinen mir da subjektive Faktoren eine ganz bedeutende Rolle zu spielen, die einer objektiven Auseinandersetzung im Wege stehen.
Aha, du objektiv, ich subjektiv, stellst du mal eben fest, schon klar...
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Man musste arbeiten, ob man wollte oder nicht. Ansonsten war man „asozial“ und wurde weggesperrt.
Das ist natürlich falsch. Natürlich war es in der DDR anders als hier und heute nicht möglich auf Kosten anderer zu leben, aber wenn man denn unbedingt Hausfrau sein wollte, dann ging das auch. Selbst erlebt, kein Scheiß ;)
Für alle, also auch für die nicht Privilegierten, ohne Repressalien? Sorry, aber glaub ich nicht.
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Arbeitskräfte wurden gebraucht und entsprechend ausgebeutet, die Kinder mussten in der Zeit halt irgendwo zwischengelagert werden.
Die Grundlage jeder Gesellschaft ist Arbeit bzw. das daraus entstehende Mehrprodukt, dass jetzt als Besonderheit der DDR darzustellen ist etwas seltsam. Wie gesagt ist Betreuung von Kindern auch keine "Zwischenlagerung". Ich weiß nicht, was es da immer für aufgeladene Begriffe braucht.
Ok, was die ausladenden Begriffe angeht stimme ich zu - ist ja in anderen Zusammenhängen auch mein Kritikpunkt. Asche auf mein Haupt. Aber Arbeit als Grundlage der Gesellschaft zu bezeichnen, finde ich schon gewagt. Arbeit ist neben Boden und Kapital ein volkswirtschaftlicher Produktionsfaktor. Alle drei erzeugen Mehrwert. Je nach Technologiefortschritt und gesellschaftlichem Konsens kommt der Arbeit eine mehr oder weniger starke Bedeutung zu. Und natürlich, war die in der DDR größer als in der alten BRD. Genauso wie sie heute in China größer ist als in Europa. Bei uns wird sogar ein Grundeinkommen für jeden Bürger diskutiert, was einem völlig unabhängig von der Arbeitsleistung zusteht. In anderen Ländern gibt es das sogar schon. Grundlage der Gesellschaft sind die zu ihr gehörenden Menschen (mit ihren Werten, ihrer Kultur...). Und die Menschen entscheiden, wie die Produktionsfaktoren eingesetzt werden.
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Ich sage nicht, dass es gar keine gute Einrichtungen gab aber im Grunde ist das ^^ dein tolles gut ausgebautes DDR Kinderbetreuungsystem gewesen.
Dass das so nicht stimmt wird uns ja beiden klar sein, du kannst ja gerne mal versuchen ohne Krippen und Ganztagsbetreuung auszukommen. Das ist nämlich die Realität im Westen und dann den Vergleich machen. Nur um mal die Balance zu finden.
Das eine Unrecht rechftertigt nicht das andere. Oder: Nur weil es damals (oder im Osten) schlecht war heißt das nicht, dass ich heute (oder Im Westen) alles gut finde.
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben: Neben dem bloßen Vorhandensein, ist auch Qualität ein Thema – die scheint dir überhaupt nicht wichtig. Hauptsache die Eltern können arbeiten, weil das ja der Sinn des Lebens ist.
Das man wegen dem Selbstwertgefühl arbeite, das hattest du gesagt. Jetzt machst du mir das zum Vorwurf? Dass mir die Qualität nicht wichtig sei, das stimmt freilich nicht. Aber natürlich ist die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben das was uns Menschen überhaupt ausmacht. Natürlich stelle ich das in den Vordergrund.
Nö, das mache ich dir nicht zum Vorwurf. Ich denke nur, dass du genauso einseitig argumentierst, wie die "Frauen gehören in die Küche - Fraktion". Auch wenn ich im Grunde deiner Meinung bin. Am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen ist nicht zwingend das gleiche wie arbeiten. Vielleicht für dich, aber nicht für alle. Mein Punkt ist: JedeR soll sich frei entscheiden dürfen (und möglichst auch können) wie er/sie sich in der Gesellschaft einbringt. Und wenn mein Nachbar sich nen anderen Weg ausucht als ich, steht es mir nicht zu ihn zu verurteilen.
Akayi hat geschrieben:
Spreewaldgurke hat geschrieben:Mein Vater hat übrigens kurz nach meiner Geburt seine Einberufung zur Armee bekommen. Weil er wegen West-Verwandtschaft nicht zu den Grenztruppen wollte, hat man ihm gesagt: „Wenn sie sich stur stellen, können wir auch anders. Dann ziehen wir sie sobald Sie Familie haben. So kam es dann auch. Und meine Mutter war die nächsten anderthalb Jahre mit mir alleine. Aber hey was soll‘s – immerhin hatte sie ‘nen Haushaltstag…
Korrektur: Deine Mutter war nicht mir dir allein weil es ein umfassendes und ausgebautes System der Kinderbetreuung gab. "Allein" waren in der Zeit Mütter in einer vergleichbaren Situation im Westen, die nicht auf solche Errungenschaften zurückgreifen konnten.
Ich bezweifle, dass es im "Westen" derartig vergleichbare Situationen gab - schon wegen der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Das eine ist ein sozialer Rechtsstaat, das andere war ein diktatorisches Willkürregime. Mein Vater hatte in den 1,5 Jahren 1x 2 Tage Ausgang. Die Bundeswehr hatte jedes Wochenende Dienstschluss und die Soldaten hatten Erholungsurlaub wie normale Arbeitnehmer. Darüber was "Allein" in diesem Kontext bedeutet haben wir wohl unterschiedliche Auffassungen.
Zuletzt geändert von Spreewaldgurke am 20. Dez 2013 14:45, insgesamt 3-mal geändert.
i'm not crazy i'm just a little unwell

Benutzeravatar
kiara
Quacksalber Diaboli
Beiträge: 8057
Registriert: 10.03.2010

Beitrag von kiara » 20. Dez 2013 11:02

illith hat geschrieben:
kiara hat geschrieben:ErzieherInnen bestätigen das ja immer wieder, weil das so auffällig ist: Kinder, die in einer "Krippe" waren, sind im Kindergarten schüchterner und angepasster. Die ignoranteren finden das sogar "gut" bzw. "empfehlenswert", weil sie nicht wissen, dass die Kinder geprägt von der Erfahrung des Liebesentzugs (=sehr früh weggegeben werden) sind, während angemessen genährte Kinder, die eine sichere Bindungserfahrung gemacht haben als Babys, mutiger und forscher sind. Und "beliebter" sind natürlich "bravere" Kinder, dh. die mit Krippenerfahrung.
ich hatte superviel beziehung, nähe und mutterliebe und bin verlgeichsweise spät in den kindergarten gekommen. erzieherinnen konnten bestätigen, dass ich übermäßig schüchtern, bzw verängstigt und verstört war. (auch über den kindergarten hinaus)
ist natürlich nur eine anekdote und beweist nix, scheint mir hier aber trotzdem passend mal zu erwähnen.
also ohne dir nahe treten zu wollen, aber irgendwas schien da nicht gut gelaufen zu sein? Ein Kind wird ja nicht ohne Grund verängstigt und verstört.

Wie man Kinder unter 1 staatlich "betreuen" kann, ohne dass das extrem teuer wird oder schlicht eine Aufbewahrung ist, erschließt sich mir nicht. "Füttern wickeln warm liegen" ist keine Betreuung, sondern eben wiegesagt eine Aufbewahrung.
corn + floor = cloorn?

Benutzeravatar
Simsa
yo dawg!
Beiträge: 2843
Registriert: 08.03.2013

Beitrag von Simsa » 20. Dez 2013 14:50

Also bei Babys geh ich bei Kiaras Meinung mit.
Kinder, die noch nur liegen können sollte schon jemand da sein der sich beschäftigen kann, anfassen, Anreize bieten... das ganze Programm ;)
Allerdings finde ich es nicht dramatisch, ein Kind das laufen kann in eine KiTa zu geben. Sicher brauchen Kinder noch mehr Ansprache, Aufmerksamkeit, Körperkontakt, aber ab dem Moment des Krabbelns/Laufens fängt es für das Kind ja auch an, so richtig spannend zu werden :D Da wird gespielt, gemalt, gebastelt... und kann mMn sehr wohl in eine Gruppe.
Ob das dann Aufbewahrung oder förderndes Umfeld ist kommt sehr auf die Einrichtung an, es gibt aber auch gute.

Ich erlebe das bei meinem Neffen, der mit einem anderthalb in die KiTa kam. Die scheint wirklich gut zu sein und mein Neffe scheint weit davon entfernt, da irgendwelche Schäden zu bekommen.
Er geht da jetzt seit einem dreiviertel Jahr hin, geht gerne hin, fremdelt nicht, ist offen, aufgeschlossen, mutig und will alles sehen, verstehen, anfassen.

Allerdings ist ja jedes Seelchen anders und was man mit dem einen Kind machen kann fügt einem anderen ernsthafte Schäden zu.
Persönlich wird mein Kind wohl in die KiTa müssen, wir müssen einfach Geld verdienen. Da finde ich es dann aber sehr wichtig, mir die vorher sehr genau anzusehen und wirklich wählerisch zu sein. Man muss da schon mit meinen Vorstellungen konform gehen :)

Zum Ursprungsthema: Die Eltern müssen immer einen großen Teil ihrer Freiheit aufgeben, das liegt in der Natur der Sache. Allerdings muss man irgendwie einen Weg finden, um auch Zeit für sich und seinen Spaß zu haben. Ein frustrierter Elternteil kann kein Guter sein.
Ein bisschen eine Gratwanderung, die man da meistern muss.
Persönlich habe ich aber kein Problem damit, 2-3mal im Monat eine Nanny zu bezahlen, um ein bisschen Zeit mit meinem Freund zu verbringen. Es ist ja auch im Interesse des Kindes dass es in einem stabilen Elternhaus aufwächst, mit sich liebenden Elternteilen. Das geht ja aber viel zu oft verloren wenn man "nur" noch Eltern ist.

Benutzeravatar
Vampy
Vactologist
Beiträge: 36085
Registriert: 18.02.2008
Wohnort: Frankfurt an der Franke

Beitrag von Vampy » 20. Dez 2013 23:15

kiara hat geschrieben:
illith hat geschrieben:
kiara hat geschrieben:ErzieherInnen bestätigen das ja immer wieder, weil das so auffällig ist: Kinder, die in einer "Krippe" waren, sind im Kindergarten schüchterner und angepasster. Die ignoranteren finden das sogar "gut" bzw. "empfehlenswert", weil sie nicht wissen, dass die Kinder geprägt von der Erfahrung des Liebesentzugs (=sehr früh weggegeben werden) sind, während angemessen genährte Kinder, die eine sichere Bindungserfahrung gemacht haben als Babys, mutiger und forscher sind. Und "beliebter" sind natürlich "bravere" Kinder, dh. die mit Krippenerfahrung.
ich hatte superviel beziehung, nähe und mutterliebe und bin verlgeichsweise spät in den kindergarten gekommen. erzieherinnen konnten bestätigen, dass ich übermäßig schüchtern, bzw verängstigt und verstört war. (auch über den kindergarten hinaus)
ist natürlich nur eine anekdote und beweist nix, scheint mir hier aber trotzdem passend mal zu erwähnen.
also ohne dir nahe treten zu wollen, aber irgendwas schien da nicht gut gelaufen zu sein? Ein Kind wird ja nicht ohne Grund verängstigt und verstört.

Wie man Kinder unter 1 staatlich "betreuen" kann, ohne dass das extrem teuer wird oder schlicht eine Aufbewahrung ist, erschließt sich mir nicht. "Füttern wickeln warm liegen" ist keine Betreuung, sondern eben wiegesagt eine Aufbewahrung.
war bei mir übrigens auch so. ich kann mich noch daran erinnern, dass ich bei meinem ersten tag im kindergarten geweint habe und wie gelähmt in einer ecke saß weil ich so verstört war.
kinder können auch so einfach ängstlich sein. das ist durchaus auch genetisch, dass manche halt forscher sind, und manche eher zurückgezogen/vorsichtig. bei mir war ein Großteil aber auch, dass ich echt überbehütet war, ich durfte nix machen, sofort hieß es mach dies nicht, pass auf, nimm Rücksicht, mach bloß nix dreckig usw. alles wurde kritisch beäugt; das Spielzeug musste natürlich sein, Kinderbücher wohlausgewählt, Ernährung total gesund und immer schön an der Hand gehen. das prägt schon auch.
Think, before you speak - google, before you post!

Antworten