"Böse Diäten" - fact or fiction?

Ernährung, Lebenswandel, Supplemente
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Taekki
Chuckeline Norris
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Beitrag von Taekki » 3. Jan 2021 17:29

Man kann sich, na klar, viele Dinge angewöhnen. Grade beim Zucker habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir, als ich mal eine Weile darauf verzichtet habe (ich hab mal ne Diät gemacht), die Lust auf Süßes verging. Und nach Diätende auch nicht mehr wieder kam. Allerdings war ich da für Süßes ohnehin nicht mehr so anfällig wie in meiner Kindheit. Von einer Tafel Schokolade kann ich auch nur zwei Stückchen essen und dann ist gut.
Ich merke aber auch, wie es sich zur Zeit grade wieder einschleicht. Jetzt landet grade jede Woche wieder Saures Fruchtgummi im Einkaufswagen und ich habe mir schon angewöhnt das regelmäßig als Nachtisch zu konsumieren.
Vielleicht sollte die Abkehr von dieser Angewohnheit mal auf die noch leere Liste der Neujahrsvorsätze :D

Schlechte Essangewohnheiten wie das eben geschilderte sind meiner Meinung nach aber etwas anderes, wie wenn Essen mit Stressbewältigung, Belohnung, Angst und Frust in Verbindung daher kommt. Dann nützt ein Neujahrsvorsatz vermutlich wenig und kratzt nur an der Oberfläche.
Das Glück besteht nicht darin, dass Du tun kannst, was Du willst, sondern darin, dass Du immer willst, was Du tust. (Leo Tolstoi)

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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 3. Jan 2021 18:13

Ich sehe da an mir selbst schon ein gewisses Dilemma: Einerseits ist mein Essverhalten wirklich zu 100% (na gut, 97%) von meiner emotionalen Verfassung entkoppelt.

Hört sich im Hinblick auf Gewichtsschwankungen erst mal gut an, aber ich zahle einen Preis: Ich esse jeden Tag nach exakt demselben Muster und wiege zumindest die Hauptenergieträger grammgenau ab; sämtliche Entscheidungen, die dann noch offen bleiben, sind zwischen verschiedenen Lebensmitteln einer Gruppe ("Hafer oder Quinoa?", "Spinat oder Grünkohl?"). Mich selbst belastet das zwar nicht, aber bei der sozialen Interaktion mit dem Rest der Familie knirscht es schon manchmal im Gebälk, und außerhäusig bin ich natürlich immer kompletter Selbstverpfleger (selbst auf Reisen). Da ist die Essensplanung und -beschaffung dann schnell die größte Herausforderung auf der Urlaubsreise.

Insofern möchte ich mich wirklich nicht als Vorbild hinstellen, das Label "Orthorektiker" mag schon seine Berechtigung haben. Wobei ich das nicht als diagnostisch klassifizierbare psychologische Störung verstehe, sondern eher als abfällige Beschreibung eines Menschen, der Gesundheit einen (zu?) hohen Stellenwert in seinem Leben einräumt.

Dagegen steht das Ideal vom "natürlichen" Essverhalten: Man hat Lust auf die Dinge, die gut für einen sind, und isst auch immer nur genau soviel davon, wie man wirklich braucht. Trotzdem schränkt man sich nicht ein, und lässt es sich auch mal gutgehen. Wenn man doch mal über die Stränge schlägt, dann isst man halt am nächsten Tag etwas weniger, usw. Hört sich toll an, na klar. Und in der Nutella-Werbung funktioniert es auch. Ich fürchte nur, in unserer realen obesogenen Umwelt ist dieses Ideal eine Sirene, das die allermeisten die ihm folgen gnadenlos auf die Klippe lockt.

Mag sein, dass es manche "natürlich schlanken" Menschen mit wenig effizientem Stoffwechsel gibt, und manche Menschen mit kaum Hungergefühl, aber das sind die extremen Ausnahmen. Die große Mehrheit der Menschen kommt auf Ernährungs-Autopilot gerade mal einigermaßen gut durch die ersten anderthalb Lebensjahrzehnte, und heutzutage oft nicht mal mehr das. Der freie Wille ist eine Fiktion - unser Appetitzentrum wurde von der Nahrungsmittelindustrie gehackt, wir sind willenlose Zombies und merken es nicht mal.

Mag sein, dass man nicht gleich so extrem werden muss wie ich und nach dem 80:20 Prinzip sein Gewicht auch gut halten kann, aber so oder so geht meiner Meinung nach an Selbstkontrolle und Einschränkung bis auf ausgewählte Ausnahmen kein Weg vorbei, wenn man sich nicht genau die richtigen Eltern ausgesucht hat. Traurig aber wahr.
"The greatest obstacle to discovery is not ignorance - it is the illusion of knowledge." - Daniel J. Boorstin

"If you want to be more successful, double your failure rate. Success lies on the far side of failure." - Thomas J. Watson

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 3. Jan 2021 18:41

Wenn ich mir heute mein Gebiss anschaue und 50% meiner Zähne behandelt sind (mit mindestens einer Füllung) "ärgere" ich mich schon über den Dreck der so verkauft wird und billig und ich mir Jahrzehntelang reingedrückt habe und dann wieder eine Diät um Abzuspecken und wieder hoch....hätte nicht gedacht mit 48 Jahren ein Sixpack zu bekommen und das ohne Mühe.
Das Thema Fettabbau ist für mich durch...
muss eher Abends mir noch extra was reinschieben, da ich sonst im Defizit bin.

healthyAveggy

Beitrag von healthyAveggy » 27. Jan 2021 09:58

mashisouk hat geschrieben:
3. Jan 2021 13:23
Diäten sind böse. Allerdings nicht, weil sie unseren Stoffwechsel ruinieren.
Diäten ruinieren etwas viel wichtigeres: den Kontakt mit uns selbst.
Adipöse Menschen essen fast nie aus Hunger. Sondern aus vielerlei anderen Gründen - Angst, Depression, Langeweile, Stress, Streit, nochmal Angst....
Bei einer Diät lernen sie ebenfalls nicht aus Hunger zu essen. Sondern weil essen jetzt "dran" ist. Sie lernen auch nicht, zu spüren, was der Körper braucht.
Sie essen, was auf dem Plan steht.
Und das schlimmste: Sie verlernen ein Sättigungsgefühl. Normalgewichtige Menschen können das manchmal nicht nachvollziehen. Eine Freundin sagte mir mal, wie kann man nicht wissen, wann man satt ist - man weiss doch auch, wenn einem kalt ist.
Aber es ist tatsächlich so. Ich höre auf zu essen, wenn nichts mehr da ist, wenn mein Teller leer ist (und die Teller meiner Kinder).
Mir fehlt völlig das Gefühl für Sattsein.
Und das haben diese lebenslangen Diäten zerstört.
Mein Stoffwechsel ist da völlig zweitrangig.
Hallo mashisouk!:)

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig zumindest am Anfang einen strikten Plan zu haben. Bei adipösen Menschen, wie du das auch geschrieben hast, spielt der Hunger oft keine Rolle mehr. Sie essen aus den verschiedensten Gründen. Deswegen denke ich, dass ein Diät bei denen super hilfreich sein kann. Sie bekommen einen Plan und dadurch später eine Routine. Sie merken, dass sie ohne Snacken ebenso gut klarkommen können und brauchen nicht immer zu Essen zu greifen, wenn sie irgendwelche Probleme haben. Diäten müssen nicht lebenslang eingehalten werden. Die geben nur eine gute Basis, damit wir später eine vernünftige, gesunde Ernährung führen können.

Wanderer

Beitrag von Wanderer » 27. Jan 2021 14:23

Ich glaube auch, dass bei adipösen Menschen ein strikter Plan am Anfang schon wichtig ist. Auf der anderen Seite denke ich aber auch, dass man auf jeden Fall irgendwann diese Planstrategie loslassen muss. Es ist doch auch für den Menschen super belastend, alles nach einem Plan zu machen...ich denke, dass da ein gewisses Maß an Lebensqualität verloren geht und das langfristig keinen Erfolg hat.
Aber es ist natürlich schwer, gut auf seine Ernährung zu achten, wenn man immer alles essen kann

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Gruftmoggele
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Beitrag von Gruftmoggele » 7. Apr 2022 09:33

Ich habe jetzt nicht in die Links reingeschaut, aber ich denke Mashi spricht da einen wichtigen Punkt an und ich habe den Eindruck, dass das bei euch allen noch nicht ganz richtig ankam.

Adipöse Menschen haben vermutlich oft einfach eine Essstörung. Und was hilft gegen eine Essstörung? Richtig. Therapie.

Diese Menschen haben, genauso wie Bulimikerinnen und Magersüchtige eine seelische Störung und das erste was Ihnen angeboten wird ist ein Plan nachdem sie essen sollen. So wird es in Kliniken, bei Ärzten und so weiter gemacht.
Die Psychische Komponente wird komplett vernachlässigt, schließlich ist das Gewicht ja vielleicht iwann wieder normal, wenn die Ernährungsrichtlinien befolgt werden.

Diäten können als Einstiegsdroge für eine wunderbare Essstörungskarrieren betrachtet werden. Ja ich halte Diäten auch für böse. Meine schlimmste Diät war vermutlich Brigitte Diät mit diesem Buch von 1982. Zweieinhalb Jahre später mit + 5 kg und mehrmals täglich stattfindenden Essbrechattacken war ich dann zum ersten Mal bereit in eine Klinik zu gehen.

Es funktioniert aus meiner Sicht nicht ein psychisches Problem mit Regeln in den Griff zu bekommen oder zu erklären. Und der Druck der auf einem Adipösen Menschen lastet ist sehr groß, schließlich hat ja jeder so eine prima Empfehlung wie er sein Gewichtsproblem in den Griff bekommt. Nur leider hat niemand das eigentliche Problem in der Tiefe verstanden.

Und irgendwann ist der Betroffene vielleicht auch frustriert und wehrt sich und schiebt seine Wut und seinen Frust eben auf die Diät, die alles noch schlimmer gemacht hat.

Ich geh davon aus, dass das was die Wissenschaftler da herausgefunden haben auf körperlicher Ebene auch richtig ist, wie z.B. dass der Stoffwechsel eben nicht komplett ruiniert ist, kein Muskeltraining gemacht wurde und sich sie Körperzusammensetzung verändert hat, die Gier auf Junk, also der Reiz des Verboteten zu stark wurde und und und. Die Menschen sind gut darin, das Äußere zu analysieren. Nur wie schon gesagt, ich vermute dass dieses Übergewicht nicht als Krankheit die das komplette Leben der Betroffenen beherrscht gesehen wird.

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