"Böse Diäten" - fact or fiction?

Ernährung, Lebenswandel, Supplemente
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human vegetable
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"Böse Diäten" - fact or fiction?

Beitrag von human vegetable » 3. Jan 2021 08:39

Schon mehrmals bin ich bei Gesprächen über gesunden Lebenswandel mit der Aussage konfrontiert worden, dass Diäten den Stoffwechsel ruinieren und langfristig für weitere Gewichtszunahme sorgen.

Da gibt es auch zumindest eine Studie an Teilnehmern der US-amerikanischen "Biggest Loser" Show, die das zu belegen scheint: https://www.scientificamerican.com/arti ... s-back-up/

Danach war die Stoffwechselrate der Teilnehmer auch noch Jahre später eingeschränkt, was weitere Gewichtszunahme erleichterte.

Nun gibt es aber auch eine gegenteilige Studie: https://ergo-log.com/even-failed-weight ... thier.html
Conclusion
"In this large prospective cohort study, we discovered that more frequent intentional weight loss attempts over a 20-year period in mid-life was associated with a reduced risk of death, even among those who ultimately gained weight", summarize the researchers.

"If replicated, this finding is of high clinical importance due to the increased prevalence of obesity and the difficulty in maintaining weight loss. Although repeated bouts of weight loss followed by weight regain may not be ideal, they are a common occurrence."

"Our results suggest that frequent intentional weight loss attempts are not harmful and may provide long-term benefit."


Wie lässt sich der scheinbare Widerspruch erklären? Evtl. damit, dass die Teilnehmer von BL extrem übergewichtig waren und daher nicht repräsentativ für Übergewichtige allgemein. Es könnte auch sein, dass das krasse Diät- und Bewegungsprogramm, was den Teilnehmern dort aufgebürddet wurde (und kurzfristig ja durchaus erfolgreich war) nicht vergleichbar ist mit den schon allein mangels Disziplin wesentlich moderateren Abnehmversuchen von Durchschnittsmenschen.

Ich neige dazu, eher der zweiten Studie zu glauben. Etine Bekannte schob ihr hohes Gewicht explizit auf Diäten in ihrer jahrzehnte Zurückliegenden Jugend, und sie glaubte, dass es ihr heute besser ginge, wenn sie damals "normal" gegessen hätte. Aus meiner Sicht vermutlich eine Ausrede mit dem Zweck, ihr weitere Vorsätze und Veränderungen ihres aktuellen Lebensstils zu ersparen.

Womit ich im Gegenzug aber keinesfalls sagen will, sie sei "selbst schuld". Wir leben in einer obesogenen Umwelt, und wer genetisch vorbelastet ist wird quasi "automatisch" übergewichtig - außer, sie/er drückt ganz bewusst auf die richtigen Knöpfe, dann kann diese Entwicklung zumindest abgemildert, bzw. die Folgen minimiert werden. Insofern ist die Umwelt "schuld", was aber nicht heißt, dass der Einzelne völlig machtlos dagegen wäre.
"The greatest obstacle to discovery is not ignorance - it is the illusion of knowledge." - Daniel J. Boorstin

"If you want to be more successful, double your failure rate. Success lies on the far side of failure." - Thomas J. Watson

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 3. Jan 2021 09:16

Ich würde das Ganze unter selektiver Wahrnehmung verbuchen. Ich habe mal eine Studie gelesen, wo selbst nach Hardcore Diäten der Stoffwechsel sehr überschaubar runtergeht (meist in Korrelation mit den verlorenen Muskeln). Niemand kann Energie aus dem Nichts erzeugen (ausser Dahlke).
Das Problem sehe ich eher, dass die Leute keinen Blick für ihren Kalorienbedarf haben. Aber wer sich dann nach der Diät vermeintlich gesund ernährt und einen fetten Fisch in 30g Olivenöl brät und dazu noch 3 Scheiben Vollkornbrot und ein Salat mit Schafskäse hat immerhin 1300 kcal gegessen (Wahrscheinlich schon 80% des Kalorienbedarf).
Und das war dann eine Mahlzeit. Gerade Flüssigkalorien gehen völlig unter. Morgen der Cappuccino, der supergesunde Orangensaft - 250 kcal, ein Apfel noch und das war der Tagesbedarf von 1600 kcal.
Der Bedarf wird meistens überschätzt, so haben Frauen die im Büro arbeiten, ohne Krafttraining vielleicht nur einen Bedarf von 1600 Kcal und dann kommt Frust auf. "Ich esse doch kaum was und nehme zu".
Dann kommt nochmehr Frust und die Eispackung wird geöffnet...

Link 1 glaube ich nicht. 2000 Kcal Tagesbedarf nach der Show und dann 1900 Kcal trotz täglichen intensiven Training? Das können sie ihrer Oma erzählen. Die haben kein Muskeltraining gemacht und noch weitere Magermasse verloren, daher noch -100 kcal.
Und das hier sagt alles:
The only weight loss method that seems to avoid metabolic pitfalls is gastric bypass surgery, Hall said.

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mashisouk
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Beitrag von mashisouk » 3. Jan 2021 13:23

Diäten sind böse. Allerdings nicht, weil sie unseren Stoffwechsel ruinieren.
Diäten ruinieren etwas viel wichtigeres: den Kontakt mit uns selbst.
Adipöse Menschen essen fast nie aus Hunger. Sondern aus vielerlei anderen Gründen - Angst, Depression, Langeweile, Stress, Streit, nochmal Angst....
Bei einer Diät lernen sie ebenfalls nicht aus Hunger zu essen. Sondern weil essen jetzt "dran" ist. Sie lernen auch nicht, zu spüren, was der Körper braucht.
Sie essen, was auf dem Plan steht.
Und das schlimmste: Sie verlernen ein Sättigungsgefühl. Normalgewichtige Menschen können das manchmal nicht nachvollziehen. Eine Freundin sagte mir mal, wie kann man nicht wissen, wann man satt ist - man weiss doch auch, wenn einem kalt ist.
Aber es ist tatsächlich so. Ich höre auf zu essen, wenn nichts mehr da ist, wenn mein Teller leer ist (und die Teller meiner Kinder).
Mir fehlt völlig das Gefühl für Sattsein.
Und das haben diese lebenslangen Diäten zerstört.
Mein Stoffwechsel ist da völlig zweitrangig.
Sei ganz du selbst!
Außer du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 3. Jan 2021 14:47

Dass mit der Sättigung kenne ich eigentlich nur, wenn ich "Junk" (d.h das Gegenteil von Vollwertkost) esse.
Ich lebe seit 4 Monaten Zuckerfrei und habe irgendwann festgestellt, dass der Gürtel zu gross ist.
Bin ich auf die Waage und hatte 4kg abgespeckt.
War ganz nett, da die Bauchmuskeln nun besser zu sehen waren, aber fand dass dann doch heftig, sodass ich mehr Öl dazu genommen habe und wieder 2 kg hoch bin und bei 85kg.
Meine Behauptung ist daher, wehr sich vollwertig ernährt, allen Zucker und Öl verbannt, der wird sich in einem gesunden, schlanken Gewicht einpendeln.
Nach 150g Haferflocken Trockengewicht mit zuckerfreier Mandelmilch bin ich pappsatt. Da geht nix mehr. Das bei 620 kcal. Etwas mehr als eine Tafel Schokolade.
Gregers Buch How Not to Diet bringt es auf den Punkt. Diäten sind kacke, eine Vollwertkost ohne Zucker, Öl und verarbeite Lebensmittel regelt das von alleine.

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Taekki
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Beitrag von Taekki » 3. Jan 2021 15:21

Das schmeckt mir aber nicht ......
Das Glück besteht nicht darin, dass Du tun kannst, was Du willst, sondern darin, dass Du immer willst, was Du tust. (Leo Tolstoi)

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 3. Jan 2021 15:31

Was jetzt genau? Eine Vollwertkost mit Vollkornprodukten Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse, Nüsse und Samen und die Kombinationen daraus?

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Taekki
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Beitrag von Taekki » 3. Jan 2021 15:35

Genau, die Kombi von nur Vollkornprodukten und Rohkost und das Ganze dann ohne Öl und Zucker !
Wo bleibt denn da der Spaß ? :)
Aber das ist jetzt auch offtopic.
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Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 3. Jan 2021 15:47

Von Rohkost habe ich nicht gesprochen. In der Tat, Olivenöl nutze ich aktuell. Brokolli mit Olivenöl aus dem Backofen mit Bratkartoffeln sind absolut nicht langweilig:)

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Taekki
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Beitrag von Taekki » 3. Jan 2021 15:49

Dann nähern wir uns schon wieder an :D
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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 3. Jan 2021 16:35

mashi, natürlich muss ich deine persönliche Erfahrung erstmal anerkennen. Studien beziehen sich ja immer nur auf Durchschnittswerte innerhalb einer größeren Stichprobe und sagen wenig über die Einzelne.

Andererseits frage ich mich aber, ob du nicht eine Art Huhn-und-Ei Problem beschreibst: Was war zuerst da - das fehlende Sättigungsgefühl, oder die Diäten? Könnte es sein, dass nicht die Diäten dein natürliches Sättigungsgefühl zerstört haben wie du es darstellst, sondern deine fehlende "Fressbremse" schon der Auslöser für all deine Diäten war? Dan dann wären die Diäten mitnichten schuld an deinem kontinuierlich steigenden Gewicht, sie hätten eher noch Schlimmeres verhindert (was in der Studie auch so rüberkommt).

Huhn oder Ei - selbst wenn sich mit einigen Jahrzehnten Abstand noch klären ließe, was Ursache und was Wirkung war, würde dir das wohl nicht mehr viel helfen. Deswegen zu konstruktiveren Lösungen!

Prinzipiell bin ich da in einem Lager mit Sphinkter: Eine "cleane" Kost mag wenn man es nicht gewohnt ist vielleicht nicht sonderlich spaßig sein, aber um damit schwer übergewichtig zu sein (oder zu bleiben) müsste man die vier Mägen einer Kuh haben. Zu Olivenöl würde ich bei Gewichtsproblemen nicht gerade raten, aber ansonsten sagen die gängigen plant-based Gurus genau wie's geht. Startpunkt: McDougall's "MWL diet" (steht für maximum weight loss)

Mit Sicherheit ist das kein Patentrezept - schon allein, weil viele Menschen wie z. B. Taekki einfach mehr Wert auf "guten Geschmack" legen. Einige davon lassen sich vielleicht von den psychologischen Einsichten von Doug Lisle konvertieren:


Persönlich kann ich dem Wirkprinzip der "pleasure trap" unbedingt zustimmen: Heute feiere und genieße ich einen Kopf rohen Brokkoli mehr als vor vierzig Jahren ein "happy meal", einen großen Eisbecher oder sonstigen Junk. Wenn ich bei "Mitessern" heute auf die Teller schaue und sowas sehe, dann könnten sie genauso gut auch Pappe essen, so wenig reizt es mich. Der Bann ist gebrochen, der mich während meiner "dicken Kindheit" verfolgte.

Aber, realistisch gesagt, die meisten Menschen haben das Glück (oder Pech?) einer solchen inneren Transformation eben nicht. Mag sein, dass "achtsames Essen" da einen anderen Ausweg bietet, nur damit kenne ich mich zu wenig aus.
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