Effektiver Altruismus (EA)

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Effektiver Altruismus (EA)

Beitrag von .u. » 17. Feb 2017 16:41

Selbst wenn Sie Peter Singer nicht mögen... ;)

Hallo,
wenn man sich mit veganer Ethik befassen möchte, wäre es vielleicht interessant, Effektiven Altruismus zu kennen (habe keinen Thread dazu gefunden).
Eventuell selbst, wenn man Peter Singer und Utilitarismus nicht mag...

Effektive Altruisten beschäftigen sich damit, wie man mit seinen eingesetzten Ressourcen am meisten Leid vermindern kann. Das ist von Europa aus gesehen eher weit weg der Fall, wo bspw. ein Moskitonetz oder eine Entwurmungskur sehr großen Effekt haben kann. Das erscheint erst mal utilitaristisch. EA versucht aber das beste aus allen moralischen Welten zu ziehen, den er empfiehlt dennoch unter Umständen den Nahbereich (Familie, Freunde) zu privilegieren, da man davon selbst betroffen ist (=Tugendethik) oder man soll niemanden Instrumentalisieren, um (auch effektiv altruistische) Ziele zu erreichen (Kantianismus, dass die gute Absicht zählt).

Sie klären über natürliche Denkfehler auf, die unsere Empathiefähigkeit verzerren, wie bspw., dass weit entferntes Leid uns weniger nah geht als das in greifbarer Nähe. Würden wir beispielsweise ein Zimmer mit jemandem Teilen, der gerade furchtbare Schmerzen durch Malaria erleidet, würden wir sofort alles tun, damit diese Person die nötige medizinische Hilfe bekommt. Vielleicht würden wir alles geben, was wir haben. IQ beschreibt nicht unbedingt "gutes Denken" (siehe IQ 120 Bush Jr.).

Sie beschäftigen sich damit, wie wirksame Programme aussehen müsssen, um Leid zu vermindern.

Sie beschäftigen sich damit, welche ethischen Fragen mit dem technischen Fortschritt auf uns zukommen (Leid künstlicher Intelligenz).

Sie stellen Fragen wie: Hat sich der Zustand der Menschheit wirklich verbessert, nur weil die relative Zahl an Armut gesunken ist? Nach diesem Denken bräuchte man zu einer Menge leidender Individuen nur eine ausreichend große Menge glücklicher Individuen hinzugesellen, um die Gesamtsituation besser bewerten zu können.

Und - für die Relevanz in diesem Forum bedeutsam - sie sehen keinen Grund, Tierleid weniger schwer zu gewichten, weswegen sie Veganismus propagieren.

Webseite der Stiftung für Effektiven Altruismus: https://ea-stiftung.org/
FAQ: https://ea-stiftung.org/effektiver-altruismus/faq/

Effektiver Altruismus Deutschland: http://www.effektiver-altruismus.de/

Wikipedia Effektiver Altruismus: https://de.wikipedia.org/wiki/Effektiver_Altruismus
...But the stars we could reach were just starfish on the beach.

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hareigev
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Beitrag von hareigev » 21. Feb 2017 01:31

In der unglücklichen deutschen Übersetzung wirkt "effektiver" Altruismus noch anmassender als er es ohnehin schon ist.
Warum ist EA anmassend? Weil es das quantitative Mass für Wirksamkeit im Bereich Altruismus nicht gibt. EA denkt in der Regel auch nicht weiter als bis zum unmittelbaren Effekt, der erziehlt wird. Beispielsweise werden dann die Kosten für Augenoperationen und für Blindenhunde verglichen. Der Blindenhund schneidet in diesem Fall natürlich miserabel ab, denn etwas mehr Eigenständigkeit scheint ein geringer Nutzen zu sein im Vergleich zu geschenktem Augenlicht und die Kosten sind beim Blindenhund um viele Grössenordnungen höher als bei einer einfachen Augenoperation. Aber das ist zu kurz gedacht, denn der Blindenhundausbildner, der die Kosten verursacht (i.e. das Geld für die Ausbildung des Hundes verdient) tut ja dann wieder etwas mit dem Geld. Ebenso der Blinde, der sich dadurch in der sehenden Gesellschaft besser zurechtfindet und durch seine Sichtbarkeit im Idealfall ein Verständnis für die Probleme von Minderheiten generell schafft. Es gibt beim Blindenhund einen Finanzkreislauf, während es gerade bei sogenannter Entwicklungshilfe oft so ist, dass Kohle in ein schwarzes Loch geschmissen wird und so keinen weiteren Effekt hat als das, was es unmittelbar tut. Im dümmsten Fall könnte es im konkreten Beispiel sein, dass Menschen, die von Geburt an blind waren, völlig überfordert sein könnten mit der Reizüberflutung. Anders gesagt: Es ist selbstverständlich richtig, dass man vorwiegend dort aktiv ist, wo man einerseits wirklich engagiert ist und wo man die erzielten Effekte tatsächlich abschätzen kann. Effektiver Altruismus geht von der grob falschen Annahme aus, dass Altruismus mit allzu eindimensionalen Zahlen quantifizierbar sei. Das führt oft dazu, dass EA in höchst verwerflicher Weise anmassend ist.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 21. Feb 2017 03:39

Genau! Denn die Ärztint / der Pfleger / die Fahrerin die die Augenoperation durchführen bzw. daran beteiligt sind tun ja bekanntermaßen nichts mit dem Geld sondern lassen es in ihrem schwarzen Loch. Und der nun sehende Blinde ist ja reizüberflutet und kann sich ebenfalls keiner produktiven Tätigkeit widmen. Alles in allem kein Kreislauf. Zum Glück gibt es den boomenden Blindenhunde-Wirtschaftskreislauf, da wird noch was getan.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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hareigev
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Beitrag von hareigev » 21. Feb 2017 20:22

Es ist ein Fakt, dass Entwicklungshilfe da und dort dazu führt, dass korrupte Regimes unterstützt werden. Deppiger Zynismus ändert daran auch nichts.
Über das konkrete, unter Anhängern von EA sehr beliebte Beispiel, kann man kontrovers diskutieren. Meine beispielhaften Schilderungen sollten dabei nur denkbare Möglichkeiten aufzuzeigen. Ich persönlich würde aber nicht für Blindenhundausbildung spenden, denn damit kenne ich mich nicht besonders gut aus. Aber ich spende auch nicht für Augenoperationen (denn da kann ich persönlich den tatsächlichen Nutzen ebenso wenig abschätzen), sondern für Aktionen, die ich kenne und in der Regel auch aktiv (i.e. nicht nur mit Geld) unterstütze. Das halte ich für uneingeschränkt sinnvoller als kurzsichtige eindimensionale Rechnereien, selbst wenn der Nutzen dabei schwerer zu quanitifizieren ist als in allzu simplen und dadurch fehlerhaften Milchmädchenrechnungen.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 21. Feb 2017 20:25

In deiner Welt gibt es viele Fakten aber keine einfache Quantifizierung. Ich frage mich was da deppiger ist.
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hareigev
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Beitrag von hareigev » 24. Feb 2017 11:05

Akayi hat geschrieben: Ich frage mich was da deppiger ist.
Man glaubt es kaum: Nicht alles, was ein Fakt ist, ist auch eine Zahl. Die Frage dürfte damit beantwortet sein. 8-)

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Beitrag von .u. » 2. Mai 2017 21:37

Hallo hareigev,
das hast du missverstanden. So funktioniert EA nicht. Es geht gerade nicht darum, Kohle in einem schwarzen Loch verschwinden zu lassen, sondern zu gucken, wie sie am meisten Gutes bewirkt.
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Beitrag von hareigev » 11. Mai 2017 15:01

Mir ist schon klar, was das Ziel von EA ist. Ich sage nur, dass die Quantifizierungs-Versuche oft eindimensional und damit unbrauchbar sind. Zudem muss sich in meinen Augen eine gute Tat ganz grundsätzlich und generell nicht mit einer besseren Tat messen lassen. Wenn jemand mit viel Engagement eine gute Tat macht, ist es immer noch sehr viel besser, als hätte dieser Jemand das Geld sinnlos z. B. für ein teures, ineffizientes Auto ausgegeben.
Meine Kritik an EA ist die oft triefende Selbstgerechtigkeit und Anmassung.

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Animal Charity Evaluators

Beitrag von .u. » 22. Jun 2017 10:33

Meines Erachtens sind die Quantifizierungsversuche nicht eindimensional, sondern man ist bemüht viele Faktoren zu bedenken. Außerdem ist jede Handlungsempfehlung ja kritisierbar. Die Mitglieder, die ich bisher kennengelernt habe, waren offene Menschen, die von niemandem Perfektion verlangen und jedem Menschen die Freiheit zugestehen, selbst zu entscheiden, was er wie tun möchte. Es ist nur ein Angebot für Menschen, die es erfüllend finden, zu helfen. Wenn es dir so geht, kannst du die Informationen, die sie anbieten, nutzen, um zu schauen, wie du am wahrscheinlichsten das erreichst, was du möchtest.

Es gibt auch die Animal Charity Evaluators, die schauen, welche Aktion am meisten Tierleid vermindern kann: https://animalcharityevaluators.org/

Hier ist eine Liste von Lokalgruppen: https://effektiveraltruismus.de/lokalgruppen/
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Beitrag von hareigev » 9. Jul 2017 01:43

.u. hat geschrieben:Meines Erachtens sind die Quantifizierungsversuche nicht eindimensional, sondern man ist bemüht viele Faktoren zu bedenken.
Ich kenne nur Beispiele, wo ein äusserst unvollständiges Set von Faktoren berücksichtigt wurde.
Ganz grundsätzlich gehe ich aber mit Dir einig, dass es oft richtig ist zu überlegen, was eine Handlung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ bedeutet. Nur muss man sich dabei immer im Klaren sein, dass das Grenzen hat. Man sollte immer wissen, wie genau man etwas quantitativ weiss bzw. überhaupt wissen kann.
Außerdem ist jede Handlungsempfehlung ja kritisierbar. Die Mitglieder, die ich bisher kennengelernt habe, waren offene Menschen, die von niemandem Perfektion verlangen und jedem Menschen die Freiheit zugestehen, selbst zu entscheiden, was er wie tun möchte. Es ist nur ein Angebot für Menschen, die es erfüllend finden, zu helfen.
Da kann ich Dir nur sehr bedingt beipflichten. Von den Leuten, die ich kenne, gibt es schon den einen oder anderen, die es für verpflichtend erklären wollten, alles so zu tun, wie sie es für richtig halten. Es gibt aber natürlich auch andere.

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