Konstruktivismus

Plausch & Palaver
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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 12. Jan 2021 01:40

Sabotagehase hat geschrieben:
12. Jan 2021 01:21
naja aber selbst wenn ausnahmslos ALLE Menschen sich einig wären, dass die Gravitation so funktioniert wie sie es eben nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten tun sollte, sagt das noch nicht wirklich was über die Richtigkeit dieser Gesetzmäßigkeiten aus.
es geht in diesem Kontext imo weniger darum, daß Gravitation anhand bestimmter Gesetzmäßigkeiten "funktionieren sollte", sondern das wir sie gleich wahrnehmen.

übrigens finde ich den Begriff "Wahrheit" auch so unpassend.

Beispiel dafür wären z.b. für uns unhörbare akustische Frequenzen. die sind ja "wahr" im Sinne von existent, in unserer indidivuellen Realitätswahrnehmung aber nicht.
Man hat jeden Tag die Chance die bestmögliche Version von sich selbst zu sein. ♥

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 12. Jan 2021 08:58

Ist es so wie: "Wenn ich die Bowlingkugel vom Hochhaus werfe, wird sie wahrscheinlich, wegen der Erdanziehung, nach unten falllen".
"Sicher wissen wir das aber nicht und unter anderen Bedingungen oder bei der Betrachtung von Mole­külen oder im Inneren von Schwarzen Löchern, sieht es schon wieder anders aus".
Zuletzt geändert von Sphinkter am 12. Jan 2021 09:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 12. Jan 2021 09:04

Das würde empirische Wahrnehmung voraussetzen (um die anderen Bedingungen zu messen oder zu hypothetisieren) und das wird ja anscheinend abgelehnt.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

shroud
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Beitrag von shroud » 12. Jan 2021 11:15

Meiner Meinung nach geht es gar nicht so sehr darum, dass Verifikation/Überprüfung abgelehnt wird. Wichtiger ist vielmehr die Reflexion, dass jede forschende Perspektive stets Bestandteil der Versuchanordung/ des experimentellen Kontexts ist und somit darauf einwirkt und ein Stück weit über jeden objektiven Standpunkt hinaus mit dem Erkenntnisprozess interagiert.

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 12. Jan 2021 11:24

Bl@ck_C@t hat geschrieben:
11. Jan 2021 21:16
Der Positivismus ging eben davon aus, dass es eine objektive Wahrheit gibt und diese durch die Wissenschaften erforscht werden könnte.
Aber ist es nicht so, dass es objektive Wahrheiten gibt?
Zum Beispiel ist die Vergewaltigung eines Kindes grundfalsch und gehört verhindert und aufs höchste Maß bestraft. Unabhängig davon gibt es sicher kranke Geister, in deren Welt es völlig in Ordnung und legitim ist.
Ich kann mich nicht drauf einlassen, dass dies ein gesellschaftlicher Konsens ist, sondern es ist objektiv einfach falsch und verwerflich.
Oder andere schreckliche Verbrechen, wie die des Dritten Reiches. Auch wenn einige Neonazis in ihrer subjektiven Welt leben, ist es einfach die Wahrheit, dass das falsch ist.
Ich stehe hier mit dem Konstruktivismus auf Kriegsfuß.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 12. Jan 2021 11:31

Ich weiß nicht ob man diese Beispiele bemühen muss, aber die Gefahr einer rechten Beliebigeit oder selbst gewählter Unmündigkeit sehe ich auch.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

shroud
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Beitrag von shroud » 12. Jan 2021 11:43

Aber hat das nicht auch Vorteile, dass du dich als Gesellschaft auch immer wieder über deine Werte/Ethik verständigen musst. Du könntest auch argumentieren, dass auf bestimmte Straftaten dann einfach als unumgängliche Reaktion die Todesstrafe verhängt werden muss, da bestimmte Vergehen in besonderem Maß gegen eine objektive Moral verstoßen.

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 12. Jan 2021 11:52

Gut, das ist aber eine Aushandlung einer Gesellschaft. Aber die objektive Wahrheit (das es falsch ist) bleibt davon unberührt.

Sabotagehase
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Beitrag von Sabotagehase » 12. Jan 2021 13:51

@ shroud +1

ich hab zwar versucht, Lebenspraktische Vorsteile einer konstruktivistischen Sichtweise zu schildern (wenn auch sehr unspezifisch). Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es nicht auch nachteile haben kann, irgendwas aus dem Kosntruktivismus abzuleiten. In der Hinsicht: wertfrei!
Wobei ich behaupten würde, dass das letztendlich absolut hinfällig ist.

@Sphinkter

was "Unrecht" bedeutet bzw. das Thema "Strafe" ist meines erachtens eigentlich eine ganz andere Debatte. Es ist an das Thema Konstrukruktivismus in dem Sinne anzuknüpfen, dass es eben in der konstruktivistischen Denke absolut anzufechten ist, dass es etwas objektiv falsches gibt (weshalb ich dir da vehement widersprechen würde). Alles weitere "regelt" die Moral/Ethik/was auch immer (an anderer Stelle hatte ich da ja schon für Missverständnisse gesorgt) die sich eine Gesellschaft gibt.

Ich kann grob nachvollziehen, warum du mit dem Konstruktivismus auf Kriegsfuß stehst, aber umgekehrt liegt in der, ich nenne es mal "beliebigkeit" auc eine ganz bestimme Stärke: wenn man deine Aussagen einfach mal umdreht und sagt, dass die Rassenlehre objektive Wahrheit ist, lässt sich mit dem Anspruch auf eine objektive Wahrheit ziemlich viel Blödsinn rechtfertigen. Eine zumindest konstruktivistisch angehauchte Denkweise ist m.e. voraussetzung für die Aushandlung aller gesellschaftlichen Fragen, weil sonst einfach irgendwann keine Diskussion mehr möglich ist, also auch keine optimierungen/verbesserungen durch neue Gedanken. Dass das dann wieder auch nach hinten losgehen kann, ist klar. Aber das tut es ja sowieso, also warum nicht analytisch rangehen und mit dem "Konsens", dass man sich gerade an bestimmten stellen eine Ethik konstruiert, eben genau über diese diskutieren. Ich sehe wirklich 0 Vorteil in der postulierung objektiver Wahrheiten. Vlt mal situativ/epochal gedacht, aber allgemein nicht.

In dem Sinne ist der Konstruktivismus eine mögliche Grundsichtweise auf ALLES, man kann daraus gutes wie schlechtes anstellen. Ich argumentiere ja jetzt wieder mit der beliebigkeit von objektiver Wahrheit (z.B. Rassenlehre), dh iwie komm ich aus meiner konstruktivistischen Denke nicht raus^^

@akayi

Und zur rechten Beliebigkeit/unmündigkeit: warum?
1. gerade Rechte postulieren doch gerne objektive Wahrheiten. ICh denke K. kann in alle richtungen gut oder schlecht instrumentalisiert werden, das gut/schlecht hängt dann aber wiederum von denen ab, die K instrumentalisieren bzw. ob die die jetzt doof findest oder nicht

2. selbst gewählte Unmündigkeit: Kosntruktivismus kann einen Rahmen darstellen, ich sehe da aber dadurch genau den Vorteil: nur weil wir niemals wissen können, ob unsere physikalischen Gesetze richtig sind, heißt das nicht, dass ich mich nicht innerhalb des Systems frei bewegen kann. Mündigkeit/Unmündigkeit würde ich innerhalb des Systems sehen (sofern kein göttlicher Puppenspieler vorausgesetzt wird, aber der würde das ganze Konzept Konstruktivismus eh sprengen und wäre eine ganz andere diskussion), weil ja keine Determinismen. In der Hinsicht verstehe ich deinen Kommentar nicht ganz, einfach weil ich da nicht wirklich eine Verbindung zum Thema sehe. Vlt um 3 ecken und viel psychologie aber da bin ich auch nicht wirklich bewandert, mir gehts da grad eher um die theoretische Grundlage

also kann mich da shroud echt nur anschließen.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 12. Jan 2021 14:02

Ich gehe davon aus dass es objektive Wahrheiten gibt, der wir uns Schrittweise annähern können und die handlungsleitend für uns als soziale Wesen ist. Wenn sich das alles auflöst, weil man ja gar nicht erkennen kann, dann gibt es auch keinen Fortschritt. Dann verharren wir in unserer indivduellen "ich denk mir die Welt, wie sie mir gefällt" Blase in der wir ohne Einfluss nehmen zu können - unmündig - rumsitzen. Das ist Rückschritt, das ist rechts.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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