Wie entstehen eigentlich kulturelle Unterschiede?

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illith
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Wie entstehen eigentlich kulturelle Unterschiede?

Beitrag von illith » 9. Apr 2017 11:40

bitte in einem Satz!
:mg:

also nein, mir ist klar, dass das sicher eine superkomplexe Angelegenheit ist^^
aber mich würde interessieren, wie bestimmte kulturelle Begebenheiten ursprünglich zustande gekommen sind.
also z.B. hab ich mal gelesen (unverifiziert), dass je wärmer das Klima einer Region ist, desto enger ist der Raum bzw. kleiner die Distanz, die im alltäglichen Umgang miteinander als angemessen angesehen wird. (ich glaube, da wurden die Beispiele Großbritannien und irgendwas Arabisches genannt)
oder dass scharfe Speisen besonders in heißen Regionen etabliert sind, weil sie öhm - beim Schwitzen helfen und somit die Temperaturregulierung unterstützen? :drop1:
andere Unterschiede, die einem so einfallen, wären auch noch Gender Politics, Haltung zu Sexualität (außer- und innerehelich), das "Ansehen" von körperlicher Bewegung, zwischenmenschliche Kommunikationsweisen (Lautstärke, Augenkontakt, Körpersprache), spezifische Werte, die hochgehalten werden (sowas wie Pünktlichkeit, Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit, Fleiß etc), Bekleidung usw. usf.
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Akayi
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Beitrag von Akayi » 9. Apr 2017 12:10

In einem Satz: Es gibt immer eine materielle Grundlage die sich dann später in kulturellen Formen ausprägt und wiederum durch diese erklärt werden.

Bei deinem Beispiel mit dem scharfen Essen am Beispiel Korea. Schärfe ist ein Mittel um Keime abzutöten und Nahrungsmitten haltbar zu machen. Dies ist in warmen Gegenden wichtiger als in Gegenden mit kaltem Klima. Daher sind die Speisen im süden Koreas schärfer als im kälteren Norden. Das ist die materielle Grundlage. Später kann man das mit allen möglichen medizinischen und pseudomedizinischen Theorien nachträglich erklären (z.B. Hitzeregulierung) die dann quasi Teil der Kultur sind. Im Rahmen der historischen Herausbildung von Nationen und Nationalstaaten (ab dem 19. Jahrhundert) wird das ganze dann nochmal "von Oben" als nationale Kultur zusammengefasst um die materielle Hülse (Staat, staaliche Gewalt) mit Leben zu füllen (Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche, Religion). Inzwischen isst man überall in Korea recht scharfes Kimchi; unabhängig vom Klima. Der Unterschied besteht jetzt nicht mehr zwischen dem Norden und dem Süden sondern zwischen Koreanern und Nicht-Koreanern.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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DiePetra
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Beitrag von DiePetra » 9. Apr 2017 18:24

illith hat geschrieben:bitte in einem Satz!
:mg:
spezifische Werte, die hochgehalten werden (sowas wie Pünktlichkeit, Tugendhaftigkeit, Ehrlichkeit, Fleiß etc), Bekleidung usw. usf.
Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Fleiß - Werte, die ich mit Arbeit/Arbeitsteilung verbinde: Ein Aspekt der Industrialisierung, vereinfacht ausgedrückt. Gleichzeitig spielen religiöse Aspekte hinein (s. Protestantische Arbeitsethik z.B.).
Das wäre die materielle Grundlage, die Akayi nennt. Die Arbeitenden machen sich Tugenden wie Pünktlichkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein zu eigen, weil sie damit etwas erreichen (Besitz) oder weiterkommen wollen (Erfolg).
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illith
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Beitrag von illith » 9. Apr 2017 18:40

aber afaik gelten die von dir genannten tugenden doch gerade stereotyp für deutschland - allerdings ist industrialisierung nicht unser monopol?^^

und religiöse aspekte setzen für mich zu spät an - die gelten für mich ebenso als kultureller unterschied^^
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Wuseljule
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Beitrag von Wuseljule » 9. Apr 2017 19:39

Bevor viel gereist und migriert wurde, gab es ja auch weniger Einflüsse von außen. Und dadurch haben sich sozusagen "Gewohnheiten" eingespielt, die über Generationen in Fleisch und Blut übergangen sind. Pünktlichkeit ist für mich sooo selbstverständlich und wichtig, weil ich es aus dem Elternhaus so mitbekommen habe. Wenn man das mal übertragen will. Mein spontaner Gedanke.

Noch ein Bsp für Klima und Essen: In Spanien wird häufig sehr spät warm gegessen, weil tagsüber bei Hitze keiner Lust auf heiße Paella hat.
Und alles ist jetzt. Es ist alles alles jetzt.

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DiePetra
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Beitrag von DiePetra » 9. Apr 2017 20:01

illith hat geschrieben:aber afaik gelten die von dir genannten tugenden doch gerade stereotyp für deutschland - allerdings ist industrialisierung nicht unser monopol?^^
Stereotyp für Deutschland, ja. Was doch aber nicht heißt, dass es diese Tugenden "nur" in Deutschland gibt ("wir" bilden uns vielleicht nur besonders viel darauf ein). Was den Zusammenhang mit Protestantismus/Calvinismus angeht, schau mal hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Die_pro ... pitalismus
Damit Fleiß oder Pünktlichkeit tatsächlich Werte sind, braucht es eben auch eine entsprechende Arbeitswelt. Ohne Uhren ist Pünktlichkeit obsolet. Für Jäger und Sammler ist Fleiß (Anstrengung über den täglichen Bedarf) Verschwendung von menschlichen Ressourcen (wobei Kunst und Religion Ausnahmen sind, dafür unternehmen Menschen schon immer große Anstrengungen).
Illith hat geschrieben:und religiöse aspekte setzen für mich zu spät an - die gelten für mich ebenso als kultureller unterschied^^
Was meinst du mit "zu spät"? Religiöse Vorstellungen hatten schon Neandertaler. Es gibt keine menschliche Kultur ohne Religion.
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Beitrag von Akayi » 10. Apr 2017 11:43

@Wuseljule, während Massentourismus ein modernes Phänomen gab es schon immer Migration.
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illith
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Beitrag von illith » 17. Jul 2017 03:02

DiePetra hat geschrieben:
Illith hat geschrieben:und religiöse aspekte setzen für mich zu spät an - die gelten für mich ebenso als kultureller unterschied^^
Was meinst du mit "zu spät"? Religiöse Vorstellungen hatten schon Neandertaler. Es gibt keine menschliche Kultur ohne Religion.
was ich damit meinte: "Verhaltensweise X hat sich im Kulturkeis Y etabliert, weil dort Religion Z vorherrschte" reicht mir nicht als Erklärung, weil sich mir dann stattdessen die Frage stellen würde "warum hat sich in Y Religion Z durchgesetzt (und nicht zB F)?".
Akayi hat geschrieben:In einem Satz: Es gibt immer eine materielle Grundlage die sich dann später in kulturellen Formen ausprägt und wiederum durch diese erklärt werden.
das klingt für viele Sachen plausible, aber lässt sich das wirklich so pauschal sagen...?
wie wäre es da zB mit 'Tanzfreudigkeit', was wäre da die materielle Grundlage? (wenn ich so grob überschlage - hat es was mit dem Klima zu tun? je wärmer, desto mehr Getanze? :D würde umgkehrt für mich mehr Sinn machen^^) oder sowas wie Sexualfreundlichkeit ( :xd: )?
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Beitrag von Akayi » 17. Jul 2017 03:46

Tanz ist doch eine klassische Art und Weise wie Botschaften, Geschichten, Inhalte verbreitet bzw bewahrt wurden bevor Schrift entwickelt wurde. In Gesellschaften in denen diese Mittel nicht oder nicht ausreichend gegeben waren wurde daher mehr getanzt bzw. anders getanzt als in Kulturen in denen sich die Bedeutung des Tanzes verändert hat. Z.B. weil die Bedeutung der Geschichtsvermittlung von Bücher übernommen wurden, aber die soziale Kompenente der Partnerfindung in den Vordergrund gerückt ist. Oder das populäre Beispiel Capoeira: ein Tanz geboren aus der sozialen Realität der Sklaven in Brasilien.

Mit meiner Aussage wollte ich übrigens nicht sagen, dass sich solche kulturellen Formen - der sog. Überbau - nicht auch im Laufe der Geschichte verselbstständigen. Die Grundlage ist jedoch immer materiell.
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Beitrag von illith » 17. Jul 2017 03:59

hast du ein paar Beispiele?

(und dass da besonders viel getanzt wird, wo es keine richtige Schrift oder Bücher gab, überzeugt mich jetzt auch noch nicht so richtig)
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