Fatshaming, Adipositas-Epidemie & Empowerment

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illith
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Fatshaming, Adipositas-Epidemie & Empowerment

Beitrag von illith » 21. Okt 2018 17:45

ich hätte gerne mal eine *zivilisierte* und rücksichtsvolle Diskussion zu dem Thema.

zu meiner eigenen Unkomfortabilität konnte ich meine Meinung zu dem Thema in den letzten Jahren nicht aufrecht erhalten.
jetzt bin ich seit einer Weile dabei zu versuchen, das für mich auseinanderzuklamüsern.

dass Übergewicht, auch wenig dramatisches, ein großer gesundheitlicher Risikofaktor ist, war für mich eine Erkenntnis, mit der ich mich erstmal mühsam arrangieren musste. (siehe zB hier )
aber bei der Thematik hängt ja noch ein ganzer Megarattenschwanz an allem möglichen dran.
nur weil irgendwas gesundheitsschädlich ist, gibt ja zB noch niemandem das Recht, da irgendwen ungefragt zu belabern, zu beratschlagen oder gar Vorwürfe zu machen. wenn jemand sich entscheidet, einen wie auch immer gearteten gesundheitssuoptimalen Lebensstil zu verfolgen, ist das einzig und allein deren Angelegenheit (und mit dem Thema der belasteten Krankenkassen braucht mir auch echt niemand kommen. das nennt sich Solidargemeinschaft. und wenn ich nur gucke, wie ich oder die Leute aus meinem Umfeld bereits die Krankenkassen belastet haben durch sportbedingten Verschleiß oder Verletzungen....)

was mich aber erwischt hat: irgendwo auf FB kam mal der Hinweis, dass sich bei der Darstellung von "Magermodels" aufgeregt wird (auch von mir), aber entsprechende Bilder von dicken Frauen von vielen als empowernd dargestellt werden. den Widerspruch zB konnte ich bislang für mich nicht auflösen. höchstens ein bisschen dahingehend, dass dieses Dünn-Ideal das ist, was aktuell von Frauen und Mädchen erwartet wird und das ja auch eine bestimmte "Funktion" hat (keinen Raum einnehmen, schwach und zart sein usw.) - und Dicksein dem praktisch genau zuwiderläuft. aber das ist ja auch nur begrenzt ein rationales Argument, vor allem, wenn das auch dazu führt, dass man (frau) sich selber schadet. sich körperlich Gutes zu tun bzw. der eigenen körperlichen Gesundheit zuzuarbeiten gehört für mich grundsätzlich nämlich auch zum Selfcare-Konzept. (und Selfcare ist Empowerment)

auch ein total interessantes Feld ist das Thema Health & Food Politics, wenn man Rassismus und Classism mit beleuchtet. (vor allem auch in den USA zB hinsichtlich der Black Community)

ach ich weiß auch nicht.

bei der Body/Fatpositivity-Community find ich teils echt nervig, dass da jedwedes Ansprechen von gesundheitlich nachteiligen Aspekten von Übergewicht (egal in welchem Rahmen und welchem Ton) oft völlig tabuisiert ist und als Bodyshaming dismisst wird.
bei der Gegenseitie find ichs wiederum wie gesagt völlig untragbar, Leute in 'ihren Körper' reinzureden, teils auch mit mega condescending Ton.

ideal wäre in meinen Augen, wenn jede*r educated choices für sich selbst treffen könnte.
das würde zB voraussetzen, dass man über Risiken Schlechter Ernährung informiert ist und umgekehrt aufgeklärt ist, wie Gute Ernährung aussieht - UND dass die jedem zugänglich ist.
aber auch Reglementierungen bzgl. Werbung für industrielle Food Items - besonders für Kinder! - würde das mM voraussetzen. weil - wie kann man ernsthaft sich darüber entrüsten, dass Übergewicht immer weiter voranschreitet, wenn in der Lebensmittelindustrie mit Hilfe von *PsychologInnen* Lebensmittel *designt* werden (plus eben das ganze Marketing noch hintendran) - so dass man da kaum eine Chance gegen hat?!
/super-rant

...was denkt ihr so?^^
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Lee
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Beitrag von Lee » 21. Okt 2018 18:08

Also erstmal ist spätestens nach deinem Post klar, dass das megakompliziert ist.

Ich selbst war bei gleicher Körpergröße von 1,87 schon 57kg und 103kg schwer, (ich weiß es nicht mehr ganz genau aber über hundert und unter 60) wurde also schon angeredet weil ich zu dünn und weil ich zu dick war.

Wenn man dünn ist, meinen erfahrungsgemäß viel mehr Leute es sei ok Bodyshaming zu betreiben und einem sagen zu müssen, dass man scheiße aussieht. Dass das gemein ist wenn man dick ist, scheint viel mehr Leuten klar zu sein.

Trotz Solidargemeinschaft, der ich schade wenn ich ungesund lebe, find ich, dass das niemanden irgendwas angeht wie dick oder dünn ich bin.

Meiner Meinung nach geht der Trend eher zu schlank, muskulös und riesen Kurven bei Frauen (booty) und schlank und muskulös bei Männern.

Klar ist das schlecht Wenn die Medien ein ungesundes/sehr schwer erreichbares Körperbild vorgeben. Wenn man aber nur das blamed und übergewichtig sein als empowerend ansieht, führt das meiner Meinung nach dazu, dass die Leute weiterhin finden es sei ok dünne anzufucken.

Und das find ich eeh schon viel zu sehr... wurde als sehr Dünner mal von ner dicken Kollegin gebodyshamed und ich wusste ich konnte nicht gegenhalten, dass sie zu schwer sei, weil das als politisch inkorrekt empfunden wird.
Muh!

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Vampy
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Beitrag von Vampy » 21. Okt 2018 18:39

ich weiß nicht ob ich bei dem thema ziviliziert bleiben kann... für mich ist das auch ein mega-aufreger, also bodyshaming generell. der unterschied zwischen skinny- und fatshaming ist, dass dünne meistens gewollt dünn sind, bei dicken (ich geh jetzt mal von aus man darf wertfrei einfach dick und dünn sagen?) ist es eher so, dass sie eigentlich gerne dünner wären, aber halt das essen dazwischensteht. manche kaschieren das mit plakativem ich-find-mich-genau-so-richtig, bei manchen mag es auch zutreffen, einigen wird es egal sein aber eine (mein eindruck: die überwiegende) menge wären halt gern dünner.
und die die behaupten, sie wären "genau richtig" -als ob es irgendjmd gäbe, der exakt die figur hat, die er sich wünscht - irgendwas ist doch immer: hintern zu lasch, schultern zu breit, oberschenkel zu dick, busen zu klein... von daher find ich diese bodypositivity-bewegung oft scheinheilig. man sollte sich so akzeptieren wie man ist, aber immer an sich arbeiten. sowohol psychisch als auch physisch.

bei dem gesundheitsaspekt kommts sowieso erstmal drauf an: ist es wirklich gesundheitlich nachteiliges übergewicht? das meiste was als übergewicht gilt, ist eher ein optisches ding. hat man bei 10kg mehr drauf wirklich gesundheitliche nachteile? ich glaube das fängt erst bei massivem übergewicht an.
ansonsten seh ich das wie du: jeder hat das recht auf unvernunft, und da werden viele leider übergriffig. ist aber nicht nur beim body so; wie oft muss ich mir anhören wie schädlich rauchen ist, und vegan=mangelernährt kennen wir glaub ich alle.

ich finds bisi zu kurz gedacht, alles auf die böse lebensmittelindustrie zu schieben. die setzen es natürlich drauf an, aber bei manchen "verbraucherschutz"skandalmeldungen denkt man sich echt man hätte es mit einer masse grenzdebiler vollidioten zu tun - zb wenn es keine vegane wurst geben darf weil verbrauchertäuschung oder wenn die lebensmittelampel gefordert wird, wo doch jeder die nährwerte lesen kann. genauso wie der zuckergehalt moniert wird - ja guck halt mal auf die nährwertangaben, wenns dir wichtig ist: da stehts. da seh ich die verantwortung beim einzelnen - könnte man fördern durch ernährungsunterricht und mehr aufklärung, aber letztlich schiebt sich jeder doch selbst den schokoriegel erst in die einkaufstüte und dann in die mundluke.
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Sabotagehase
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Beitrag von Sabotagehase » 21. Okt 2018 20:40

Ist es nicht relevanter, herauszubekommen, welche Mechanismen Menschen zu idealorierten Sterotypen treiben? Dene Fatshaming gehört zum selben Phänomen wie Dünne anzupöbeln.... Das wäre meine Perspektive, auch wenn sie vlt, etwas naiv wirken mag und in der Umsetzung sicherlich keine sinvolle "Strategie". Im Prinzip wäre das Ideal doch, dass jede Person zu dem Aussehen käme, was individuell gewünscht ist und nicht von der Gesellschaft, Faktoren wie Gene etc. mal beiseite. So ist doch jede Form von Bodyshaming gleich scheiße, nur durch den drezeitigen Trend Gut=Dünn und der Antibewegung die dann vereinzelt etwas (aus meiner sicht) übertreibt wird das nicht geändert.... Ist halt die Frage wie das geschafft werden kann. Ich muss bei der Debatte immer an den Stereotyp, "eine gute Feministin rasiert sich nicht" denken, was natürlich völliger blödsinn ist. Es geht ja im prinzip nur um Emanzipation, und die betrifft jeden Einzelnen, da hat niemand reinzufunken, egal mit was.
"Bewegungen" sind da dann immer etwas gefährlich, weil die objektivität darunter leidet, wie beim Beispiel dass dick sein aus gesundheitlichen Perspektiven garnicht mehr bemängelt werden dürfe etc.
Da sollte einfach wissenschaftlich rangegangen werden und wenn man da anfinge würde die Debatte sicher anders verlaufen. Vermutlich haben die meisten "Shamer" aber eh keine Ahnung vom Körper ihres "Opfers".
Auch das Gesundheitsgeschwurbel allgemein... da wird sich einfach zu schnell auf ein offensichtliches Merkmal (dick/dünn) eingeschossen, mehr auch nicht. Jede ungesunde Lebensweise von der die anklagende Person nichts weiß, wird ignoriert, der körperliche Umfang ist halt auch leider schwer zu verbergen. Und mal grundsätzlich: die Fälle, in denen gut bemuskelte ("schöne") Männer in fortschreitendem Alter über Gelenkprobleme klagen, sind häufig genug, um das Ästetische Ideal nicht mit "Gesundheit" gleichsetzen zu können... nur als Beispiel , gibt da ja mehr...
Ich hab da zugegeben mit sehr vielen Ami-Lösungen meine Probleme, kann aber auch sein dass ich da etwas andes Sozialisiert bin, hier funktioniert die Gesellschaft ja dann doch ein wenig anders...

Auch das mit der Bodypositivity ist schwer:
Wenn man sich in seinem Körper wirklich nicht wohl fühlt, muss man sich dann sagen, es ist die Gesellsdchaft, oder wäre man auch ohne diese Ideale in eigenem Ermessen perfekt? Das ist eine Frage die in der derzeitigen Bewertungskultur von Körpern einfach nicht zu beantworten sein kann... Ich habe dafür (für mich) noch keine Antwort gefunden.

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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 22. Okt 2018 00:15

Leethebeast hat geschrieben:Wenn man dünn ist, meinen erfahrungsgemäß viel mehr Leute es sei ok Bodyshaming zu betreiben und einem sagen zu müssen, dass man scheiße aussieht. Dass das gemein ist wenn man dick ist, scheint viel mehr Leuten klar zu sein.
zeigt sich übrigens interessanterweise schon an den jeweiligen Worten. dem Wort "dick" haftet schon per se etwas Negatives an (was eigentlich totaler Unsinn ist (bzw. wäre?). denn es handelt sich eigentlich lediglich um das Gegenteil von "dünn")
Vampy hat geschrieben:bei dem gesundheitsaspekt kommts sowieso erstmal drauf an: ist es wirklich gesundheitlich nachteiliges übergewicht? das meiste was als übergewicht gilt, ist eher ein optisches ding. hat man bei 10kg mehr drauf wirklich gesundheitliche nachteile? ich glaube das fängt erst bei massivem übergewicht an.
deswegen hat ill doch diesen Artikel verlinkt. das ist scheinbar/offenbar eine Fehlannahme.

Sabotagehase hat geschrieben:Das ist eine Frage die in der derzeitigen Bewertungskultur von Körpern einfach nicht zu beantworten sein kann...
*unterschreib*
Man hat jeden Tag die Chance die bestmögliche Version von sich selbst zu sein. ♥

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Ars
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Beitrag von Ars » 22. Okt 2018 09:08

Ich habe grosse Probleme mit der Fatpositivity-Bewegung. Ich bin davon überzeugt, dass ein grosser Teil der Menschen dort - weil sie sich nicht wohl gefühlt haben - x mal versucht haben abzunehmen und nun einfach aufgegeben haben. Wenn Dicksein positiv ist, dann sind meine Probleme ja gelöst, dann kann ich ja essen was ich will und wann ich will und muss mein Problem nicht angehen. Es ist sozusagen die Aufgabe und nur die Wenigsten werden sich wirklich wohl fühlen. Man fühlt sich nicht wohl, wenn man 1 Treppe hochsteigt und kaum mehr Luft kriegt; es ist nicht super, wenn man sich die Schuhe nicht mehr binden oder den Hintern nicht mehr sauber wischen kann. Das sind drei kleine Beispiele von sehr vielen Dingen, die einen einschränken. Vieles fällt einem gar nicht mehr auf, weshalb man es auch nicht als schlimm empfindet. Man weiss ja gar nicht mehr, wie es ist, einfach beim Einkaufen durch den Laden zu laufen, ohne dass es sich anfühlt, als wäre es ein Marathon. Man nimmt nicht von einem Tag auf den anderen zu, sondern es ist ein schleichender Prozess, wo man immer mehr Dinge aufgibt und nur im ehrlichen Rückblick sieht, was man nicht mehr tun kann, im Vergleich zu vorher.

Zu dick zu sein, ist auch viel mehr okay, als zu dünn zu sein. Weshalb es diesen Unterschied gibt zwischen den verschiedenen Essstörungen weiss ich nicht. Ein Mensch der ständiger dicker wird, sieht vielleicht einfach weniger krank aus auf den ersten Blick, wie jemand der ständig an Gewicht verliert? Oder es ist ein Art Tradierung wie bei Alkohol und Zigaretten. Alkohol wird einem nachgeschmissen und man muss schon schauen, wie man zu einem nicht alkoholischen Getränk kommt, während niemand auf die Idee käme mit Kippen durch eine Party zu laufen und jeden zu fragen: "willst du noch eine"? So oder so scheint es massive Unterschiede zu geben in der Wahrnehmung der Leute, was man spätestens mitbekommt, wenn man abnimmt. Man wird gefeiert dafür - ja für was: dafür, dass man sich endlich am Riemen reisst und das tut, was andere Menschen schon lange können "angemessene Kalorienanzahl aufzunehmen". Wenn man einiges abgenommen hat, aber noch weit im Übergewicht drin ist, kommen die ersten Mahnungen: "aber nicht, dass du noch auseinanderfällst" oder "pass bloss auf, dass du nicht zu dünn wirst".

Die Frage ist also eigentlich nicht eine Frage ob skinny/fat-shaming, sondern: wollen wir andere Menschen darauf ansprechen, dass man merkt, dass es ihnen nicht super geht/sie ein Problem zu haben scheinen und ob man da irgendwie etwas beitragen könnte oder ist das etwas, was wir bei anderen Menschen nicht ansprechen. Ich spreche das meist auch nicht an, ausser es betrifft Menschen, die mir sehr nahe stehen. Daneben hast du natürlich recht, dass der Scheiss, den wir angeboten bekommen an Fertigprodukten, einem manchmal echt die Haare aufstehen lässt. Hauptsache überall steht light/natural oder was auch immer drauf. Egal wie lange die Liste der Zusatzstoffe, wie viel Fett oder Zucker drin ist. Über den Mangel an Fähigkeiten zu kochen oder sich zu informieren, beschwere ich mich nicht. Da finde ich, hat jede/-r seinen/ihren Job selber zu machen, sich und seinen Kindern gegenüber. Da können wir nichts delegieren.

Sabotagehase
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Beitrag von Sabotagehase » 22. Okt 2018 09:29

Naja..
das ist eben die Frage: wirkliche Zufriedenheit ist schwer nachweisbar, das mit der Gesellschaftlichen Akzeptanz für dick oder dünn führte ich ja schon aus.

Ars, bedenke dass dick/dünn sein nicht nur vom Essen abhängt, kann auch sein dass du das absichtlich ausgelassen hast, wollte es aber trotzdem anmerken. Ich hab zb verwandschaft, 4 Geschwister, die älteste normal, die zweite recht dick, dritte sehr dünn. Die zweite isst garantiert nicht mehr als die anderen, eher weniger. Familiär ist es da acuh sichtbar, wohre es kommt. Gene, Schilddrüsendysfunktionen, Hormone.....

Da sehe ich mittlerweile einen unterschied zwischen dem Anmerken eines Ungesunden Lebensstils und "Shaming". Shamig bezieht sich auf Scham. Warum sollte sich eine person für die Folge eines ungesunden Lebesstils schämen müssen? Oder gar ihres natürlichen, schwer zu verändernden Körper? Das hilft doch selten weiter. Ich denke auch, sich selbst akzeptieren zu können, egal wie man aussieht, muss nicht heißen, dass man sich nicht auch veränder möchte. Kp ob man das jetzt versteht, ich finde nut Scham, was die Gesellschaft mit dem Verteidigen ihrer Normen nunmal bei den Leuten verursacht, keine wirklich Sinvolle antriebskraft ist, die Umstände zu ändern. Außerdem fängt Bodyshaming schon in bereichen an, wo es absolut nicht um gesund oder ungesund gehen kann. Eine Bekannte von mir war auf einer Schule, da wurden die gezwungen das Mensaessen zu nehmen, weil die Magersuchtsrate so hoch war. Man kann diese Methode jetzt sicher hinterfragen, was aber das Problem war: Normalgewichtige Leute wurden gehänselt. Dass das Ganze da natürlich krankhaft war, ist mir klar, aber istauch nur ein extrembeispiel. Erfahrungsgemäß ist es aber trotzdem so, dass die leute mit der Traumfigur eher Freunde finden und die die nur ein kleines bisschen zu dick sind doof angeschaut werden. Mir fällt hier gerade auf, dass meiner erfahrung nach hier der lowlevelige bereich der zu Dünn seins noch ignoriert wird, denke dass zumindest da noch das verquere Schönheitsideal die Diskussion verschiedbt.
Ich wurde zb auch als Fett bezeichnet, liebe im normalen Bereich, bin sportlich,,,, na toll......
Vlt hab ich aber auch eine andere Sichtweise auf das wort "Scham", existiert in meinem Sprachgebrauch recht selten bis garnicht, finde aber dass man eigentlich allgemein festhalten kann, dass DAS das Problem des Bodyshaming ist. Niemand soll sich schämen müssen. Ein wohlwollender Tipp bezüglich ungesunder Lebensweisen im vertraulichen Ramen ist dann ja eigentlich kein problem, solange darauf geachtet wird, dass man nicht grenzüberschreitend wird (natürlich ein Drahtseilakt.....)

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Ars
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Beitrag von Ars » 22. Okt 2018 10:09

Ich gebe dir recht, dass niemand sich schämen muss/sollte, dafür wie er aussieht. Andere haben über das Aussehen nicht zu urteilen *Punkt*. Aber "verurteilen" und ein Problem ansprechen ist auch nicht das Selbe und ich rede vom Letzteren. Und ja, Zufriedenheit ist natürlich schwer nachweisbar. Trotzdem bin ich zu 100 % sicher, dass nur ganz, ganz wenig übergewichtige Menschen, die noch zu erfindende Pille "nimm mich und du bist morgen ohne Aufwand schlank" nicht nehmen würden. Und zwar nicht, weil sie sich nicht hübsch finden würden, sondern weil das Leben eine andere Qualität hat, wenn die Körperfülle nicht definiert, was man kann/nicht kann.

Das was ich bei der Fett-ist-super-Bewegung speziell in den USA wahrgenommen habe, hat nichts mit diesem grundsätzlichen Recht zu tun, nicht niedergemacht zu werden, weil man anders aussieht. Daran wird es aufgehängt, aber es geht da teilweise mehr um ein regelrechtes Feiern vom Dicksein. Und da gibt es einfach nichts zu feiern. Das ist absurd, nach allem was ich selber erfahren habe. Das ist in meinen Augen die Kapitulation vor dem Problem.

Ja, Gene haben einen Einfluss und auch Hormone. Sie machen es einem schwerer, ja. Man muss die Schilddrüsenhormone vielleicht richtig einstellen. Man darf sich dann vielleicht das eine Tortenstück mehr nicht erlauben oder man hat wirklich Mühe und nimmt vielleicht einige wenige Kilos zu. Aber sie führen nicht dazu, dass man 30kg+ Übergewicht hat und da jedes Jahr noch 2 kg drauf kommen.

Meine eine Tochter ist sehr dünn, die andere kämpft eher damit, dass sie nicht ins Übergewicht fällt. Die schlanke Tochter isst viel und häufig. Sie futtert ständig an Tomaten und Gurken rum, sie isst Mikrowellenpopcorn, sie hat Tage wo sie reinschiebt, da denkt man es gibt kein Morgen, während sie an anderen Tagen kaum etwas isst. Das, was sie isst, hat eine kleine Energiedichte und man hat das Gefühl, sie isst viel, weil man sie ständig knabbern sieht. Die andere Tochter hat meine Gene geerbt und kämpft eher mit dem Gewicht. Sie schaut immer mal wieder, aber sie kauft sich zwischendurch auch einfach mal etwas Süsses. Da hat ein kleines Törtchen von 80 Gramm dann auch schon mal 400 Kalorien. Wer hat jetzt mehr gegessen? Die, die den ganzen Tag an Gurken rumkaut und ständig isst, oder die, die ein kleines Küchlein von 80 Gramm isst? Kurz gesagt: nach meiner ganz persönlichen Erfahrung kann man nicht beurteilen von Aussen, wie viel ein Mensch isst, ausser man ist mit ihm 24 Stunden zusammen. Vielen Leuten geht auch erst dann ein Licht auf, wenn sie mal über einen längeren Zeitpunkt tracken, was sie essen. Dann taucht die Handvoll Nüsse, die man sich eben noch reingeschoben hat und die man schon gar nicht als "Essen" wahrnimmt, plötzlich mit einer massiven Kalorienanzahl auf. Und mir haben einige Menschen nachdem sie abgenommen haben gesagt, dass ihnen gar nicht klar war, wie viel sie gegessen haben.

Deshalb: es geht gar nicht, dass man andere Menschen niedermacht, weil sie dick/dünn sind oder anders aussehen. Aber wenn man kaum etwas isst oder viel zu viel, hat man ein Problem. So zu tun, als würde das Problem nicht existieren oder das Problem als schön zu feiern, hilft in meinen Augen nicht dabei, das Problem anzugehen. Und das ist letztlich die Gratwanderung.

Sabotagehase
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Beitrag von Sabotagehase » 22. Okt 2018 11:17

Zu deinem ersten Punkt: Ja

Wie gesagt, ich habmich mit vielem Amizeug nicht bis ganz in die Tiefe befasst, finde abr das was ich kenne manchmal etwas befremdlich, naja.

3. Punkt: das stimmt, allerdings ging ich hier nur von "dick sein" aus... und 30kg+ kann man durchaus drauf haben, ist dann oft wasser und kein fett, von außen ist das aber acuh manchmal schwer zu unterscheiden. diese leute leiden auch unter dem problem

4. Punkt: ich kenne die leute wirklich. Das ist da wirklich erblich. Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass es "eher dicke" Menschen gibt und "eher dünne"? Egal aus welchen gründen, Stoffwechsel sind verschieden... ich will nicht behaupten dass der großteil der wirklich "krankhaft" adipösen personen NUR unter diesem Problem leidet, allerdings fallen genetisch vorgeprägte personen schon in den "Shaming"-bereich und deshalb wollte ich es zumindest ansprechen.

Probleme muss man ansprechen können, Gratwanderung, wie gesagt. Aber das ist, meiner Mweinung nach, doch das Ziel: eine Gesellschaft, in der sich keiner für so etwas schämen muss, in der aus "solidarischen" Gründen Probleme angesprochen werden. Und das muss eben eine Shamingfreie Gesellschaft sein, sonst ist der Ärger vorproggramiert. Deshalb versuche ich ja die ganze zeit die Gesundheitsebene von der Shamingebene zu trennen, es sind zwei Aspekte die vermengt werden können, ich halte es allerdings für fatal

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somebody
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Beitrag von somebody » 22. Okt 2018 14:47

illith hat geschrieben:Übergewicht, auch wenig dramatisches, ein großer gesundheitlicher Risikofaktor ist
illith, jein. Wo das Übergewicht steckt & in welchem Umfang der betreffende Mensch körperlich aktiv ist, spielen zB wesentliche Rollen. Ein Mensch mit 10 kg mehr Bauchfett als der Durchschnittsmensch hat erheblich höheres vorzeitiges Ablebensrisiko als ein Mensch mit 10 kg mehr Muskeln (durch körperliche Aktivitäten entstanden) & Knochen im Vergleich zum Durchschnittsmenschen. Ein täglich körperlich aktiver (Arbeit, Gehen/Laufen, Fitnessstudio ...) Mensch mit 10 kg Übergewicht hat erheblich geringeres vorzeitiges Ablebensrisiko als ein auch außerhalb des Arbeitsplatzes körperlich inaktiver Büromensch mit 10 kg Übergewicht.
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