Gewissen, Moral & Guter-Mensch-Sein

[illith]

anlässlich Kims Post bzgl. Altenheim:

sehen überwiegend fast alle Menschen sich als "gut" (und drehen sich unmoralisches Handeln irgendwie hin?)
und die, die das nicht tun - wie rechtfertigen die das wiederum vor sich selber?

ich denke da zB an Vergehen an Opfern, die eindeutig nichts dafür können und absolut unterlegen sind - sei es Abzockmaschen gezielt bei RentnerInnen oder Gewalt gegen Kleinstkinder oder Bully-Action gegen rangniedrigste SchulkameradInnen.
was geht da in den Köpfen der TäterInnen vor? schaffen die es auch noch, es sich irgendwie hinzubiegen (iSv dass die Opfer es auf eine Art doch verdient hätten)? oder fehlt manchen Menschen einfach ein Unrechtsbewusstsein und eine basic Empathieausstattung? (angeboren? sozialisiert?)

ich hab vor längerem mal eine Doku gesehen, wo die mit versteckter Kamera getestet haben, wer die Kassiererin darauf aufmerksam macht, wenn die 10€ zu viel rausgegeben hat. und wie das kommt, dass manche KundInnen da extra noch vom Parkplatz wieder reingelaufen kommen - und andere Menschen gezielt und eiskalt andere Menschen abzocken. leider hab ich mich mal wieder ablenken lassen und den Ausgang verpasst

was wisst/denkt ihr darüber?

[Teil-c/p von einem älteren FB-Thread]

[Kim Sun Woo]

ich vermute, sich selbst als "schlecht" empfinden sich tatsächlich nur die allerwenigsten Menschen (halt so richtig "gestörte"). üblicher sind, genau genommen ja sogar wahrscheinlich allen NutzerInnen hier, Rechtfertigungen mit Sachgründen*.

der Tenor von "du mußt ein Schwein sein in dieser Welt" ist ja, zumindest meiner Erfahrung nicht "und das ist gut so". sondern eher "leider mußt du ein Schwein sein" (aber man bemerke dennoch das "muß", als wäre es ohne Alternativen).


* wir tun ja allesamt Dinge, die irgendwie nicht "okay" sind (unabhängig davon, welche das nun konkret sind).... aber wir machen die halt trotzdem und relativieren/rationalisieren das.

[Sphinkter]

Ich denke, dass schon jeder von sich meint ein guter Mensch zu sein. Der andere war halt ein Arschloch/Opfer oder man selbst hatte ja keine Wahl, weil man im Leben immer benachteiligt oder provoziert wurde, musste man dem Opfer das Smartphone wegnehmen oder dem anderen in die Fresse hauen...selbst schuld.
Im Kern ist er aber trotzdem ein super Kerl, würde ihm sein Kumpel attestieren, während er wegen Mord im Knast sitzt.

[Murphy]

Gute Menschen empfinden sich häufig oder häufiger als schlechte Menschen, weil der moralische Kompass intakt ist und eigene Fehler oder Nachlässigkeiten erkannt werden.

[Sphinkter]

Donald Trump meint sicher auch ein guter Mensch zu sein.

[Akayi]

sehen überwiegend fast alle Menschen sich als "gut" (und drehen sich unmoralisches Handeln irgendwie hin?)
und die, die das nicht tun - wie rechtfertigen die das wiederum vor sich selber?

Ich denke nicht dass alle Menschen diesen Anspruch an sich haben. Kindern wird ja schon früh beigebracht sich in der Konkurrenz zu definieren und dass sich der/die Bessere eben durchsetzt. Dann muss ma eben schauen dass man selbst der Bessere ist bzw. sich so sieht. Ich denke in Konsequenz kann daraus kann sehr viel entspringen: "ich habe das (eigentlich) verdient, weil ich besser bin". "Wenn ich die Situation nicht ausnutze tut es jemand anderes" usw. um bestimmtes Verhalten zu rechtfertigen.

[Kim Sun Woo]

auf jeden Fall. aber das wird dann doch dennoch nicht als moralisch negativ bewertet, sondern dient ebenfalls der Rechtfertigung.

also sowas hier "und dass sich der/die Bessere eben durchsetzt" meine ich. das hat ja ebenfalls, siehe mein Beispiel, etwas von "so ist das eben, da kann man nichts machen".

[Akayi]

Das Ding ist, das ist die herrschende Moral der bürgerlichen Gesellschaft. Im Erfolg bemisst sich ob jemand "gut" ist bzw. handelt oder nicht.

[Kim Sun Woo]

da würde ich widersprechen. es gibt auch innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft gewisse Spielregeln - und wirtschaftlicher Erfolg durch offenkundige Kriminalität gilt gemeinhin nicht als "gut", "erstrebenswert" usw.

(zumindest als alleiniger Gradmesser unabhängig von allen anderen Faktoren fungiert "Erfolg" also auch nicht)

[Akayi]

Natürlich gilt da ein "don't get caught", aber auch das ist ja nicht mehr so wichtig, wenn wir uns z.B. Amthor anschauen oder Tönnies etc.