Martin Luther – Reformator oder Hassprediger?

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das Berteltier
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Beitrag von das Berteltier » 16. Feb 2022 19:44

Betreffs der 12 Artikel der Bauernschaft kann ich nichts "böses" darin finden.
Zwölf Artikel
Dass Luther sich auf die Seite der Herrschenden schlug war wohl politisches Kalkül, oder er sah das "niedere Volk" wirklich so abfällig.
Jedenfalls war ihm "seine" Reformation wichtiger als soziale Gerechtigkeit, so distanzierte er sich ja auch schon früh von Thomas Müntzer. Irgendwie passt das auch zu Luthers späteren Hasstiraden auf die Niederen. Er verkehrte auch nicht in "diesen Kreisen".
Ich betrachte die Schoah als das größte jemals begangene Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.
Jegliche Leugnung, Verharmlosung oder Relativierung des Holocaust, auch bezogen auf andere Minderheiten wie z. B. die der Sinti und Roma, lehne ich ab.

hansel
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Beitrag von hansel » 16. Feb 2022 20:52

das Berteltier hat geschrieben:
16. Feb 2022 19:44

Dass Luther sich auf die Seite der Herrschenden schlug war wohl politisches Kalkül, oder er sah das "niedere Volk" wirklich so abfällig.
Jedenfalls war ihm "seine" Reformation wichtiger als soziale Gerechtigkeit, so distanzierte er sich ja auch schon früh von Thomas Müntzer. Irgendwie passt das auch zu Luthers späteren Hasstiraden auf die Niederen. Er verkehrte auch nicht in "diesen Kreisen".
Natürlich war ihm die Reformation der Kirche wichtiger als soziale Gerechtigkeit. Er war eben kein Sozialrevolutionär, sondern ein Priester seiner Zeit, der (mit Ausnahme der Amtskirche) in einer gottgewollten Ordnung lebte, in der jedes und jeder seinen Platz hatte. "Hasstiraden auf Niedere" ist erstmal Quatsch, sonst hätte er sich nicht bei dem Adel für die Bauern verwendet.
Als diese aber mit blutiger Gewalt die gottgewollte Ordnung umstoßen wollten, hatte er kein Verständnis dafür. Er war eben ein konservativer Mann des Mittelalters.
Heutige Maßstäbe an ihn anlegen zu wollen, ist einfach nur schräg.
und wäre einem Historiker nicht eingefallen.

Aber das "Hassprediger" - Pamphlet ist ja auch nicht von Historikern, sondern vom "Humanistischen Pressedienst", der seinem antitheistischen Lebenszweck damit nachkommen will.

das Berteltier
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Beitrag von das Berteltier » 18. Feb 2022 11:01

hansel hat geschrieben:
16. Feb 2022 20:52
Aber das "Hassprediger" - Pamphlet ist ja auch nicht von Historikern, sondern vom "Humanistischen Pressedienst", der seinem antitheistischen Lebenszweck damit nachkommen will.
Ok, dann ziTiere ich einen Historiker und zwar Trond Berg Eriksen
im Buch Judenhass schreibt er im Kapitel 9, Seite 107 ff:
[...] Es gibt bei Luther keine Andeutung der Forderung nach Massenmord. Er war jedoch offensichtlich eine starke judenfeindliche Stimme inmitten der deutschen, religiösen Tradition und trug dazu bei, den Antisemitismus >>stubenrein<< zu machen. [...]
Besonders gegen Ende seines Wirkens wurde der Ton schärfer, und die Judenfrage war offensichtlich ein wunder Punkt für den Reformator. Die Schrift Von den Juden und ihren Lügen (1543) ist eine Wiederholung und Zusammenfassung fast aller Motive, die bisher im religiös motivierten Judenhass Verwendung fanden. [es folgt eine Aufzählung von Beschuldigungen ...] Die Juden seien eine Pest und eine schwere Bürde. Ein Beweis dafür sei ihre Vertreibung aus Frankreich, Spanien und Böhmen.
Luther verwendete also die vergangenen Verfolgungen, um neue Verfolgungen zu rechtfertigen. [es folgen weitere wüste Beschimpfungen und Angriffe.]
[...]
Luther hob die antisemitische Polemik auf ein rhetorisches Niveau, eine Intensität und pathologische Erfindungsgabe, die später von niemandem wieder erreicht wurde. Melanchton schämte sich für ihn und Zwingli meinte, Luthers Tiraden passten besser zu einem Schweinehirten als zu einem Seelenhirten. Es muss eingeräumt werden, dass man in der kompletten westlichen Geistesgeschichte vergeblich nach einer hässlicheren, menschenverachtenderen Sprache sucht. [...] Luthers Texte sind so unchristlich, dass sie zu lesen sich beinahe wie eine Bußhandlung anfühlt.
Zu der Annahme, Luther habe früher eher eine positive Sicht auf die Juden gehabt, schreibt er auf S. 109:
Der Ton des frühen Luther war ein komplett anderer. "Wäre ich ein Jude", sagte er 1523, "wäre ich lieber ein Schwein geworden als ein Christ zu werden - wenn man bedenkt, wie die Christen die Juden behandelt haben." Absicht der Schrift Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei warnicht, die Juden zu verteidigen, sondern auf die Anklage der katholischen Kirche zu reagieren, dass Luther selbst mehr Jude als Christ sei. Luther begegnete der polemischen Herausforderung, indem er in die Rolle des ausgestoßenen Juden schlüpfte. Die Assoziationen zwischen reformatorischen Schismatikern und Juden war während des gesamten 16. Jahrhunderts eine systematische Argumentationsstrategie der Kirche. In den Augen der Kirche war die Reformation ein Rückfall ins Judentum. [...]
Luthers frühe Schrift über die Juden ist wohl nicht, wie Poliakov annimmt, ein Versuch sich bei ihnen einzuschmeicheln, sondern vielmehr ein Versuch seitens Luthers, sein eigenes Schisma als eine Rückkehr zu einer authentischen historischen Wahrheit zu empfehlen. Wenn die Katholiken die Protestanten nur nicht wie Juden behandelt hätten, sondern stattdessen auf ihn gehört hätten, hätte vieles anders aussehen können. So lautet die Behauptung hinter Luthers Erklärungen. Bereits 1532 ist die unzensierte Stimme zu vernehmen: "Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams."
Kurz, Luther hat zwar den Judenhass nicht erfunden, und an Traditionen angeknüpft, jedoch hat er den Hass gesammelt und konzentriert und verbal auf die Spitze getrieben. So ist m. E. die Bezeichnung Hassprediger durchaus gerechtfertigt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass im ganzen Mittelalter und auch mit dem Beginn der Aufklärung es immer wieder mäßigende Stimmen, auch innerhalb der Kirche gab, welche sich für einen toleranteren Umgang mit den Juden einsetzten.

Tippfehler in der Abschrift der Quelle bitte ich zu entschuldigen.
Zum Buch ein Beitrag auf DLF Kultur
Ich betrachte die Schoah als das größte jemals begangene Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.
Jegliche Leugnung, Verharmlosung oder Relativierung des Holocaust, auch bezogen auf andere Minderheiten wie z. B. die der Sinti und Roma, lehne ich ab.

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