War die Kirche von Anfang an auf Machtgewinn und Kumpanei aus?

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Wunderblümchen
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War die Kirche von Anfang an auf Machtgewinn und Kumpanei aus?

Beitrag von Wunderblümchen » 28. Feb 2022 12:27

Also, sowas wie die Verarge durch Ablasshandel lässt es schon vermuten, so spontan.
:heartrain: "Nein, muss ich nicht!"

hansel
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Beitrag von hansel » 28. Feb 2022 12:59

Wunderblümchen hat geschrieben:
28. Feb 2022 12:27
Also, sowas wie die Verarge durch Ablasshandel lässt es schon vermuten, so spontan.
Danke fürs Abtrennen.
Zum Ablasshandel: Also "von Anfang an" war da sicher nichts. Erst ab dem Frühmittelalter (ca. 7.Jhdt) ergaben sich in den germanischen Regionen auf dem Grundgedanken des Wergeldes Möglichkeiten, seine Sünden durch Geldleistungen zu verringern. Dieses Geld war primär für die Armen bestimmt und gingen nicht nach Rom. Wichtiger waren aber damals persönliche Leistungen wie Wallfahrten. Für die Adligen ab ca. 1100 auch die Kreuzzüge. Pilgerfahrten blieben bis ins 14.Jhdt der Hauptweg, Heil zu erlangen. Die Unsitte des Ablasshandel kam erst zum Ende des Mittelalters im 15. Jhdt auf.
Also im frühen Christentum, das ich spätestens bis Kaiser Theodosion verorte, der 380 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion machte, gab es keinen Ablasshandel.

Tortuga
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Beitrag von Tortuga » 28. Feb 2022 13:01

Puh,
schwierige Frage. Das geht schon mal mit dem Problem los, ab wann wir eigentlich von einer christlichen Religion sprechen können oder wollen. Also: wann und wo, war eigentlich dieser 'Anfang'?
Der Übergang von der jüdischen Sekte zur christlichen Religion war fließend und dazu kommt noch, dass die ganz junge christliche Religion am Anfang eine unorganisierte 'Untergrundreligion' war, der hauptsächlich Sklaven und andere Rechtlose angehört haben. Man könnte aber durchaus sagen, dass diese Sklaven auf 'Kumpanei' aus waren - also auf einen Zusammenschluss mit anderen Sklaven, Rechtlosen und Menschen, die sich für sie eingesetzt haben. Aber Machtgewinn würde ich nicht sagen - dazu war ihre Situation zu aussichtslos und außerdem war die Hauptmotivation ja die Hoffnung auf ein besseres Jenseits. Auf ein besseres Diesseits konnten die ersten Christen eh nicht hoffen.

Und es war, auch wenn uns das heute vielleicht seltsam verkommt, anfangs eine 'Frauenreligion'. Zwar hatte die christliche Kirche den Frauen im Diesseits nichts zu bieten, aber dafür waren sie wenigstens im endlosen Jenseits gleichberechtigt. Im Gegensatz z.B. zu den alten Germanen. Weil: die tapferen Krieger sitzen bis zum Ende der Zeiten in Walhalla und saufen und die Frauen? Wie, Frauen?? Ne, Frauen nicht, die interessieren keinen...

Ich würde eher sagen: die Christen haben gut angefangen und sind dann irgendwann, irgendwo falsch abgebogen.

hansel
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Beitrag von hansel » 28. Feb 2022 13:40

Ich übertrage mal frech den Post, der zum Abbiegen dieses Faden führte.
Kann im anderen Trööt dafür gelöscht werden.

das Berteltier hat geschrieben:
↑Ich vermute ja, die Gründung der Religion des "Christentums" hatte von Anfang an Manipulation und Unterdrückung im Portfolio mit dem Ziel Reichtum und Macht zu erlangen. Ohne dieses Ziel wäre es kaum möglich gewesen aus dieser Konstruktion innerhalb einiger Jahrzehnte die Staatsreligion des damaligen Weltreiches zu erlangen. Daran will ich noch weiter forschen, die Anfänge des Christentums mit den ersten Verfolgungen von Juden und Abtrünnigen, sowie Andersgläubigen, ist eine sehr interessante Geschichte. Wenn sich das alles so bestätigt, ist das Fundament des Christentums Neid, Hass und Gier.

Nun hat das Christentum nicht nur „einige Jahrzehnte“ gebraucht, um Staatsreligion zu werden, sondern 350 Jahre.
Das Ziel Reichtum und Macht kann natürlich für keinen Menschen absolut ausgeschlossen werden, ein Religionsziel war es für Jahrhunderte nicht.
Was das Christentum damals so attraktiv machte, war die Hoffnung auf ein „besseres“ Leben nach dem Tode. Die vorwiegenden Religionen des Römischen Reiches boten da nur Trostloses: Das „Leben“ nach dem Tode war freud- und hoffnungslos und dauerte ewig. Nur wenige Philosophen meinten, dass dann „alles aus“ wäre. Selten entwickelten sich auch in Geheimkulten ein dualistisches Jenseitsdenken mit einer Hölle und einem Elysium, die Auswahl hing aber mehr von den launischen Göttern ab.
Das Christentum bot dagegen Hoffnung. Hoffnung auf ein besseres Leben im Jenseits. Und das Jenseits war nicht weit entfernt: Alle Zeichen sprachen dafür.
Paulus erwartete die Wiederkunft Christi noch zu seinen Lebzeiten.
Diese hoffnungsvolle Erwartung sprach dagegen, sich groß in der Welt einzurichten, schon gar nicht, Reichtümer anzusammeln. Etwas anderes war es, für in Not geratene Gemeindemitglieder Geld zu sammeln und für sie zu sorgen.
Interessant ist es auch, dass – anders als in vielen sonstigen Religionen – die Frau und ihre Seele im Glauben dem Mann gleichwertig war (auch wenn Paulus ausgesprochen misogyn war). Durch spätere Überlieferungen wurde die wichtige Rolle der Frauen in der frühen Kirche unterdrückt.
Die Rolle zum Staat war zweideutig: Einerseits betonte Paulus, dass auch die Obrigkeit von Gott sei (Römer 13) – was aber nicht etwa hieß, dass ein Christ am Kaiserkult teilnehmen sollte – andererseits wurde in dem Staat die Hure Babylon gesehen (Offenbarung 17, 1-6). Letzteres verhinderte zunächst eine zu enge Bindung der frühen Kirche an den Staat, der sie ja auch mind. 200 Jahre lang bis über Diokletian hinaus verfolgte.
Zu den Hierarchien in der frühen Kirche beim nächsten Mal.
(Mit Absicht beschränke ich mich auf die Hauptströmung(en) im frühen Christentum)

Wunderblümchen
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Beitrag von Wunderblümchen » 1. Mär 2022 04:50

Soviel Theorie... Studiert ihr das?
Ganz einfach gefragt: Ist nicht schon das Drohen mit der Hölle ein Machtfaktor? Macht durch Angst?
Könnte aber in früheren Zeiten auch ein Erziehungs-Tool gewesen sein, genauso wie die zehn Gebote.
Gut, nächste Frage: ab wann gibt es die Hölle im Christlichen?

Und unter Kumpanei ist auch das Vertuschen von Übergriffen wie Missbrauch zu verstehen. Und den wird es damals wie heute gegeben haben. Und vermutlich auch Homosexualität, die die Kirche nach außer hin ablehnt, was aber langsam anfängt zu bröckeln.
:heartrain: "Nein, muss ich nicht!"

hansel
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Beitrag von hansel » 1. Mär 2022 17:23

Bin im Augenblick sehr angespannt und konnte den Faden über das frühe Christentum noch nicht weiterspinnen.
Nur kurz zur Hölle: Da gab es über die Jahrhunderte verschiedene Ansichten und Ausmalungen. Auch wann und wer in die Hölle kommt und was es mit dem Fegefeuer davor (das ja nur für Katholiken gilt) auf sich hat.
Sicher sind die zehn Gebote ein "Erziehungstool", aber irgendwie müssen doch Moralvorstellungen mal niedergeschrieben werden. Entweder positiv (Du sollst (nicht)) wie bei uns oder als negatives Sündenbekenntnis (Ich habe nicht..) wie im ägyptischen Totenbuch.
Auf unser StGB kann ja auch schlecht verzichtet werden. Das als "Machtfaktor" abzuwerten, ist etwas seltsam.
Nochmal zur Hölle: Nach heutigem Glauben ist die Hölle vor allem die Abwesenheit von Gott und nähert sich damit wieder der absoluten Trostlosigkeit in der griechischen und germanischen Unterwelt an.
Auf die früheren Höllenqualen wird heute eher verzichtet.
Übrigens: Nichtchristen, die guten Willens sind, droht auch nicht die Hölle.

Wunderblümchen
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Beitrag von Wunderblümchen » 1. Mär 2022 18:52

Den Gedanken des Erziehungs-Tool finde ich auch ok. Die zehn Gebote vermeiden auch Ärger untereinander, wenn man sie einhält. Und in Zeiten der Not kann Kirche eine Stütze und Hoffnung sein.
:heartrain: "Nein, muss ich nicht!"

hansel
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Beitrag von hansel » 2. Mär 2022 04:58

Ich möchte noch anmerken, dass sich die moderne Wissenschaft mit der Hölle und ihren Problemen beschäftigt hat:
https://philomenon.net/2010/05/ist-die- ... endotherm/

Wunderblümchen
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Beitrag von Wunderblümchen » 2. Mär 2022 07:16

@Hansel: In den Link schaue ich gleich mal rein.

Ich habe gerade die zehn Gebote mal heraus gekramt
https://www.bibel-online.net/buch/luthe ... 2_mose/20/
Was uns schon als Kinder beigebracht wurde im "Reli" Unterricht.
"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Weib, Knecht, Magd, Ochse, noch alles was dein Nächster hat. "

Alles auf Deutsch sind ja Übersetzungen eines Originals. Stand dieses Gebot im Original auch so drin? Geschrieben wurden sie zu einer anderen Zeit, ist auch klar.

Was wäre, wenn es hieße" Du sollst nicht begehren deiner Nächsten... , Mann,... Noch alles was deine Nächste hat... :devil:

OK, das schließt das Gebot denke ich mal auch nicht aus.

Zurück zur Macht. Allein der Gottesglaube birgt sie schon für die Einzelperson. Was man tun und denken darf und was nicht. Und wenn was Negatives passiert, dann glaubt man nicht genug oder betet nur nicht richtig, ehrlich und intensiv genug. Das wird zu anderen Zeiten intensivergewesen sein, und oft wird man es einfach nicht besser gewusst haben vielleicht.

Und alles was mehr Macht haben könnte, wurde verfolgt. Gesundheit durch Kräuterwissen, Erkenntnisse durch Wissenschaft, neue Erfindungen..

(und sorry für den smiley :devil:) ( :mg:)
(mea culpa, mea culpa , mea grandissima culpa)
:heartrain: "Nein, muss ich nicht!"

hansel
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Beitrag von hansel » 2. Mär 2022 09:00

Alle heiligen Bücher und viele Übermittlungen von Heiligen Männern oder Philosophen enthalten mehr oder weniger strenge Vorschläge zur Lebensführung.
Von dem (damals fortschrittlichen) "Auge um Auge", das in D meist falsch als Rache interpretiert, wird bis zum Kategorischen Imperativ Kants.
Nenne es Machtmittel - das ist eine Hausordnung auch, ebenso die StVO (§ 1).
Dass jeder Mensch solche übereinstimmenden LEITLINIEN aus Vernunft für sich findet, ist illusorisch. Allenfalls die ersten drei Gebote (Unterordnung unter Gott) könnten als Machtmittel gedeutet werden.
Der Dekalog hat eine lange Entwicklung hinter sich. Schon vom hebräischen Original gab es zwei geringfügig abweichende Fassungen ( in Exodus und Deuteronomium).
Die erste lateinische Fassung - die VULGATA - wurde um 400 von Hieronymus aus dem Hebräischen (AT) und dem Griechischen (NT) übersetzt - mit einigen Fehlern. Sie wird mit einigen Verbesserungen in der Katholischen Kirche bis heute verwendet.
Luther war nicht der erste aber der wirkmächtigste unter den vielen Übersetzern ins Deutsche, wobei er die Vulgata verwarf.
Dadurch sind auch die Zehn Gebote leicht unterschiedlich wiedergegeben, sogar etwas unterschiedlich gezählt. Weitere Anpassungen an den modernen Sprachgebrauch folgten. In England entstand (ebenfalls nach Vorläufern) um 1611 die bis heute gebräuchliche King-James-Bibel.
Und zum zehnten Gebot. Das klang im 7.Jhdt v. Chr. schriftlich niedergelegt recht ähnlich:
"du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen und du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört."

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