Nimmt der Rassismus wieder zu?

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30317
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 4. Aug 2020 10:19

Dass es in anderen Gesellschaftsformationen bereits Versuche gab eine ideologische Begründung für Herrschaft zu liefern, die sich aber vom heutigen Rassismus unterscheidet steht in keinem Widerspruch zu meinem Verständnis von Rassismus als Herrschaftsideologie und -mechanismus. Daraus abzuleiten dass Rassismus natürlich ist, in er Natur des Menschen läge usw. usf. das wäre grob verkehrt und da würde ich wie auf den Seite zuvor widersprechen.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

hansel
Beiträge: 1154
Registriert: 29.09.2016

Beitrag von hansel » 4. Aug 2020 11:07

Rassismus ist ein Extremfall der sozialen Kategorisierung. Und die gab es solange unsere schriftliche Geschichte zurückreicht.
Und sehr wahrscheinlich schon davor.
Soziale Kategorisierung führt einerseits zur Gruppenidentität und andererseits zur Gruppendiskriminierung

hansel
Beiträge: 1154
Registriert: 29.09.2016

Beitrag von hansel » 4. Aug 2020 11:16

Kim Sun Woo hat geschrieben:
12. Jul 2020 20:15
Ausschreitungen in Stuttgart: Stammbaumforschung zu Tatverdächtigen? Bartsch spricht von "Rassismus pur"
Bei den Ermittlungen zu den Vorfällen in Stuttgart will die Polizei einem Bericht zufolge auch die Stammbäume der Tatverdächtigen überprüfen lassen.

Auf nach Stuttgart. Ich brauche Hilfe. Mit eigenen Mitteln konnte ich meinen Stammbaum nur bis 1810 zurück verfolgen.

Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30317
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 4. Aug 2020 12:03

@ Hansel, nein. Aber das ist jetzt auch schon öfter dargelegt worden.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

hansel
Beiträge: 1154
Registriert: 29.09.2016

Beitrag von hansel » 5. Aug 2020 05:14

Hm,
das ist deine (Einzel-) Meinung.
Andererseits ist dieses Konzept von Gruppenbildungen und Abgrenzungen, das bis zum Rassismus führen kann (nicht muss!), überwiegend wissenschaftlich anerkannt(informiert dich mal) und wird auch so gelehrt.
Und mit dem Wissen, dass in uns (auch in dir!) diese Anlage besteht, kann man durch Erziehung und Studium z. B. dagegen ankämpfen.

Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30317
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 5. Aug 2020 09:35

Nein, das ist ein Versuch Rassismus zu verharmlosen. Wenn Rassismus nur eine Form von "sozialer Abgrenzung" ist, dann wird hier versucht der Vergleich aufzumachen Gegenwehr zu delegitimieren ("Polizeirassismus", "Sozialneid", "Rassismus gegen Weiße"). Die Funktionalität die rassistische Unterdrückung bis hin zum Völkermord, Pogromen etc. besitzen werde ausgeblendet zu Gunsten einer Sichtweise in der plötzlich alle irgendwie betroffen sind. Das ist eine bewusste Verschleierung von Macht- und Unterdrückungsmechanismen und macht es gleichsam unmöglich dagegen abseits moralischer Empörung vorzugehen. Es ist mithin rechte Propaganda. Nichts anderes.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

Mr. Kennedy
Beiträge: 755
Registriert: 19.05.2015

Beitrag von Mr. Kennedy » 5. Aug 2020 16:05

Nein, das ist deine recht eigenwillige Sicht auf die Sache, aber das habe ich jetzt auch schon mehrfach versucht zu erklären. Deine Ablehnung speist sich ja auch nicht daraus, dass du faktische Einwände vorbringen kannst (tatsächlich hast du noch nicht ein einziges Argument hervorgebracht, dass sich mit Ethnizentrismus und Bezugsgruppentheorie an sich befasst), sondern sie scheint hauptsächlich utilitaristisch motiviert. Du meinst, dass ein inhärenter Ethnozentrismus des Menschen missbraucht werden könnte, um Rassismus zu verharmlosen und "Gegenwehr zu delegimieren", obwohl das keinesfalls zwingend ist (auch wenn dieser Missbrauch zugegebenermaßen stattfindet). Daher sei es nicht nützlich, diesen Gedanken überhaupt zu formulieren. Du säumst das Pferd komplett von der falschen Seite auf. Um ein Problem zu lösen, ist es wichtig, das Problem vollständig zu verstehen und abzubilden. Und wenn man aus gutem Grund vermuten kann, dass angeborene Anlagen des Menschen zu dem Problem beitragen, ist es notwendig diese miteinzudenken und Strategien dagegen zu entwickeln.
Keiner von uns hier hat je den Standpunkt vertreten "Rassismus ist natürlich, kann man nix machen.", auch wenn du mir das permanent unterschieben willst. Denn man kann sehr wohl etwas machen. Aber der Kampf gegen Rassismus wird ein permanenter sein und sich nicht durch die einmalige Transformation der Gesellschaft zu einer internationalen Kommunengesellschaft der Weltbürger beschließen.

Glaubst du denn wirklich dass das zum heutigen Rassismus analoge Denkmuster von Aristoteles zum Zwecke der Abwertung anderer Ethnien kompletter Zufall ist? Die altorientalischen Gesellschaften Mesopotamiens, Ägypten, Griechenland, Rom – die meisten dieser antiken Kulturen wären ohne die systematische Entrechtung, Ausbeutung und Versklavung der durch expansive Feldzüge unterworfenen Ethnien gar nicht denkbar gewesen. Was sich im Laufe der Jahrtausende geändert hat, ist die Legitimation der Abwertung, aber nicht die Abwertung an sich. Dass in der Antike noch nicht mit Darwin, Stammbäumen und Schädelformen argumentiert wurde, erklärt sich von selbst, es wurden halt andere "naturwissenschaftliche" Legitimationen erdacht, wie Aristoteles postulierter Zusammenhang von Klima und "Temperament".

Man müsste Menschen grundsätzlich anders sozialisieren und bilden. Dafür sorgen, dass überhaupt erst garkeine ethnisch homogene Bezugsgruppe ensteht. Es ist kein Zufall, dass Rassismus und Rechtsnationalismus dort am stärksten wuchern, wo Diversität am geringsten ist, Ostdeutschland, Polen, etc., dort wo es die wenigsten interkulturellen Begegnungen gibt. In Schule, Kultur, Unterhaltung, etc. muss aktiv eine multiethnische Bezugsgruppe für alle Menschen geschaffen werden. Weg von der "default whiteness", hin zur Normalisierung einer equitären Respräsentation aller Ethnien.

Benutzeravatar
Akayi
Akinator
Beiträge: 30317
Registriert: 09.02.2008

Beitrag von Akayi » 5. Aug 2020 16:17

Nochmal: das bereits in anderen auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaften versucht wurde dieses Herrschaftsverhältnis zu legitimieren ist ein Beleg dafür dass Rassismus eben nicht naturwüchsig ist, sondern erdacht / konstruiert werden und eine Funktion erfüllen muss. Trotz dieser Belege verortest du Rassismus immer im Menschen, seiner Natur, seinem Wesen. Damit wird Rassismus verharmlost weil ja jeder irgendwie rassistisch ist (außer du und hansel vielleicht, weil ihr so viel Wissen habt und damit lässt sich Rassismus ja aufheben wie Kant und Aristoteles so deutlich gezeigt haben) und im nächsten Schritt wird die Funktionalität von Rassismus als Herrschaftsideologie geleugnet weil ja nicht nur jedeR qua Geburt rassistisch ist, sondern auch noch jedeR von Rassismus betroffen. Sei es als Roma oder eben als Polizist.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

Benutzeravatar
HelLo
Dr Sexy M.D.
Beiträge: 10921
Registriert: 23.08.2013
Wohnort: Hannover

Beitrag von HelLo » 5. Aug 2020 17:00

Genau das wird doch auch in so ziemlich jedem aktuellen Buch zu dem Thema erklärt.

Hier mal in sehr klarer Sprache:
Ogette, Tupoka: exit RACISM hat geschrieben:Die Europäer waren nicht zu Sklavenhändlern geworden, weil sie Rassisten waren. Andersherum wird ein Schuh draus. Sie wurden Rassisten, um Menschen für ihren eigenen Profit versklaven zu können. Sie brauchten eine ideologische Untermauerung; eine moralische Legitimierung ihrer weltweiten Plünderungsindustrie. Kurz und plakativ: Sie wollten gut schlafen.
Look at all those stars.
Look at how goddamn ugly the stars are.

Trouble Breathing - Alkaline Trio

Mr. Kennedy
Beiträge: 755
Registriert: 19.05.2015

Beitrag von Mr. Kennedy » 5. Aug 2020 19:36

Akayi hat geschrieben:
5. Aug 2020 16:17
Nochmal: das bereits in anderen auf Ausbeutung beruhenden Gesellschaften versucht wurde dieses Herrschaftsverhältnis zu legitimieren ist ein Beleg dafür dass Rassismus eben nicht naturwüchsig ist, sondern erdacht / konstruiert werden und eine Funktion erfüllen muss. Trotz dieser Belege verortest du Rassismus immer im Menschen, seiner Natur, seinem Wesen.
Die Ideologie als Legitimation wird natürlich erdacht, aber damit vertauscht du Ursache und Wirkung. Die Ideologie folgt auf die Abwertung und diese folgt auf das Othering anderer nicht zur Bezugsgruppe gehörenden Menschen. Dieses Othering passiert umso einfacher, je mehr sich der andere äußerlich von der eigenen Bezugsgruppe unterscheidet. Hierzu eventuell mal die Kurzübersicht dieser mehr als umfassend dokumentierten Tatsache: https://en.wikipedia.org/wiki/In-group_favoritism
Die Ideologie des Rassismus ist dann der letzte Schritt und soll die kognitive Dissonanz auflösen, die entsteht wenn man offensichtlich denkende und fühlende Personen entmenschlicht, misshandelt und ermordet. Ergo eine Herrschaftsideologie.
Ich bin der Ansicht, dass man diese Kette am effektivsten unterbindet, indem man schon im ersten Schritt eingreift und garnicht erst zulässt, dass Menschen eine starke Identifikation zu einer ethnisch homogenen Bezugsgruppe aufbauen. Je heterogener eine Gesellschaft in Bezug auf äußerliche Merkmale ist, desto weniger Othering findet statt und desto weniger entmenschlichend ist es.Im digitalen Zeitalter in dem wir uns befinden, bieten sich uns nie dagewesene Möglichkeiten, ethnisch homogene Bezugsgruppen nicht entstehen zu lassen und Othering zu unterbinden.

Antworten