Abtreibung

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
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schwarz
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Beitrag von schwarz » 7. Feb 2015 13:59

Das ändert nichts an der Verantwortung, die der Soldat für seine Berufswahl vollständig alleine trägt. Und dadurch ist er für alles, was danach folgt, ebenfalls verantwortlich. Edit:
(Da dann nicht mehr alleinverantwortlich, ist klar)
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Gerlinde
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Beitrag von Gerlinde » 7. Feb 2015 14:10

schwarz hat geschrieben:...dadurch ist er für alles, was danach folgt, ebenfalls verantwortlich.
Aus meiner Sicht nur in einem gewissen Rahmen,
da werden wir uns nicht einigen können.

Sieh doch die Parallelen zur Jagd.
Ich bin gegen Hobbyjagd, da diese in privater Verantwortung liegt und nicht kontrolliert werden kann, bzw. der Jäger sich kaum gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen muss - vergleichsweise einer Privatarmee, wenn wir eine solche in D haben würden.

Den Soldaten sehe ich vergleichbar eines Wildhüters, der durchaus die Berechtigung hat, ein Tier zu töten, sich hierfür aber der Gemeinschaft gegenüber rechtfertigen muss. Also das Gewaltmonopol sollte hier wie da beim Staat liegen und demokratisch kontrolliert werden.

Der Soldat führt das aus, was die Gemeinschaft beschließt. In einer Demokratie ist das die Mehrheit, auch wenn diese einen schlechten Geschmack hat.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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schwarz
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Beitrag von schwarz » 7. Feb 2015 14:35

Wie bereits geschrieben, ab der Entscheidung, Soldat zu werden, ist ein Soldat nicht mehr alleinverantwortlich, sondern "nur noch" MITverantwortlich, siehe oben.
Aber die Entscheidung selbst trifft jede Person individuell für sich alleine und ist somit vollumfängliuch dafür verantwortlich und niemand sonst.

Und ganz ehrlich, Gerlinde: einen Soldaten mit einem Wildhüter zu vergleichen.. also das ist dermaßen bizarr..
enter the void.

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Soul Cake Duck
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Beitrag von Soul Cake Duck » 7. Feb 2015 19:09

Gerlinde hat geschrieben:
Soul, ich habe nirgends geschrieben, dass es um eine alleinige Schuld geht;
Ausgangspunkt war die negative Bemerkung darüber, dass sich eine Soldatin (als potentielle Mörderin") gegen Abtreibung äußert und dieses habe ich relativiert mit "so krass darf/sollte man das nicht bewerten" (genauen Wortlaut müsste ich nachblättern).

Ich habe die Verantwortung relativiert aber nicht verneint.
Ich glaube nicht, dass du verstehst, was ich meine. Ich bin auch, offensichtlich im Gegensatz zu einigen anderen hier, nicht der Meinung, dass es immer moralisch falsch ist, einen Menschen zu töten, bzw. sich an einem militärischen EInsatz zu beteiligen (noch so eine Lehre aus WW2). Das führt aber zu weit weg vom Thema. Ich widerspreche dir ganz entschieden, wenn du sagst, dass der reine Befehl die Eigenverantwortung relativiert. Nur weil jemand anders AUCH Verantwortung für etwas trägt (der Befehlende), wird meine dadurch doch nicht gemindert (als Ausführende). Denk mal an Folterer. Würdest du dessen Verantwortung auch relativieren, nur weil er einen Befehl zur Folter bekam? Der Folterer, der nicht unter Zwang, aber unter Befehl handelt, ist voll und ganz dafür verantwortlich - und darüber hinaus Schuld daran - , was er seinem Opfer antut.
Gerlinde hat geschrieben:Man muss auch nicht alles aus dem Blickwinkel der deutschen Vergangenheit sehen. Leben ist unabhängig von Nationalität und Staatsangehörigkeit.
Ach komm. Erstens ist das ja kein wild fabulierter Pseudozusammenhang sondern seit Nürnberg und Eichmann fest mit (Nazi)Deutschland verbunden. Und zweitens sind diese Erkenntnisse doch absolut valide, für alle Menschen auf der Welt und unabhängig von der Staatsangehörigkeit. "Niemand hat das Recht zu gehorchen" ist doch nicht nur für Deutsche wahr...

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slartibartfaß
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Beitrag von slartibartfaß » 7. Feb 2015 19:35

Soul Cake - Du betonst jetzt zum zweiten Mal, dass man Dich nicht versteht. Mir geht es in Teilen auch so. Kannst Du denn kurz den Zusammenhang
Soul Cake Duck hat geschrieben:zwischen Deutschen und "Ich bin nicht Schuld, ich hab nur gehorcht"

auf den Du so bestehst, dankenswerterweise erklären? Aber bitte keinen Literaturverweis auf Eichmann und Nürnberg.
Wellen des Paradoxen rollten über das Meer der Kausalität (...) an dieser Stelle gibt die normale Sprache auf, besucht die nächste Kneipe und gießt sich einen hinter die Binde.

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Soul Cake Duck
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Beitrag von Soul Cake Duck » 7. Feb 2015 20:43

Wenn das wirklich kein so offensichtlicher Zusammenhang ist, dann tut es mir leid. Vielleicht war meine Wahrnehmung da zu selektiv.

Also, nach den Schrecken der Deutschen Lager haben nicht wenige Beteiligte ihre Taten damit gerechtfertigt, dass sie lediglich Befehlsempfänger waren und somit nicht wirklich verantwortlich für die Millionen im Gas getöteten Menschen, die den Deutschen zum Opfer fielen.
Allen voran Adolf Eichmann, ein Vorzeigebürokrat und Protokollant der Wannseekonferenz, der maßgeblich für die Logistik der Deportation der europäischen Juden in die Vernichtungslager war. Eichmanns Verteidigung, er habe lediglich seine Pflicht erfüllt und Hannah Arendts Analyse der Banalität des Bösen sind weltberühmt und Sinnbild für den deutschen Biedermeier und Holocaust-Täter.

Wichtig daran sind mir zwei Sachen: Ausgerechnet in Deutschland seine Verantwortung mit Verweis auf Befehle abzulehnen, ist schon ein bisschen geschichtsvergessen. Außerdem gibt es einen langen Diskurs, der die Gefahr und die Problematik dieser Argumentation aufdeckt und der natürlich auch ohne Bezug zu Nazis seine Richtigkeit hat. Deshalb hab ich ganz aufrichtig zum Einstieg Arendts Buch empfohlen, dessen Klugheit ich ich hier nicht kurzerhand wiedergeben kann. Weniger Lesefreudige könnten auch mit dem Film Hannah Arendt beginnen.

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slartibartfaß
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Beitrag von slartibartfaß » 7. Feb 2015 21:10

Diese Behauptung:
Soul Cake Duck hat geschrieben:dass sie lediglich Befehlsempfänger waren und somit nicht wirklich verantwortlich
ist doch lediglich ein Schutzreflex, dem alle Beteiligten innerhalb einer Befehlskette (u. a. beim Militär) unterliegen, nachdem sie realisiert haben, welche Gräueltaten sie vollbracht haben, und aus meiner Sicht unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit (siehe Vampys Beispiele - auch wenn ich es für problematisch halte, ein "Verbrechens-Ranking" zu erstellen). Dass jeder Befehl eine gewisse Art von Zwang mit sich bringt - zumindest im Sinne von negativer Konsequenzen bei Nichteinhaltung - setze ich voraus und kann diese kategorische Trennung, die Du vornimmst auch nicht erkennen.
Soul Cake Duck hat geschrieben:natürlich unterstelle ich dabei den Deutschen eine besondere historische Verantwortung, bestimmte Dinge nicht zu vergessen.
Wer von "den Deutschen" müsste denn was unternehmen, damit Du sagen würdest, dass diese "besondere historische Verantwortung" ausreichend und umfassend übernommen wurde?
Wellen des Paradoxen rollten über das Meer der Kausalität (...) an dieser Stelle gibt die normale Sprache auf, besucht die nächste Kneipe und gießt sich einen hinter die Binde.

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Nullpositiv
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Beitrag von Nullpositiv » 7. Feb 2015 21:46

Soul Cake Duck hat geschrieben:dass sie lediglich Befehlsempfänger waren und somit nicht wirklich verantwortlich
Ok hat weder was mit Abtreibung noch direkt mit eurer Diskussion zu tun aber bzgl. Befehl und Gehorsam in militärischen Zusammenhängen kann ich, neben einer Runde DIenst bei der Bundeswehr, Krieg ohne Fronten Die USA in Vietnam von Bernd Greiner empfehlen. Das zeigt ganz gut was militärische Strukturen mit Moral und ähnlichem anrichten.
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Beitrag von Soul Cake Duck » 7. Feb 2015 22:03

slartibartfaß hat geschrieben:Diese Behauptung ist doch lediglich ein Schutzreflex, dem alle Beteiligten innerhalb einer Befehlskette (u. a. beim Militär) unterliegen, nachdem sie realisiert haben, welche Gräueltaten sie vollbracht haben
Ich find die ganze Aussage mega problematisch. Es wirkt so, als könnten Soldaten nicht vorab erkennen, dass sie ein moralisches Übel oder begehen und im Nachhinein erkennen, dass sie es nicht hätten tun dürfen. Das ist doch nicht so. DANN hätten sie wirklich keine Verantwortung und das ist ja genau mein Problem. Menschen können aber antizipieren, was sie als Soldaten erwartet, als Mitarbeiter in Guantanamo usw. Sie sind eben verantwortlich und verantwortungsfähig. Was du als Schutzreflex abtust, ist hier ja zuvor als akzeptable Verringerung von Verantwortung gewertet worden.
Ich weiß auch gar nicht, was ihr alle mit dem Zwang habt. Fändest du, dass ein z.B. ein drohendes Disziplinarverfahren ausreichender "Zwang" ist, um dem Befehl zu folgen, einen Menschen zu foltern? Ne, oder? Ich meine mit Zwang unmittelbare Bedrohung des Lebens oder der Gesundheit oder Schmerzstrafen. Ich persönlich empfinde gesellschaftliche Ausgrenzung nicht als genug, um z.B.die Ermordung eines Menschen zu rechtfertigen.
slartibartfaß hat geschrieben: Wer von "den Deutschen" müsste denn was unternehmen, damit Du sagen würdest, dass diese "besondere historische Verantwortung" ausreichend und umfassend übernommen wurde?
Wird, nicht wurde. Ich meine das zukunftsorientiert. Ich denke, jeder Mensch ist verantwortlich dafür, dass sich Auschwitz niemals wiederholen möge. Ich finde aber, dass diejenigen, die in Rechtsnachfolge der Täter leben, im Besonderen dazu verpflichtet sind, darauf achtzugeben. So wie ich Ruander besonders verpflichtet sehe, nie wieder einen Genozid zuzulassen oder die katholische Kirche, sich gegen christliche Verfolgung von "Heiden" zu wenden. Universelle Verpflichtungen allesamt, und trotzdem für bestimmte Leute ganz besondere.

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slartibartfaß
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Beitrag von slartibartfaß » 7. Feb 2015 22:44

Ich tue das nicht als Schutzreflex ab - ich sage lediglich, dass das Muster, Verantwortung im Anschluss an Gräueltaten abzulehnen, unabhängig ist von der Nationalität. Und das mit Hinweis auf Vampys Beispiele. Du relativierst das in Deinem letzten Abschnitt ja auch selbst.

Ich teile dieses Erklärungsmodel übrigens auch überhaupt nicht, wie Du mir zu unterstellen scheinst - im Gegenteil: ich verurteile und verachte es.

Selbstverständlich bin ich nicht der Meinung, dass ein drohendes Disziplinarverfahren ausreicht um zu foltern. Ich bin der Meinung, dass es nichts gibt, was Folter rechtfertigt. Oder Mord. Auch keine unmittelbare Bedrohung des Lebens oder sonstige Phantasien. Ich sehe aber den Zwang, den Befehl oder drohende Konsequenzen nicht als Ursache sondern Folge. Die Bereitschaft von den Menschen, sich - im weitesten Sinne - an Krieg zu beteiligen ist vielmehr ursächlich. Hier sollte bereits jeder Einzelne Verantwortung übernehmen.
Soul Cake Duck hat geschrieben:Ich finde aber, dass diejenigen, die in Rechtsnachfolge der Täter leben, im Besonderen dazu verpflichtet sind, darauf achtzugeben
1. Mein Großvater war deutscher Soldat und hat in Russland gekämpft. Er war bis 1951 in Gefangenschaft und kam dann verbittert zurück. Über seine Erfahrungen hat er nie geredet (angeblich - ich habe ihn nie wirklich kennen gelernt). Er starb 1986.

2. Ich kenne einen zehnjährigen Jungen. Einer seiner Großväter ist Eritreaer, der andere Pole. Er selbst hat einen deutschen Pass und ist dunkelhäutig.

Sind wir "bestimmte Leute"? Und wenn ja: welche Verpflichtungen ergeben sich aus Deiner Sicht für mich oder den Jungen daraus?
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