Abtreibung

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
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mashisouk
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Beitrag von mashisouk » 6. Feb 2015 17:48

SoulCake, ich weiß nicht genau, warauf du hinaus willst. Der Holocaust war mit Sicheheit das schrecklichste, was die Geschichte der Menschheit zu bieten hat.
Aber ich bin nicht daran schuld - obwohl ich deutsch bin.
Entsetzlich ist, daß wir wenig aus der Geschichte gelernt haben. Als 1994 die Hutu und Tutsi übereinander hergefallen sind, hat die Welt (also die UN) schön zugeschaut. Wer ist da schuld?
Ist Untätigkeit eine Form der Zustimmung? Wer weiß, ob "Säbelrasseln" gereicht hätte?

Und "ich habe nur gehorcht": das befreit einen natürlich nicht von Schuld, das versteht sich ja von selbst. Aber wer vor der Wahl steht: der oder ich - dann entscheidet man sich doch sehr häufig für "der".
Ich übrigens auch.
Sei ganz du selbst!
Außer du kannst ein Einhorn sein - dann sei ein Einhorn

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Soul Cake Duck
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Beitrag von Soul Cake Duck » 6. Feb 2015 20:30

Na, Gerlinde hat nicht verstanden, warum ich das Ganze in Bezug zu Deutschland setzte. Ich wunderte mich etwas darüber, denn der ganze Diskurs um Schuld von Gehorchenden ist derartig eng verwoben mit der Bewertung des Naziregimes, dass ich mich aufrichtig frage, wie man das nicht verstehen kann :?:
Un ja, natürlich unterstelle ich dabei den Deutschen eine besondere historische Verantwortung, bestimmte Dinge nicht zu vergessen.
Und wir sprachen ja auch nur über das Ausführen von Befehlen, nicht von Zwängen, die bei Nicht-Ausführung mein Leben bedrohen. Also nichts mit er oder ich.

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Vampy
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Beitrag von Vampy » 6. Feb 2015 20:40

mashisouk hat geschrieben:SoulCake, ich weiß nicht genau, warauf du hinaus willst. Der Holocaust war mit Sicheheit das schrecklichste, was die Geschichte der Menschheit zu bieten hat.
das wird ja oft so dargestellt, aber ich weiß nicht, ob das tatsächlich so herausragend das allerschlimmste ist. was die amerikanischen Einwanderer mit den Indianern gemacht haben, war zb auch ziemlich krass. oder diverse Völkermorde/Bürgerkriegen in Afrika. oder der Sklavenhandel. oder die kreuzzüge. Inquisition. Hexenverbrennung.
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Kriegskaese
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Beitrag von Kriegskaese » 6. Feb 2015 20:46

Ich würde an Vampys Liste noch die industrielle Massentierhaltung anhängen.

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raldus
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Beitrag von raldus » 6. Feb 2015 20:57

Das klingt als gäbe es nur unmittelbare Zwänge. Es gibt durchaus Zwänge die erst über viele Ecken zu einem Ich oder Er werden. gerade was die Gruppendynamik angeht. Durch ein Verhalten, dass nicht der Gruppe entspricht ist man vom Ausschluss und damit evtl. die Existenz bedroht. Dabei entscheidet nichtmal die Realität, sondern die Annahme einer Realität. In Gruppen ohne Grundvertrauen sind diese Annahmen zudem völlig unabgeglichen.

(Ich schreibe das so allgemein um nicht in den Verdacht zu geraten grausames schön reden zu wollen)

Konkreter: Derzeit wissen wir, dass die deutsche Regierung Waffenlieferungen zustimmt und wir kennen dank der modernen Medien eine Menge Grausamkeiten die Tag für Tag stattfinden. Wenn ich also weiß, dass Waffen geliefert werden die dann dazu benutzt werden, dass Menschen sterben, wie sieht es dann mit meiner Verantwortung dafür aus? Es sind sichere Zeiten mit "Meinungsfreiheit" in denen es doch "leicht" ist sich dagegen aufzulehnen?!?
Wir haben eine Regierung die viel schneller Soldaten versendet als es noch vor Jahren der Fall war. Soetwas wie Gerhard Schröder, der den Amerikanern klipp und klar die Unterstützung für den Golf Krieg versagte wäre derzeit undenkbar. (Nicht, dass ich G.S. mag ...)

Bin ich nun verantwortlich dafür, wenn irgendwo ein Mensch durch eine Waffe stirbt dessen Lieferung unsere Regierung bewilligt hat? Oder nicht? ich weiß es ja.
Und wenn ein deutscher Soldat irgendwo auf der Welt einen Menschen erschießt. Wie sieht es da aus?
Schau nicht auf den Finger der dir den Mond zeigt, sondern auf den Mond.
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ClaireFontaine
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Beitrag von ClaireFontaine » 7. Feb 2015 11:04

mashisouk hat geschrieben: es gibt ja durch aus die Möglichkeit, erfüllenden Sex zu haben, bei dem aber keine Schwangerschaft etnsteht. Es ist ja auch so, daß deutlich mehr Frauen zB beim Oralverkehr zum Organsmus kommen als beim Vaginalverkehr. Wenn man also unbedingt Sex haben möchte, aber eine Verhütung ist nicht sichergestellt, - dann könnte man sich ja nich was anderes überlegen als das rein-raus.
Also dass vermeintlich (!) mehr Frauen durch Oralsex zum Orgasmus kommen, hat ja mit dem Einzelfall nichts zu tun. Dennoch fällt das heute nunmal als Verhütung flach. Ich denke, es ist in unserer Gesellschaft etabliert, dass man Geschlechtsverkehr haben kann, ohne, dass man schwanger wird. Gleichzeitig ist es einfach so, dass Verhütungsmittel nicht sicher sind - in verschiedenen Abstufungen. Und ich finde es sehr schwierig, dass da Einzelpersonen, vor allem Frauen, so viel Verantwortung und Schuld auferlegt wird.
Schlicht und ergreifend muss da auch einfach mehr Aufklärung stattfinden, der Zugang zur Pille danach muss leichter sein, der Zugang zu Hilfe und Verständnis sollte ein anderer sein, usw usf. Also sollten Menschen genau darüber aufgeklärt werden, wie sie schwanger werden könnten, wie sie krank werden könnten und sie sollten Fragen stellen können, ohne dafür verurteilt zu werden - oder befürchten zu müssen, dass Arzt/Ärztin ihnen persönliche Bewertungen aufdrücken. Das sind auch ganz viel strukturelle und gesellschaftliche Aspekte, die mMn sehr schief laufen.
Und wie schnell es mit der Sicherheit von Verhütungsmitteln vorbei ist, merkst du, wenn dir das Kondom platzt oder abrutscht oder Arzt/Ärztin Antibiotikum verschreiben und dich keiner vor den Wechselwirkungen warnt. Das wird dann oft der Eigenverantwortung zugeschrieben und es wird mit Scham und Schuld gearbeitet - verkennt mMn aber völlig, dass Menschen einfach auch Unterstützung, Wissen und Aufklärung brauchen, die sie nicht ausreichend kriegen, wenn das Thema doch immer noch so tabuisiert ist und in die Eigenverantwortlichkeit gelegt wird.

Ich frage mich, angesichts des Threads, ob es überhaupt eine allgemeingültige Lösung für das Thema Abtreibung gilt. Ich persönlich bin dafür, dass es die Möglichkeit gibt und ich bin dagegen, dass sie noch höher schwelliger wird als jetzt. Ich bin auch für die Pille Danach. Und ich finde, jede Frau sollte entscheiden dürfen.
Das wäre für mich so die grundlegendste Sache zum Thema. Aber es ist nunmal einfach komplexer und natürlich spielen die Interessen und Wünsche des Vaters eine Rolle. Ich weiß nicht, ob man das alles, was noch dazu gehört, jemals in eine feste Entscheidung, ein Gesetz oder eine Regel packen kann - und ob das nicht immer verschiedene Faktoren sein werden, die zu individuellen Entscheidungen beitragen.
Schön wäre es dann viel eher, wenn man versuchen würde, im Interesse der Frau, des Mannes und des ungeboren Kindes zu entscheiden - und nicht immer noch die persönliche Meinung von Beratern, Interessengruppen, Politikern, usw oder gesellschaftlicher Druck eine Rolle spielen würden. Insofern bin ich froh, wenn es unabhängige Beratungsstellen gibt, an die man sich wenden kann und die individuell auf einen eingehen. Vielleicht wäre es sinnvoll, Menschen nicht nur kurzfristig Beratung anzubieten (oder abzuverlangen), sondern auch langfristig - falls das nicht schon möglich ist.

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Gerlinde
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Beitrag von Gerlinde » 7. Feb 2015 13:44

Soul Cake Duck hat geschrieben: Du siehst wirklich keinen Zusammenhang zwischen Deutschen und "Ich bin nicht Schuld, ich hab nur gehorcht"? ....
Soul, ich habe nirgends geschrieben, dass es um eine alleinige Schuld geht;
Ausgangspunkt war die negative Bemerkung darüber, dass sich eine Soldatin (als potentielle Mörderin") gegen Abtreibung äußert und dieses habe ich relativiert mit "so krass darf/sollte man das nicht bewerten" (genauen Wortlaut müsste ich nachblättern).

Ich habe die Verantwortung relativiert aber nicht verneint.
Man muss auch nicht alles aus dem Blickwinkel der deutschen Vergangenheit sehen. Leben ist unabhängig von Nationalität und Staatsangehörigkeit.

Sicher steht der Ausführende im Vordergrund und könnte verweigern, den Beruf nicht ausüben usw.
Es ist auch einfach, dem "groben" Handeln schneller eine Schuld zuzuweisen z.B. dem Soldaten, dem Metzger.
Nur, wie sieht es aus mit dem Abtreibungsarzt und dem Richter?
Diese werden sich auch in "Unschuld" wähnen und auf die Rechtslage verweisen.

So ist es z.B. bemerkenswert, dass die Justiz lange nach WW2 sich "sauber" gefühlt hat, denn alle Urteile während der Nazizeit wurden ja nach geltenden Recht gesprochen - da setzte erst mit großer Zeitverspätung ein Umdenken ein.

Dem Soldaten allein seinen Beruf anzukreiden ist nicht fair; hier ist jeder Bürger/Wahlberechtigter auch in der Pflicht.
In der Befehlskette gibt es mehrere Verantwortliche, die sich wiederum als Individuum in ihrem Rahmen verantworten müssen; handelt jemand autonom, liegt es nur an ihm/ihr.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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raldus
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Beitrag von raldus » 7. Feb 2015 13:45

@Claire: Naja. Ich denke halt, dass jeder der Sex hat (OK, ausser Oralsex und praktiken die es verunmöglichen :roll: ) sich auch bewusst sein muss, dass dabei ein Kind entstehen kann. Dafür ist er dann verantwortlich. Das gerede danach entsteht ja durch fehlendes Bewusstsein davor.

Aus mänlicher Sicht ist das sogar zu 100% so, vorausgesetzt, dass die Mutter den Vater kennt. Bei der Frau gibt es die Einschränkung der Pille danach. Die kann ein Mann nicht anwenden ...
Schau nicht auf den Finger der dir den Mond zeigt, sondern auf den Mond.
(frei nach passante, Forenmitglied)

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Beitrag von schwarz » 7. Feb 2015 13:53

Gerlinde hat geschrieben:Dem Soldaten allein seinen Beruf anzukreiden ist nicht fair;
Wem denn sonst noch, Gerlinde?
Es ist ja nicht so, als würde man gezwungen, Soldat zu werden in unseren Breiten. Man kann es ablehnen. Und ein Soldat hat zugestimmt. Also ist er alleine verantwortlich für seinen Beruf.
enter the void.

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Gerlinde
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Beitrag von Gerlinde » 7. Feb 2015 13:57

schwarz hat geschrieben:
Gerlinde hat geschrieben:.....Es ist ja nicht so, als würde man gezwungen, Soldat zu werden in unseren Breiten. Man kann es ablehnen. .
Für die Berufswahl ist der Soldat selbst verantwortlich, aber nicht für die Befehle/Aufträge, die er/sie erhält oder ausführen muss.

Man wird ja auch nicht Frauenarzt, weil man Lust auf Abtreibungen hat - oder?

Ob man Soldat wird, ist in manchen Ländern so eine Sache.
In den USA hat man z.B. so eine Chance auf eine Ausbildung oder überhaupt auf einen Job.
Man muss nicht über jedes Stöckchen springen ....

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