Cultural Appropriation

Politische Diskussionen ohne Tierrechtsbezug
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illith
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Beitrag von illith » 10. Sep 2015 01:17

Kim Sun Woo hat geschrieben:zumal ich persönlich diesen Ansatz im Grunde selbst im weitesten Sinne für "rassistisch" halte
:?:
es läuft faktisch darauf hinaus, daß jemand, der - in meinem Fall - "weiß, männlich, heterosexuell, deutsch" ist, gefälligst auch auszusehen hat wie jemand, der "weiß, männlich, heterosexuell, deutsch" nunmal so aussieht
du kannst dir also nicht vorstellen, deinen eigenen stil zu verwirklichen, ohne dich an anderen kulturkreisen auf der anderen seite der privilegienwippe zu bedienen?
(mein letzter disclaimer gilt natürlich immer noch, zumal ich ja selber dreads trage)
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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 10. Sep 2015 01:27

das war doch nicht Ansatzpunkt meiner Kritik. es klingt für mich dennoch absurd, daß man das bewußte Begrenzen auf die "eigenen Kultur" als "antirassistisch" proklamiert.

heißt das nicht im Grunde auch, daß - wenn es doch für Musik, Sprache und Kleidung/Haarstile usw. usf. gilt - es genauso auch für Speisen und Getränke gelten müßte? sozusagen: ein wirklicher Antirassist kocht nicht asiatisch, sondern gefälligst deutsch!*

(auswärts essen bei einem asiatischen Restaurant wäre natürlich kein Problem, bei diesem ist das schließlich unproblematisch - natürlich nur solange der Betreiber selbst asiatischer Herkunft ist bzw. "asiatische Wurzeln" hat)



* das klingt erstmal wahnsinnig absurd, oder? aber wenn man argumentiert, daß sich Weiße nicht einfach "afrikanische Musik" "aneignen" können, wäre es doch nur folgerichtig wenn kulinarisch ähnlich argumentiert würde
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illith
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Beitrag von illith » 10. Sep 2015 02:19

darüber, wo genau die grenzen jeweils gezogen werden sollten, gibt es natürlich verschiedene standpunkte.
aber es dürfte klar sein, dass je mehr das jeweilige 'item' historisch, religiös und/oder kulturell besetzt ist, desto weiter ist es im kritischen bereich. also ist ein eintopfgericht natürlich was anderes als ein federschmuck.
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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 10. Sep 2015 02:26

wobei gerade Essen doch enorm "kulturell besetzt" ist - ich persönlich würde zum Beispiel davon ausgehen, daß Sushi oder Frühlingsrollen hierzulande weitaus mehr mit dem Attribut "asiatisch" verbunden werden als ein Iro mit "amerikanische Ureinwohner".
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Frau_XVX
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Beitrag von Frau_XVX » 10. Sep 2015 08:14

Zu der Diskussion um cultural appropriation kommt auch noch hinzu, dass Weiße sich Teile aus fremden Kulturen herauspicken, die sie gerade "stylisch" finden, aber den Ursprung der eigentlichen Kultur dabei vollkommen ausklammern und/oder unterdrücken.

Siehe z. B. auch Native Americans. So kann man auf diversen Festivals Personen mit Federschmuck sehen, weil es eben "schick" ist. (Oder auch Dreadlocks, die vermutlich aufs Jahr 2500 v. Chr. in Indien zurückgehen). Sowohl Federschmuck, als auch Dreadlocks, waren Teile der Kultur dieser Völker/Volksgruppen, inkl. religiöser Bedeutung. Aber kaum jemand, der sich dieser Elemente bedient, sei es auf einem Festival, beim Fasching oder im Rahmen seiner "Selbstverwirklichung" kennt deren Ursprung. Außerdem ist es ziemlich zynisch, wenn man bedenkt, dass Kulturen zum Teil systematisch ausgelöscht werden/wurden, aber "Hey, der Federschmuck ist schick, genau passend fürs Highfield." Das Gleiche gilt auch für Bindis, die in den Neunzigern ja auch gern mal von Leuten getragen wurden, die nicht im Ansatz etwas mit Hinduismus zu tun hatten.
A common example of cultural appropriation is the adoption of the iconography of another culture, and using it for purposes that are unintended by the original culture, or even offensive to that culture's mores. Examples include sports teams using Native American tribal names, images, or human beings as mascots; wearing jewelry or fashion with religious symbols such as the war bonnet,[7] medicine wheel, or cross without any belief in those religions; mimicking iconography from another culture's history such as tattoos of Polynesian tribal iconography, Chinese characters, or Celtic art worn by people who have no interest in, or understanding of, their original cultural significance. When revered cultural artifacts are copied from living cultures and regarded as objects that merely "look cool", or when they are mass-produced cheaply as consumer kitsch, people who venerate and wish to preserve their indigenous cultural traditions are often offended.
https://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_appropriation

Edit, da gerade Zwangsneustart:

Was das Tragen von "Männer"kleidung betrifft. Ich denke nicht, dass das Tragen von Hosen, Jackets und Westen tief kulturell belegt ist, sodass ich hier auch nicht sehe, wie Frauen sich einer anderen "Kultur" bedienen. Und andersherum sollten Männer genauso "Frauen"kleidung tragen dürfen bzw. dürfen sie ja sowieso, aber hier rutschen wir wieder in die Diskussion, warum sie es nicht tun.

Ebenso bei Speisen aus anderen Ländern/Kulturkreisen: Da sehe ich auch nicht, was das mit cultural appropriation zu tun haben könnte, schließlich haben sich die meisten Speisen daraus entwickelt, was regional vorrätig war, und haben eher selten einen tiefkulturellen oder gar religiös-spirituellen Hintergrund.

Und ja, ich bin der Meinung, dass ich als weiße Europäerin dann eben in den sauren Apfel beißen und einsehen muss, dass ich nicht alles haben kann. Keine Bindis, keine Dreadlocks (für mich), keinen Federschmuck, etc. That's life. :shrugs:
Kim Sun Woo hat geschrieben: im Grunde hieße das doch konkret nichts anderes als das jemand der Teil von GruppeXY ist, doch bitteschön auch optisch der sein soll, "who you are" (wie ekelig fatalistisch für mich klingt. ernsthaft, ganz schlimm).
Es geht nicht darum, dass du als jemand von GruppeXY auch wie jemand aus GruppeXY aussehen sollst, sondern dass du dir nicht vollkommen zusammenhanglos Perlen aus GruppeYZ rauspickst, weil du das gerade hübsch findest, und damit eben dieser GruppeYZ auf die Füße trittst, sei es, weil ihre Kultur im Ganzen (also, nicht nur das hübsche Chichi) unterdrückt wurde, ihr Volk fast vollkommen ausgelöscht wurde oder du schlicht und ergreifend damit auf deren religiösen/spirituellen/volkseigenen Bräuchen herumtrampelst. Du eignest dir einen Bruchteil aus deren Kultur an, aber bist safe, was die ganzen negativen Effekte betrifft, genießt also das Privileg, dass du, im Vergleich zu den betreffenden Gruppen, jederzeit "aussteigen" kannst.
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.u.
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Beitrag von .u. » 10. Sep 2015 10:43

Bei künstlichen (europäischen) Dreadlocks muss ich wirklich mal zustimmen, dass ich das auch intuitiv schon ein bisschen wie Verhohnepiepelung anseh und klar als kulturelle Aneignung empfind. Die meisten Europäischen verbinden ja mit dieser Frisur bestimmte alternative Lebenshaltungen und Werte und so ein bisschen was "gegen das System" oder gegen den Leistungsdruck, sich nicht einfügen, sowas. Und wenn ich mich dann frage, was diese Haare damit zu tun haben, kann ich das einfach nur rassistisch finden. Für nen bestimmten Haartyp ist das ne praktische Frisur. Für z.B. meinen eher nicht.
Besonders klar geworden ist mir das bei so nem Poetry Slammer hier in Bonn (aus Münster), der halt Dreadlocks hatte, weil er das so cool und anders fand und das hat er dann auch ganz selbstverliebt zum Thema seines Slams gemacht und ich war nur so am Facepalmen. Hat aber viel Applaus bekommen.
Sorry Ill, ich weiß du bist nicht so. Aber ich hab gehofft, dass du irgendwann so nen Einfall bekommst. Weils (m. E.) einfach nicht zu deiner respektvollen Haltung passt...
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Wuseljule
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Beitrag von Wuseljule » 10. Sep 2015 10:58

Es ist Wahnsinn, was ich hier im Forum alles lerne!
Und alles ist jetzt. Es ist alles alles jetzt.

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Lee
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Beitrag von Lee » 10. Sep 2015 11:17

Hab n bissl drüber nachgedacht und musste das echt mal alles n bissl sacken lassen.

Eigentlich habt ihr aber recht, ich komm mir selbst auch verarscht vor, wenn Leute die gar nichts mit Bayern zu tun haben Lederhosen tragen. (auch Leute aus anderen Bundesländern.)

Hab mal auf nem Volksfest nen aus afrika stammenden Pfarrer getroffen der ne Lederhose trug, da fand ichs aber wieder irgendwie ok, weil der zur Dorfgemeinschaft gehörte und sich an die neue Kultur anpassen wollte.

Hoffe ich krieg dafür keine haue, hab irgendwie n unbestimmtes schlechtes Gefühl ;)
Muh!

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Beitrag von .u. » 10. Sep 2015 11:25

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Lee
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Beitrag von Lee » 10. Sep 2015 11:28

eieiei und wegeditiert... da krieg ich ja schon n bissl angst
Muh!

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