Und tatsächlich kann ich keinen dieser Wahlgründe irgendwie nachvollziehen. Eine tatsächlich rationale Angst für Überfremdung ist angesichts einer knappen Million Flüchtlinge bisher dermaßen unbegründet, rein rechnerisch. Es ist eine diffuse, emotional verwurzelte Angst vor allem Fremdem, so etwas ist meiner Ansicht nach nie ein guter Katalysator für eine Stimmabgabe.He-Man hat geschrieben: Darauf gibt es nicht die eine Antwort. Man muss sich klar machen, dass die Wählerschaft der Afd eine sehr heterogene Zusammensetzung hat. Teilweise sind es tatsächlich die Pegida-Wutbürger, teilweise normale Menschen aus der Mittelschicht, die Angst vor Überfremdung haben, teilweise Nichtwähler oder Protestwähler gegen die etablierten Parteien. Ich würde auch nicht die Aussage unterschreiben, dass es ausschliesslich Weiße aus der Mittelschicht sind. Es dürften sich auch Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen der Oberschicht oder Arbeitslose darunter befinden. Ihre Motivationen sind teilweise sehr unterschiedlich. Wahr ist, dass die Flüchtlingspolitik die Wahl bestimmt hat.
Finde es aus menschlicher Sicht sehr bedenklich wenn Menschen lieber dabei zusehen wie Syrer in Idomeni verrecken, anstatt sich den Problemen eines geballten Menschenzuzugs aus einer anderen Kultur zu stellen. Ja, vermutlich wird man dann in der Fußgängerzone mehr verschleierte Frauen sehen und sicherlich wird es vermehrt auffällige Reibungspunkte der Flüchtlinge mit dem deutschen Gesetz geben. Heißt das aber, dass die besser alle in der Ägäis hätten ersaufen sollen, oder am Grenzübergang von schweren MGs niedergemäht?
Womit du zumindest Recht hast, ist der Wegfall des Tabus. Die Menschen haben gemerkt dass sie mit ihrer diffusen Fremdenangst und ihrem Rechtspopulismus nicht alleine sind und haben auch gelernt die mahnenden Rufe zu ignorieren. Der Zeitgeist des "Das-wird-man-doch-mal-sagen-dürfen" hat die völlig absurde Situation geschaffen, dass Menschen zwar einerseits rechtspopulisitsches und nationalistisches Gedankengut vertreten möchten, gleichzeitig aber nicht wollen, dass das dann beim Namen genannt wird. "Ich bin ja echt nicht rechts, aber..." Doch bist du. Rechts ist, wer Rechtes tut. "Ich bin echt kein Nazi, aber ich finde, dass die Nationalsozialistische Arbeiterpartei zwischen 1933 und 1939 echt gute Politik gemacht hat und hätte sie damals bestimmt gewählt. Aber deswegen bin ich doch noch lang kein Nazi!" Das ist so ein sarkastischer Satz, den ich in solchen Diskussionen gerne mal anbringe, um die Schizophrenie dieses Geredes zu entlarven.He-Man hat geschrieben: Speziell Köln hat mM den Wendepunkt eingeleitet und viele Menschen haben erstmals ernsthaft über die Afd nachgedacht, darüber ob etwas an der "Lügenpresse" dran ist. Es war nicht mehr ein Tabu. Danach ging alles schnell: die Parteien haben in ihrer Arroganz die Situation hoffnungslos unterschätz und sich eingebildet, die üblichen Mechanismen des Schweigens und Relativierens würde das Problem lösen. Gleichzeitig wurde die Afd und ihre Wähler als "rechte Idioten" diffamiert ohne wirkliche Argumente gegen sie zu liefern.
Klar lässt der Umgang mit der AfD derzeit zu wünschen übrig? Aber das ist doch kein Wahlgrund! Die NPD wollte jahrelang auch keiner wählen, nur weil man sie öffentlich isoliert hat.He-Man hat geschrieben: Salonlinke wie Augstein oder Stegner schwadronierten durch Talkshows und belehrten die Menschen, wo sie politisch zu stehen hätten. Jetzt haben sie die Rechnung bekommen.
Das wird auch noch so weiter gehen, denn offensichtlich hat niemand etwas daraus gelernt. Das Gejammer ist jetzt erst mal gross, aber Einsicht oder Korrektur des Regierungskurses wird es nicht geben (hat die Kanzlerin zumindest angekündigt). Wenn die Afd es schafft, mit weiteren Themen zu überzeugen (politische Themen und Möglichkeiten gibt es genügend), sich glaubhaft von Rechtsradikalen wie der NPD abgrenzt und ihr Personal optimiert (Höcke und andere Chaoten rausschmeisst), dann wird die Afd eine glänzende Zukunft haben und die SPD als stärkste Oppositionspartei ablösen wird. Möglich ist sogar, dass die Afd in 10-15 Jahren um die Kanzlerschaft mitspielt.