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Verfasst: 28. Feb 2020 22:30
von Kim Sun Woo
@ Shub
die alte Leier: du bist in der Lage, zwischen "Kunst" (bzw. Kunstfigur) und dem echten Leben zu machen. das ist aber längst nicht grundsätzlich der Fall.

sowohl in dem Sinne, daß nicht alle HörerInnen diesen Unterschied machen. und sogar in dem Sinne, daß viele KünstlerInnen diesen Unterschied machen (e.g. Bonez "spielt" offenbar nicht bloß das Ar...loch, daß im Fall eines Streits gewalttätig zu seiner Partnerin ist. sondern in dem Fall ist die "Kunstfigur" höchstens eine übersteigerte Version seines tatsächlichen, ätzenden Verhaltens).

Verfasst: 28. Feb 2020 22:35
von Shub-Niggurath
Die Argumentation der Gegenseite würde aber daraus bestehen, dass Bonez dieses Verhalten durch irgendeine Fernsehserie oder Rap erlernt hätte und diese die Gesellschaft verderben. Dabei hat er's ja aus der Gesellschaft. Und nicht von irgendeinem marginalisierten Rand, sondern aus der Mitte, der Mehrheitsgesellschaft. Hört auf, euch mit dem eigenen Zeigefinger ins Auge zu stechen.

Verfasst: 28. Feb 2020 22:36
von Kim Sun Woo
und anders als z.b. bei Filmen oder Serien ist der Anspruch bzw. die Erwartung oftmals auch eine ganz andere.

wenn eine/ein SchauspielerIn nicht so ist wie der Charakter, den sie/er spielt, ist das für die Mehrheit der ZuschauerInnen ganz normal. bei Musik - und bei rap im Besonderen - wird das doch aber typischerweise ganz anders wahrgenommen. natürlich ist vielen klar, daß es sich um übersteigerte Schilderungen handelt. aber in dem Moment, wo es zu weit weg von der Realität ist (bzw. wo zu erkenne ist/es herauskommt, daß es zu weit von der Realität ist), gilt es doch tendenziell als "Makel".

Verfasst: 28. Feb 2020 22:39
von vegabunt
@Shub
Ich bin da ganz bei dir, eine gute Erziehung, offene und kinder- bzw. menschengerechte Bildungssysteme, Chancengleichheit, Stärkung unserer Empathie sind essentiell, ebenso alles was unser friedliches Zusammenleben im globalen Massstab begünstigt. (Kriege, Morde, Hinterlist, usw. gehören da definititv nicht dazu!)


Nur, jetzt alles auf "die Gesellschaft" (wer soll das sein wenn nicht wir?) abzuwälzen und so zu tun, als ginge uns, den einzelnen, das nichts an oder es sogar noch unter dem Deckmäntelchen von "Kunst" verkaufen zu wollen, ist mMn der falsche Weg und überdies nur eine Farce.

WIR ALLE sind dafür mitverantwortlich und haben gesamtgesellschaftlich für mehr Frieden zu sorgen.
Höflichkeit ist zB schon ein guter Anfang, ein wertschätzender Umgang miteinander kann darauf aufbauen.
Ich sehe da viel ungenutztes Potential in fast jedem von uns, die Arbeit wird uns da nicht so schnell ausgehen. ;)

Shub-Niggurath hat geschrieben:
28. Feb 2020 22:35
Die Argumentation der Gegenseite würde aber daraus bestehen, dass Bonez dieses Verhalten durch irgendeine Fernsehserie oder Rap erlernt hätte und diese die Gesellschaft verderben. Dabei hat er's ja aus der Gesellschaft. Und nicht von irgendeinem marginalisierten Rand, sondern aus der Mitte, der Mehrheitsgesellschaft.
Kann sein oder auch nicht.

Deshalb muss man es noch lange nicht ohne Gegenwehr erdulden oder gar die Ursachen weiter ignorieren und es einfach als Kunst ansehen.

Verfasst: 28. Feb 2020 22:45
von Kim Sun Woo
Shub-Niggurath hat geschrieben:
28. Feb 2020 22:35
Die Argumentation der Gegenseite würde aber daraus bestehen, dass Bonez dieses Verhalten durch irgendeine Fernsehserie oder Rap erlernt hätte und diese die Gesellschaft verderben.
das hat das video aber nicht behauptet?! (ich würde sogar unterstellen, daß viele derer, die Kritik an "frauenhassenden" Texten formulieren, selbstverständlich auch Probleme mit alltäglichem Sexismus hat)

zumal es für mich ohnehin seltsam anmutet, zu argumentieren, man könne extreme Ausprägungen von etwas nicht kritisieren, solange auch noch andere Formen davon existieren. das hat sowas von einem "ganz oder gar nicht" Ansatz der völlig praxisuntauglich ist.

passend zu diesem Forum: dann verbietet sich bspw. die Kritik daran, daß jemand absichtlich Tiere quält. schließlich gibt es ja auch immer noch die Fleischindustrie (ist natürlich insofern völlig Banane, weil die Konsequenz daraus dann üblicherweise ist bzw. wäre, daß Ersteres dadurch einen "Freibrief" ausgestellt bekäme).

Verfasst: 28. Feb 2020 22:50
von Shub-Niggurath
Kim Sun Woo hat geschrieben:
28. Feb 2020 22:45
passend zu diesem Forum: dann verbietet sich bspw. die Kritik daran, daß jemand absichtlich Tiere quält. schließlich gibt es ja auch immer noch die Fleischindustrie (ist natürlich insofern völlig Banane, weil die Konsequenz daraus dann üblicherweise ist bzw. wäre, daß Ersteres dadurch einen "Freibrief" ausgestellt bekäme).
Schiefer Vergleich. Natürlich ist die Fleischindustrie ein größeres Problem als ein Bonez, der hin und wieder darüber rappt, dass er gerne kleine Tiere mit Stöcken quält.

Verfasst: 28. Feb 2020 22:55
von Kim Sun Woo
es gibt aber immer etwas, das "schlimmer" ist.

(und das ist ja nicht einmal ein "ausgedachtes" Argument. so haben bspw. viele VegetarierInnen, VeganerInnen, TierschützerInnen usw. schon etwas in der Richtung zu hören bekommen, daß man sich "doch lieber erstmal darum kümmern soll, daß es allen Menschen gut geht". und nach der Logik würde sich bis dahin also andere Kritik verbieten)

Verfasst: 28. Feb 2020 22:57
von Shub-Niggurath
vegabunt hat geschrieben:
28. Feb 2020 22:39
WIR ALLE sind dafür mitverantwortlich und haben gesamtgesellschaftlich für mehr Frieden zu sorgen.
Höflichkeit ist zB schon ein guter Anfang, ein wertschätzender Umgang miteinander kann darauf aufbauen.
Ich sehe da viel ungenutztes Potential in fast jedem von uns, die Arbeit wird uns da nicht so schnell ausgehen. ;)

Deshalb muss man es noch lange nicht ohne Gegenwehr erdulden oder gar die Ursachen weiter ignorieren und es einfach als Kunst ansehen.
Genau das sagte ich doch: Ihr habt genug Arbeit in eurer Gesellschaft vor euch. Versucht doch dort einmal etwas zu bewirken, anstatt in Gefilden rumzupfuschen, von denen ihr nichts versteht. Stell dir mal vor, die Misogynie im deutschsprachigen Rap ist vollkommen ausgerottet, doch vor dem Abendessen schlägt dein Partner dich trotzdem wieder quer durch das Wohnzimmer. Woher kam das plötzlich? Ach, das waren dann bestimmt die hundertzweiundvierzig anderen Genres, die noch gesäubert werden müssen...Gegenwehr jetzt!

Verfasst: 28. Feb 2020 23:01
von Shub-Niggurath
Kim Sun Woo hat geschrieben:
28. Feb 2020 22:55
es gibt aber immer etwas, das "schlimmer" ist.

(und das ist ja nicht einmal ein "ausgedachtes" Argument. so haben bspw. viele VegetarierInnen, VeganerInnen, TierschützerInnen usw. schon etwas in der Richtung zu hören bekommen, daß man sich "doch lieber erstmal darum kümmern soll, daß es allen Menschen gut geht". und nach der Logik würde sich bis dahin also andere Kritik verbieten)
Das sind zwei völlig unterschiedliche Ebenen. Bonez rappt in meine Beispiel über Tierquälerei, keinem Tier wird ein Haar gekrümmt. Die Fleischindustrie tötet im Minutentakt. Die Auseinandersetzung mit Gewalt (egal wie primitiv sie ausfallen mag) ist nicht Anwendung von Gewalt.

Verfasst: 28. Feb 2020 23:15
von Kim Sun Woo
ich habe nichts von verbal im Vergleich zu non-verbal geschrieben. mir ging es schon um "echte" Tierquälerei.


übrigens, das ist für mich z.b. auch der Unterschied zu Gewaltdarstellungen bzw. drastische Texte usw. im metal, zumindest üblicher-/typischerweise. diese sind oftmals, wenn nicht gar meistens sehr "artifiziell".

was dann auch der Grund war, warum ich in jungen Jahren kaum Interesse daran hatte (bzw. das Interesse, das ich hatte schnell verlor): das war für mich "Karneval" oder "Kostümparty", während punk und hardcore "authentisch" wären. und rap sehe ich eindeutig mehr in der Tradition von den beiden Letztgenannten, weswegen das auch der appeal auf große Teile (wie groß diese nun auch konkret sein mögen) der Hörerschaft.

(absurderweise führt das Gegenteil auch manchmal zu kruden Situationen: gibt doch z.b. immer wieder Berichte, videos usw., wo (weibliche) fans sich darüber ärgern/wundern/... wie manche rapper mit ihnen umgegangen sind. da scheint dann eben die Idee zu sein, daß die "in echt natürlich gar nicht so sind", sondern ebenfalls von "Kunstfiguren" ausgegangen wird. nur um dann, siehe oben, festzustellen, daß etliche von denen tatsächlich so ätzend sind, wie sich in ihrer Musik geben - da hat es nie eine bewußte Diskrepanz zwischen "Figur" und "Realität" gegeben)