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somebody
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Beitrag von somebody » 7. Apr 2021 22:54

Shub, interessant! Vielen Dank für die Anregung.
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Akayi
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Beitrag von Akayi » 8. Apr 2021 14:57

Ist das nur für mich verwunderlich dass man zwei Seiten über den Film sprechen kann ohne die Opfer zu erwähnen?
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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Murphy
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Beitrag von Murphy » 8. Apr 2021 15:18

Jup, du bist der einzige.
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Akayi
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Beitrag von Akayi » 8. Apr 2021 15:22

Mh.
recherchiert, was rechtlich so möglich ist

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Shub-Niggurath
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Beitrag von Shub-Niggurath » 8. Apr 2021 17:33

Gleich der erste Satz: Ursprünglich wollte Regisseur Joshua Oppenheimer einen Film über die Opfer der Kommunistenhatz in Indonesien Mitte der 1960er Jahre drehen
Keramikvasen geh'n jetzt wieder viel leichter kaputt.

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Akayi
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Beitrag von Akayi » 8. Apr 2021 18:46

Hammer Erwähnung.
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Beitrag von Shub-Niggurath » 8. Apr 2021 18:47

Spar' dir deine Krokodilstränen.
Keramikvasen geh'n jetzt wieder viel leichter kaputt.

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Beitrag von Akayi » 8. Apr 2021 20:11

Geh zurück ins Bett.
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Shub-Niggurath
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Beitrag von Shub-Niggurath » 11. Apr 2021 19:17


Wer a very White Christmas feiern will, kann das mit dieser Anti-Rassismus-Mogelpackung tun, die nicht nur am laufenden Band ätzendste „Rassen“-Klischees reproduziert, sondern auch noch eines meiner meistgehassten tropes in der Untergrundströmung mitlaufen lässt: Arme Menschen wissen mehr vom Leben und haben auch mehr Spaß. Ja, arme Menschen können reichen Menschen zeigen, wie man wirklich lebt!
Filmisch findet das alles am oberen Ende von Hollywoods Möglichkeiten statt, und auch über die Schauspieler lässt sich nichts Schlechtes sagen, außer eben, dass sie sich solch einen Film aussuchen. Vielleicht hat’s auch der Agent verbockt? Wie auch immer…völlig zurecht gab’s hierfür mehrere Oscars, denn das ist genau die pseudokritische Sülze in Hochglanzbildern, die man bei der Academy liebt.


Immer genau dann gut, wenn der dämliche Detektivplot verschwindet (zusammen mit dem grausamen Schlageronkel Chris Howland) und Franco sich im Delirium zwischen Pop-Art und psychedelischem Tanzlokal verliert. Der mit LSD gekreuzte Werwolf Morpho könnte skurril sein, bleibt in der Ausführung jedoch ein gewöhnlicher Würger im Wallace-Stil. Müssen also die Damen den Film retten. Und szenenweise gelingt ihnen das spielerisch. Sehr durchwachsen. Props für den schönen deutschen Titel Rote Lippen, Sadisterotica, der leider so viel besser als der Film ist.
Keramikvasen geh'n jetzt wieder viel leichter kaputt.

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Beitrag von Shub-Niggurath » 14. Apr 2021 11:52

The Wild Boys - Les garçons sauvages
(Regie: Bertrand Mandico - Frankreich, 2017)

Inhalt laut bildstoerung.tv: "Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begehen fünf Jungs aus gutem Hause, die dem Okkulten huldigen, ein scheußliches Verbrechen. Daraufhin werden sie einem alten Kapitän anvertraut, der ihnen auf seinem Kahn mit harter Hand wieder Zucht und Ordnung beibringen soll. Von der Schikane genervt und mit den Kräften am Ende, proben sie den Aufstand - und stranden auf einer Insel voller bizarrer Gewächse, von der eine mysteriöse Kraft ausgeht. Nach einiger Zeit beginnt ihr Zauber, sie zu verändern..."

Mich hat schon immer interessiert, was unter den Hochglanzbildern der Werbung schlummert, die Käpt'n Iglo und seine Bubenbande zusammen auf den Weiten des Meeres portraitieren. Etwas Sexuelles drängt sich sofort auf: Die Uniformen, das mitunter Militärische im Maritimen, gemahnen an Strafmissionen, gar an Galeeren. Traut man diesem bärtigen Seebären nicht sofort eine pervertierte Knabenliebe zu, auf einem Schulschiff des Sadomasochismus, der Gorch Fuck des Fischfangs?
Dieses Gefühl finde ich Jahrzehnte später in Bertrand Mandicos Langfilmdebüt Les garçons sauvages (Originaltitel) wieder, eine einfache und vulgäre Assoziation, die dem instabilen und fluiden Aggregatzustand des Films in ihrer Simplizität nicht entspricht, doch der mitunter starke Rückbezug auf unbewusst Verstörendes, das hier wie selbstverständlich in der Auslage präsentiert wird, funkelte bereits damals unter der Last der sinkenden Sonne am Horizont.
Schmuck und Juweliges glänzen wie bei Josef von Sternberg oder Max Ophüls, weite Teile des Films ruhen auf den Grundpfeilern der Bilderwelten Kenneth Angers: Vom homoerotischen Frühwerk Fireworks, dessen monochromer Matrosenraufhändel explizit zitiert wird, bis zum späteren, okkulter und mystischer wirkenden Schaffen in Farbe, findet man viele Bezugspunkte. Optisch also schon ein besonderer Leckerbissen, der die Vorzüge der Vergangenheit genüsslich auskostet, und dabei soweit geht, auf die moderne Post-Produktion zu verzichten, um alles direkt am Set, unter Zuhilfenahme von In-Camera-Effekten, in Szene zu setzen. Ganz anders der Ton, welcher Schicht für Schicht im Studio nachsynchronisiert und von Grund auf neu zusammengestellt wurde.
Die Wirkung besticht: The Wild Boys erweist sich als schnell wie das Wetter auf See umschlagen könnender Fiebertraum des abseitigen Kinos, der Vorstellung von der Überlegenheit des Inkohärenten folgend, der Mandico anhängt: Farbige Szenen wechseln mit Einstellungen in schwarz/weiß, man schwenkt mitten in der Konversation von Französisch auf Englisch um, und auch die Geschlechtsidentität der Figuren ist im Wandel begriffen. Nicht nur genderfluid, das ganze Unterfangen fließt und strömt wie ein mondsüchtiges Rinnsal, dem Rhythmus der Gezeiten spielerisch folgend, in verschiedenste Richtungen.
Eine davon, die dunkelfeuchte Träumerei aus der erdigen Würze des Schoßes, belässt es nicht bei der Beschränkung von Erotik auf den menschlichen Körper, und bezieht die gesamte Umgebung des Films in ihr Liebesspiel mit ein, texturenreich und von variabler Viskosität, wie ein von der Leinwand herab pflückbarer, gereifter Pfirsich. Über Bild und Ton herausgehende Eindrücke sammeln sich im Zuschauerraum, Gerüche stehen im Saal, die schwüle Feuchte tränkt die Kinobänke. Ein Schamhaar auf der Zunge, Sperma als Nektar, sich um den Torso rankende Schenkel: Die Abenteuer der Insel machen die schwierige Überfahrt vergessen.
Eine andere verfolgt die Frauwerdung der bösen Buben, den naiven Gedanken zulassend, die Feminisierung der wilden Jungs werde sie zu sanfteren Menschen machen, zu echten Partizipanten der Zivilisation, anstelle von rücksichtslosen Barbaren. Diese Strömung bleibt angenehm ambivalent, auch durch Mandicos Einfall, alle männlichen Hauptfiguren (bis auf den Kapitän) von jungen Frauen darstellen zu lassen. Die dadurch entstehende Spannung entlädt sich schließlich in einem dionysischen Fest der Jungskörper, als homosexueller Ausbruch zu den Klängen der Nina Hagen Band.
Die restliche Musik des Films, zielsicher und zupackend, oszilliert zwischen Krautrock-Einschüben (u.a. der einflussreichen Band Cluster), Impressionen der Berliner Schule, der melancholisch bis experimentellen Atmosphäre von Ennio Morricone und vereinzelten Horror Synth-Anwandlungen, die eher als verhuschte Skizze in der Luft schweben, ohne jemals vollständig Fleisch zu werden, komponiert von Pierre Desprats, Hekla Magnúsdottír und der Band Scorpion Violent.
Der die Sinne überwältigende Clash von Bruchstücken der Welten Jules Vernes und William S. Burroughs, welcher die nur sehr, sehr lose (wenn überhaupt) adaptierte Buchvorlage The Wild Boys: A Book of the Dead schrieb, ergibt eine mit sexuellen Fetischen durchsetzte Abenteuergeschichte, die mit dem Rückgriff auf frühere Ästhetiken des absonderlichen und exotischen Kinos glänzt, um damit hochaktuelle Themen zu verhandeln, die sich gerade erst ihren Weg in den Mainstream bahnen. Und das nicht auf die Art des betonklotzigen Thesenfilms, sondern in der organischen Lebendigkeit der Verschmelzungen und Verwandlungen, mehrfach prismengebrochen kaleidoskopisch und so märchenhaft wie magisch. Der genuine Zauber von Film und Kino in voller Pracht und mit so gut wie all seinen Möglichkeiten. 9/10

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Zuletzt geändert von Shub-Niggurath am 14. Apr 2021 11:57, insgesamt 1-mal geändert.
Keramikvasen geh'n jetzt wieder viel leichter kaputt.

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