Vegane Ernährung in der Schwangerschaft und bei Kindern

Schwangerschaft, Kinder & Familienleben
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somebody
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Beitrag von somebody » 18. Sep 2016 14:27

Hallo Sookie,

gute Versorgung mit Protein ist wegen Mehrbedarfs während der Schwangerschaft und der Stillzeit sehr wichtig. Es ist also keinesfalls damit getan, während der Schwangerschaft neben Getreideprodukten als Proteinquellen in einen Teil der Mahlzeiten tierische Produkte als Proteinquellen einzubauen.

Das in den weitaus meisten Fällen auch bei Allergien und anderen Unverträglichkeiten sehr gut verträgliche Reisprotein, wobei ein Produkt mit Lysinzusatz bevorzugt werden sollte, kann unproblematisch auf vielfältige Weise in den Speiseplan integriert werden, beispielsweise als Zutat zu selbst hergestellten Smoothies, Zutat zu selbst gebackenem Brot, Zugabe zu Haferflockem/Müsli, Zutat zu Bratlingen uÄ.
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BodyBuilder
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Beitrag von BodyBuilder » 18. Sep 2016 15:07

Sookie hat geschrieben:Aber ich fühle mich gerade nicht sonderlich experimentierfreudig und meinen Eiweißbedarf mit Shakes zu decken, fühlt sich für mich gerade wie eine gute Option an.
Hallo Sookie,
ich hatte da auch weniger an Shakes gedacht, sondern an das Hinzufügen zu anderen Speisen. In Saucen geht es z.B. sehr gut. Die bekommen dann eine gewisse zusätzliche Sämigkeit, die oft ja sogar erwünscht ist. Dafür werden sonst oft Saucenbinder oder Mehl genutzt und mit Proteinpulver erreicht man eine durchaus ähnliche Konsistenz.
Sookie hat geschrieben:Aber ich esse eben wieder wieder ovo-lacto-vegetarisch und da mir das mein Leben gerade ungemein erleichtert, hab ich auch vor, das für die nächsten Monate fortzusetzen.
Es liegt mir absolut fern das irgendwie zu kritisieren. Ich wollte nur auf eine möglicherweise vergessene alternative Option aufmerksam machen.
Sookie hat geschrieben: Bei Heißhunger auf ein Steak gewinnt trotzdem meine Ethik, bei vegetarischen Produkten allerdings mein Bauch.
OK, habe ich verstanden und ist von meiner Seite her auch respektiert.

Sookie hat geschrieben:Dazu muss ich jetzt noch L-Thyroxin nehmen, weil ich (für eine Schwangere, sonst nicht) eine leichte Schilddrüsenunterfunktion hab.
Auch das ärztlich verordnete L-Thyroxin werde ich dir sicher nicht ausreden wollen, wenn ich nach der Jod-Versorgung frage.
Kommst Du mit deiner Ernährung auf die empfohlenen 150µg Jod pro Tag?
Es gab schon öfter mal Fälle, bei denen ein Arzt eine Jodunterversorgung nicht erkannt hatte und dann die daraus resultierende Schilddrüsenunterfunktion mit L-Thyroxin behandelt hat.

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Sookie
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Beitrag von Sookie » 18. Sep 2016 21:43

Hallo ihr Lieben,

Erst einmal vielen Dank für die vielen freundlichen Antworten. Ich versuche mal, mich durchzuarbeiten und hoffe, dass ich nichts übersehe.

Hallo Mashisouk,
ich wollte tatsächlich in erster Linie berichten. Mir hätte es einerseits selbst in den letzten Wochen geholfen, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, nicht die einzige zu sein, die schwanger und vegan nicht so leicht vereinen kann und zweitens wollte ich es einfach mal aufschreiben. Ich bin in meinem Familien- und Freundeskreis die einzige, die sich vegan ernährt und wenn ich da auf Nachfrage sage, dass ich das während der Schwangerschaft unterbrochen habe, kommt als Reaktion wenig überraschend nur "Zum Glück, alles andere wäre ja auch verrückt".
Auf der anderen Seite habe ich aber natürlich auch nichts gegen Tipps und interessiere mich generell sehr für Ernährung. Also sind Ratschläge durchaus willkommen, solange es okay ist, wenn ich keine Garantie zur Umsetzung geben kann.
Ich teste gerade einfach aus, was sich gut für mich anfühlt und habe ehrlich gesagt schon auch Angst, dass ich es rein vegan nicht schaffen würde, mich ausreichend zu versorgen. Das heißt, dass ich mich von Tipps bestimmt nicht genervt oder vollgesülzt fühle, aber dann eben trotzdem einfach gucke, ob das für mich gerade machbar klingt.

Hallo Somebody,
In den letzten Tagen hatte ich etwa 85 bis 100 Gramm Eiweiß pro Tag und dachte eigentlich, das wäre ausreichend. (Ich bin nur 1,63 groß bei -mittlerweile - 55 Kilo.) Meinst du, das ist nicht genug?

Und schließlich hello again Bodybuiler,
danke für den Tipp. Dass man das Proteinpulver auch für Saucen benutzen kann, wusste ich nicht. Weißt du zufällig, ob man es auch zum Backen verwenden kann oder übersteht es die längere Hitze nicht?
Was die Jodversorgung angeht, kann ich ehrlich gesagt nur mit "keine Ahnung" antworten. Ich dachte, durch Jodsalz wäre ich okay versorgt und mein Schilddrüsenwert ist für "nicht schwanger" laut Arzt auch wie gesagt top. (Hab auch vor einem Jahr schon mal testen lassen und da war der Wert auch gut.) Heute und gestern hatte ich veganes Sushi, da war die Jodversorgung durch die Algenblätter sicher super, aber sonst kann ich das nicht sicher sagen. Ich dachte bislang eben, das Jodsalz würde ausreichen.

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somebody
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Beitrag von somebody » 18. Sep 2016 22:33

Hallo Sookie,

langfristig ist Deine Proteinzufuhr sogar zu hoch. Standardempfehlung mit Sicherheitsmarge für nicht professionell Sport treibende VeganerInnen ist täglich um 1 g Protein je kg Körpergewicht, bei Mehrbedarf durch Schwangerschaft, Stillen vielleicht 20 % Zuschlag. Mit insgesamt ca 60 - 70 g Protein täglich solltest Du ausreichend versorgt sein. Bei optimaler Qualität und bedarfsgerecher Abdeckung der essentillen Aminosäuren, was in der Praxis selten der Fall ist, reichen prinzipiell weniger als 0,5 g je kg Körpergewicht.

Durch Erhitzen verringert sich die Qualität der Aminosäuren, was ein Grund für die hohe Sicherheitsmarge ist. Reisprotein verwendete ich schon als Zutat zu selbst gebackenem Brot/Brötchen. Bei Hitzeeinwirkung durch Backen bleibt von den einzelnen Aminosäuren nur in Größenordnung 1/3 bis 3/4 (?) übrig.

Iodsalz aus dem dt Einzelhandel ist ca 20 Mikrogramm Iod je g zugesetzt. Mit Iodsalz als alleiniger Iodquelle sind die ebenfalls Sicherheitsmargen enthaltenden Zufuhrempfehlungen nicht erreichbar, zumal bei Schwangerschaft/Stillen die Zufuhrempfehlungen höher sind. Wenn gelegentlich iodhaltige Algen auf dem Speiseplan stehen, schaut es besser aus. Falls Brot/Brötchen mit Iodsalz als Zutat (Bäckerei/Hersteller fragen bzw ist manchmal auf der Verpackung angegeben) gegessen werden ist die Situation noch besser. Äußerte sich Dein Arzt dazu, wie viel Iod Du zu Dir nehmen darfst? Bei Schilddrüsenerkrankungen sollten hohe Einzeldosen gemieden werden. Sporadisch typische Portion Sushi mit Nori sollte aber OK sein.
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dagobertina
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Beitrag von dagobertina » 19. Sep 2016 03:58

Hallo nochmal,

mangelhafte Proteinversorgung ist in DE eher selten. Die meisten Deutschen - auch Veganer - haben mit der Proteinversorgung keine Probleme. Wenn man mal wirklich kaluliert brauchts z.B. keine hohe Menge an Hülsenfrüchten um den Bedarf zu decken. Die Wertigkeit der Proteine von Milchprodukten ist mit der von Eiern am höchsten. Von daher würde ich mir da gar keine Sorgen machen. Auch wenn jetzt wahrscheinlich einige über mich her fallen - es macht für mich durchaus Sinn in der SS Gelüste auf Milch zu haben. Calcium ist in der Schwangerschaft kritisch, da einfach die Knochen der Mutter ausgeräubert werden bei Mangel um das Skelett des Kindes aufzubauen. Und Calcium ist aus Milch einfach sehr gut verwertbar. Ja, ich kenne die Chinastudie. Schwangerschaft ist trotzdem ein spezielles Thema, und ich halte die Beobachtungen auch nur zum Teil für übertragbar (zB wird der Phosphatverzehr geringer gewesen sein, Phosphat ist ein Gegenspieler zum Calcium im Puffersystem).

Bei den Empfehlungen zu Jodid bitte Vorsicht. Bei vielen wird in der Schwangerschaft auch ein Hashimoto diagnostiziert, der sich in einer Unterfunktion manifestiert und da ist Iodidzufuhr sehr umstritten.

Bzgl. Veganismus und SS bzw. Stillzeit sehe ich eigentlich insbesondere Vitamin B12 und die Versorgung mit DHA problematisch. Hier sollte wirklich substituiert werden - und das auch in der Stillzeit.

LG

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Sookie
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Beitrag von Sookie » 19. Sep 2016 08:17

Hallo Somebody,

Dann war mein Gefühl ja richtig, dass ich auf keinen Fall zu wenig Eiweiß abbekomme. Ich kenne die empfohlenen Zahlen - interessiere mich wie gesagt auch schon länger für das Thema - und war einfach gespannt, ob du vielleicht andere Informationen hast als ich. Ich sollte dazu sagen, dass ich tatsächlich viel Sport mache und auch deshalb darauf achte, dass mein Eiweiß-Anteil relativ hoch liegt. (100 finde ich auch für deutlich zuviel, wobei ich das Gefühl habe, dass sich sowas über die Woche auch wieder ausgleicht. Ich halte da eher den Mittelwert im Auge.) Ich hab natürlich die Intensität des Sports etwas runtergefahren und angepasst, aber mache immer noch so viel, dass ich denke, dass etwas mehr Eiweiß, als sonst ohne Sport für meine Körpergröße empfohlen wäre, sinnvoll ist.

Mein Arzt hat das Thema Jod nicht angesprochen, sondern meinte nur, dass mein Wert nur für eine Schwangerschaft an der Grenze wäre und ansonsten top. Das L-Thyroxin ist aus seiner Sicht mehr eine Sicherheitsmaßnahme. Aber ich esse Sushi auch nicht täglich oder auch nur wöchentlich, daher ist eine Überdosierung mit Jod wohl sehr unwahrscheinlich.


Hallo Dagobertina,

Vielen Dank für deine Zeilen. Ich sehe das sehr ähnlich wie du. Ich glaube zwar durchaus, dass man auch vegan eine gesunde Schwangerschaft sehr gut hinkriegen kann, aber ich glaube auch, dass man dann einfach noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit investieren muss und möglichst auch einen Arzt braucht, der sich mit dem Thema auskennt.

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Beitrag von BodyBuilder » 19. Sep 2016 22:45

Hallo Sookie,
zu den Fragen Protein- und Aminosäurestabilität hat somebody ja schon geschrieben und ich kann seine Ausführungen dazu nur unterstreichen.
Bezüglich Jod klingt es für mich allerdings schon so, dass Du auf den empfohlenen RDA-Wert wohl nicht kommst. Alle Monate mal eine Portion veganes Sushi ist nicht gerade viel.

Mit dem normalen Jodsalz kommen nur ausgeprägte Nachsalzer über 20% des RDA-Tagesbedars, weil man gerade bei veganer Ernährung die Haupmengen der täglichen Salzzufuhr typischerweise auch gar nicht über das selbst hinzugefügte Jodsalz bekommt, sondern beispielsweise über (gekörnte) Gemüsebrühe oder Sojasauce und ähnliches. Und nur wenige Sorten davon enthalten Jodsalz.
Das heißt, für die noch fehlenden 80% des RDA-Jodbedarfs muss man sich andere Quellen suchen.

Veganes Sushi ist super, aber mit nur 1x pro Monat kommt da nicht viel Jod zusammen.

Also ich kann mir gemäß deiner Beschreibung durchaus vorstellen, dass Du deutlich unter 150µg an täglicher Jodzufuhr bleibts. Mal nachrechnen könnte sich lohnen.
Insbesondere, wenn schon bekannt ist, dass die Schilddrüsenfunktion etwas schwach ist.
Vielleicht liegt es eben schlicht und einfach an einer ungenügenden Jodzufuhr und deine Schilddrüse ist gar nicht krank?

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Beitrag von somebody » 20. Sep 2016 00:10

Hallo Sookie,

bei typischem Freizeitsport ist die Standardempfehlung täglich 1,2 g Protein je kg Körpergewicht, im professionellen Sport für die meisten Anforderungen 1,2 - 1,4 g, bei besonders hohen Anforderungen zur Wettkampfvorbereitung bzw in Wettkampfsituationen je nach Sportart 1,4 - 1,8 g. Für höhere Proteinzufuhr ist wissenschaftlich kein Nutzen belegt. Meine eigene Proteinzufuhr aus etwa zu 1/2 Getreide und 1/2 Hülsenfrüchten liegt bei bei täglich intensivem Jogging und moderatem Krafttraining Median um 1,2 g je kg Körpergewicht, Extremwerte zwischen ca 0,9 und 1,3 g. Im Rahmen meiner Recherchen für ein Projekt zur Nährstoffversorgung für verschiedene Zielgruppen bei veganer Ernährung wertete ich wissenschaftliche Quellen und Interviews mit veganen SportlerInnen und von veganen SportlerInnen verfasste Texte/Artikel aus.

Auch bei Schildrüsenunterfunktion bzw Hashimoto ist Iodzufuhr im Rahmen der offiziellen Empfehlungen unbedenklich. Die Empfehlungen der Institutionen in der DACH-Region und die der WHO reichen für schwangere und stillende Frauen von täglich 200 - 260 Mikrogramm. Die Empfehlungen für die nicht zu überschreitende Iodzufuhr bei Schildrüsenunterfunktion etc reichen von täglich 250 - 300 Mikrogramm. Da ausreichende Iodzufuhr auch für das Kind in Schwangerschaft und Stillphase wichtig ist, sollte in jedem Fall auf die Iodzufuhr geachtet werden. Zu den Empfehlungen der Institutionen für Iod ist anzumerken, dass auch sie Sicherheitszuschläge beinhalten. Ich habe Papers in Erinnerung, lt denen das Risiko für Erkrankungen/Entwicklungsstörungen der Kinder von schwangeren und stillenden Frauen mit Iodversorgung von unter täglich Größenordnung 120/140 Mikrogramm deutlich zunimmt. Meine Empfehlung für Dich sind täglich 200 Mikrogramm analog der WHO Empfehlung für schwangere und stillende Frauen. In der Praxis ist Kalkulation der eigenen Iodversorgung wg den meist unklaren Angaben bei Brot und Fertigprodukten leider oft problematisch.
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dagobertina
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Beitrag von dagobertina » 20. Sep 2016 04:48

somebody hat geschrieben: Auch bei Schildrüsenunterfunktion bzw Hashimoto ist Iodzufuhr im Rahmen der offiziellen Empfehlungen unbedenklich.
Über diese Aussage streiten sich die Fachleute. Es gibt eben auch die Empfehlung, kein Jod zu substituieren, da dies die Einstellung der SD erschwert und eine schlechte Einstellung zB Fehlgeburten fördern kann.
Mir wurde klar von Jodzufuhr abgeraten. Der betreffende Arzt war Nuklearmediziner einer Uniklinik. Also, von daher, ich würde das konkret mit dem betreffenden Arzt besprechen. Auch, ob ggf. Autoantikörper auffällig sind und ggf. abwägen in Abhängigkeit von der Stabilität der SD Einstellung.

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Beitrag von somebody » 20. Sep 2016 23:15

Hallo dagobertina,

iodarme/iodfreie Ernährung bei Schilddrüsenhormoneinnahme ist nur in eher seltenen Konstellationen erforderlich.

Schilddrüsenerkrankungen sind in meiner Familie und in meiner Region relativ häufig. Beispielsweise meine Mutter, mein Onkel, meine Großeltern mütterlicherseits mussten bei ihrer Schilddrüsenunterfunktion keine Einschränkungen im Hinblick auf die Iodzufuhr via Nahrung zu beachten. In den mir bekannten Hashimoto Fällen besteht ebenfalls keine Einschränkung für die Iodzufuhr via Nahrung, es müssen lediglich iodreiche Mahlzeiten vermieden werden.

So, wie ich Sookie verstand, waren ihre Laborparameter grenzwertig und die Verordnung des Schilddrüsenhormons erfolgte prophylaktisch. In dieser Konstellation bestehen meines Wissens keine Einschränkungen für die Iodzufuhr via Nahrung im Rahmen der Zufuhrempfehlungen. In Fällen nicht sichergestellter Iodzufuhr via Nahrung werden oft Iod und Schildrüsenhormon als Kombipräparat verordnet.

Wir sind uns aber einig, es sollte im konkreten Einzelfall immer sachkundiger ärztlicher Rat eingeholt werden.
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