Ismus

Allgemeine Fragen & Diskussionen zum Veganismus
Sphinkter
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Ismus

Beitrag von Sphinkter » 4. Mai 2019 10:04

Eine Frage. Oftmals werden -Ismen kritisiert, da sie ein Glaubenssystem, eine Lehre, eine Ideologie verkörpern. Fundamentalismus und Intoleranz sind dann oftmals nur ein Schritt entfernt..Beispiel Islamismus der gegen die Prinzipien von Individualität, Volkssouveränität, gegen Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter steht.
Nun denke ich manchmal, dass ich mit dem Veganismus auch in so einer Ideologie "gefangen" bin, die es mir nicht erlaubt eine andere Meinung (wie, das es völlig in Ordnung ist Tiere zu schlachten und aufzuessen) zu akzeptieren. Ich empfinde es als Unrecht, gar ein Verbrechen, was unter Verbot und Strafe gestellt werden sollte.
Es fühlt sich 100% richtig an. Aber das tut, es beim Fundamentalisten mit Sprengstoffgürtel sicher auch (zur Klarheit, ich lehne Gewalt ab zur Durchsetzung meiner Ideologie, das war nur ein Beispiel).
Auf der anderen Seite fühlt es sich so an, als habe man ein ganzheitliches Bild verloren und sich radikalisiert, obgleich der Veganismus für mich die besten Argumente hat. Im Gegenzug lässt es mich aber nicht zur Ruhe kommen, bei all dem Unrecht und Leiden und der Ignoranz und Dekadenz.
Kann man das verstehen? Wie seht ihr das?

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human vegetable
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Beitrag von human vegetable » 4. Mai 2019 10:54

Googel' mal nach "Wertequadrat". Zum Einstieg: https://www.schulz-von-thun.de/die-mode ... ngsquadrat

Bild

Das ist ein psychologisches Hilfsmittel zur Auslotung von Widersprüchen (scheinbar) gegenseitig inkompatibler Werte. Du könntest dann versuchen, das Verhältnis von Idealismus/"theoriebasiertem Altruismus" und Fundamentalismus in einem solchen auszuloten, um für dich die positive Schwestertugend von Idealismus zu finden, die den Abstieg in den menschenverachtenden Fundamentalismus verhindert. Vielleicht Offenheit, oder "praktische Empathie" für die spezifische und subjektive Verfassung deines Gegenübers?
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illith
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Beitrag von illith » 4. Mai 2019 11:13

hm, ich kann dir irgendwie nicht folgen bzw sehe nicht, wo genau dein Problem liegt :drop1:
bei Veganismus geht's - mir jedenfalls^^ - ja nicht drum, irgendwem meine Ansichten und Ideologien aufzuzwingen, sondern mich gegen Gewalt gegen Schwächere, 'Unschuldige' zu positionieren (und im begrenzten Rahmen meiner Möglichkeiten aktiv dagegen zu kämpfen).
das hat für mich nichts mit Fundamentalismus oder In/Toleranz zu tun, sondern ethischem Anspruch und Basic Human Decency.
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Sabotagehase
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Beitrag von Sabotagehase » 4. Mai 2019 11:30

ist das nicht eher eine Frage des Konsequent sein?
Man könnte zb die Parlamentarische Demokratie und die Akzeptanz ihrer genauso in "Ismen" einordnen, wenn man wollte, ist ja schließlich auch iwie eine art Denkrichtung die von Menschen vertreten wird. Würde nur keiner machen weil sie als "normal" gilt. Veganismus ist nicht "normal", aber Fleisch essen schon. Ist es dann nur deshalb in irgendeiner Form verwerflich, "vegane Werte" zu vertreten? Denke nicht. Aber man wird sich aus einer Welt, in der nunmal manche Zustände akzeptiert sind andere "nur" toleriert und einige gehasst bzw. bekämpft werden schlecht herauslösen können.
Also vertret ich für meinen Teil lieber meine eigenen Werte, weil letztendlich ist die Akzeptanz von Werten immer relativ, und wer wen genau nun als "radikal" (nicht zu verwechseln mit Gewaltbereitschaft) bezeichnet, auch.

Sphinkter
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Beitrag von Sphinkter » 4. Mai 2019 13:40

illith hat geschrieben:hm, ich kann dir irgendwie nicht folgen bzw sehe nicht, wo genau dein Problem liegt :drop1:
.
Mein Problem liegt darin, seid ich dem Club beigetreten bin, kann ich keine konträre Meinung mehr tolerieren.
Der Veganismus hat in mir die Fähigkeit genommen zum Thema Tierkonsum eine andere Perspektive zu akzeptieren. Als Vegetarier war ich da offener, vielleicht weil ich mich ja selbst am Elend beteiligte.

Ein konkretes Beispiel:

Ich kann den Typ im brauen Sakko nicht ertragen. Wenn der seine Sprechpausen macht und seine Rede theatralisch ausschmückt, aber hauptsächlich seine Argumente. Ich könnte dem an die Gurgel gehen, würde ich natürlich nicht machen. Eine Seite von mir 8-) Und es fühlt sich alles 100% im Recht an.
Was ich sagen will, mir ist die Fähigkeit abhanden gekommen eine andere Meinung zum Thema Tierprodukte stehen zu lassen.
Auf der anderen Seite, wie kann man eine andere Meinung zum Thema Kindesmissbrauch stehen lassen oder Vergewaltigung oder Vernichtung einer Rasse.
Gibt es Themen die aus ethischer Sicht keine andere Meinung zulassen können, ich bin geneigt ja zu sagen.

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Beitrag von Lee » 4. Mai 2019 14:10

Bin ich auch geneigt zu.
Muh!

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illith
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Beitrag von illith » 4. Mai 2019 14:37

genau das, was du im letzten Teil sagst, wollte ich grade vorbringen^^
da gehts ja nicht um irgendwelche Meinungen sondern m.M. 'objektiv' um Recht und Unrecht. hat natürlich wie alles im Leben einen ausufernden Grauzonenbereich und fließende Übergänge, aber das ist ja nichts Veganspezifisches. dass es nicht in Ordnung ist, einem fühlenden Individuum ohne Not Leid und Gewalt zuzufügen - da gibt es in meinen Augen halt einfach nichts dran zu rütteln.
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Beitrag von human vegetable » 4. Mai 2019 16:10

Die weiteren Beiträge bestätigen meine "Erstdiagnose": Sphinkter beklagt mangelnde Empathie mit/Akzeptanz von Menschen, die seine Ideale nicht teilen. Er befürchtet, zum eiskalten, misanthropischen Dogmatiker zu werden.

Evtl. ist es hilfreich, sich Menschen wie Gandhi, den Dalai Lama oder Martin Luther King als Vorbild zu nehmen: Hart in der Sache, aber im Umgang mit Mitmenschen sehr warm und zugewandt. Andererseits: Würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass die hinter verschlossenen Türen auch immer so rüberkamen - zumindest über Gandhi habe ich wilde Geschichten gelesen, und auch der Dalai Lama hat Kritiker. Vielleicht nur gute PR... Wohl besser, an eine glaubwürdige Person im eigenen Umfeld zu denken, die diese Quadratur des Kreises zwischen Durchsetzungsstärke und Freundlichkeit hinbekommt.

Sphinkter, du hast dich doch schon ausführlich mit Buddhismus und Meditation beschäftigt. Vielleicht hilft dir etwas Metta-/Loving Kindness Meditation, oder ein westliches Äquivalent?

Ich denke immer noch, dass das Wertequadrat einen guten Anfangspunkt darstellt, um das Problem zu klären und die persönliche Entwicklungsrichtung zu planen. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung!
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Beitrag von Sphinkter » 4. Mai 2019 16:18

illith hat geschrieben:dass es nicht in Ordnung ist, einem fühlenden Individuum ohne Not Leid und Gewalt zuzufügen - da gibt es in meinen Augen halt einfach nichts dran zu rütteln.
Und da liegt ja das Problem. Im Tierschutzgesetz steht "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."
Ich würde sagen, schlachten ist ein Schaden zuführen.
Dann geht es in Paragraph 4 auf einmal um die Tötung, wie das alles geregelt ist.
Nun könnte man sagen, der gesellschaftliche Konsens ist, dass es in Ordnung ist Tiere zu töten. "Vergleich das nicht mit Vergewaltigung. Und daher akzeptiere die legalen Bedürfnisse anderer Menschen". Das Bedürfnis nach Genuss steht wohl in unserer Gesellschaft über der Unversehrtheit des Tieres.
Ich werde darauf wohl nicht klarkommen, denn manche Menschen sind sicher der Auffassung, dass es Notwendig ist Tierprodukte und Fleisch zu essen.

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illith
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Beitrag von illith » 4. Mai 2019 16:23

also das hab ich in der 7. Klasse Werte&Normen gelernt, dass Legalismus kein geeignetes Modell für ethische Entscheidungen ist ;)

dass "es schmeckt mir aber" kein "vernünftiger Grund" ist, wenn auf der anderen Seite der Wagschale Leib & Leben eines empfindsamen Individuums steht, würde eigentlich jeder normale Mensch erkennen, unterstelle ich mal. ...wenn da nicht die der karnistische Brainwash im Einsatz wäre.
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