Veganismus als Schutz des Lebens?

Allgemeine Fragen & Diskussionen zum Veganismus
Anna.

Veganismus als Schutz des Lebens?

Beitrag von Anna. » 19. Feb 2009 15:52

Hallo,

ich bin dabei, vegan zu werden, bin jedoch durch ein Gespräch mit einem Biologen auf einen interessanten, kritischen Ansatz aufmerksam gemacht worden.

Der Verzicht auf Fleisch und Tierprodukte im Allgemeinen geschieht wohl bei den meisten Vegetariern und Veganern aus einer hohen Empathie gegenüber den Tieren, die für die menschliche Ernährung sterben müssen bzw. ausgebeutet werden. Dies können wir empfinden, weil wir tierisches Leben mit menschlichen Augen betrachten. Tiere sind dem Menschen in körperlicher und möglicherweise auch in Hinsicht auf das Schmerzempfinden ähnlich. Diese Ähnlichkeit springt jedem ins Auge. Doch wie - und ich bitte nur um ernstgemeinte Antworten - kann diskussionslos der Umstieg auf eine andere Lebensform - nämlich Pflanzen - gerechtfertigt werden?
Pflanzen sind Leben. Sie besitzen alle Merkmale, die Lebewesen ausmachen: einen funktionalen Organismus, die Möglichkeit zu Wachstum und Fortpflanzung, ein Nervensystem, das z. B. in der Lage ist, Gefahr signalisierende Reize zu verarbeiten - so wie das menschliche Schmerzempfinden. Wir reagieren auf Hinweisreize wie Hitze oder Stechen auf der Haut durch spitze Gegenstände mit Rückzug, weil Schmerz ein körperliches Signal ist, das eine potentielle Schädigung des Körpers anzeigt. Auch Pflanzen besitzen diese Funktion: Jeder kennt Arten, die sich bei Berührung zurückziehen, ihre Blüte schließen oder Ähnliches; und nicht umsonst hat eine Vielzahl an Pflanzen, die in Regionen ansässig sind, in denen ihr Leben v. a. durch frei lebende Pflanzenfresser besonders gefährdet ist, Stacheln, Dornen und andere Schutzmechanismen. Welcher Unterschied rechtfertigt die Zerstörung und Ausbeutung pflanzlichen Lebens als Alternative zu tierischem? Menschen, Tiere und Pflanzen können gleichermaßen Hinweisreize zu potentiellen Schädigungen empfangen - doch unsere engstirnig menschliche Sicht deklariert allein menschliches und tierisches Empfinden bei Tötung als Schmerz und Leid, weil wir uns nicht vorstellen können oder wollen - vor allem wohl nicht können -, dass Pflanzen fähig zu Leidempfinden sind. Welcher überzeugt vegan Lebende kennt die neuronalen Verarbeitungsprozesse von schmerzverursachenden Reizen in pflanzlichen Organismen, wer kann mit Sicherheit sagen: Pflanzen empfinden keinen Schmerz?
Um konsequent weiterzudenken: Meint ihr, Pflanzen und ihre Produkte wie Früchte und Samen sind allein für die tierische und menschliche Ernährung gemacht? Meint ihr, dieser Verzehr ist "eher erlaubt" als der Verzehr tierischer Produkte? Mich erinnert das an die skrupellose Mordweise an Fischen. Fische schreien nicht - aus dem Grund wird mit ihnen auch nicht zimperlich umgegangen, und doch gibt es, ebenso wie bei Pflanzen, ernstzunehmende Hinweise auf Schmerzempfinden. Soweit denken Veganer und verzichten auf Fisch. Aber pflanzliches Schmerzempfinden wird nicht ernst genommen. Wir sind durch Videos wie "Earthlings" und "We feed the World" über Verarbeitungsprozesse an Tieren aufgeklärt und wir alle haben Bilder von leidvoll dreinblickenden Tieraugen vor uns. Solche Aufklärungsvideos sind wichtig. Aber Pflanzen leben auch, wollen sich vermehren, ja, leben in mancher Hinsicht sogar noch mehr in Einklang mit Tieren als wir, wenn man einmal an die von Bienen durchgeführte Bestäubung denkt. Nur schauen sie uns nicht leidvoll an, schreien nicht, wenn man sie abreißt, protestieren nicht, wenn man sie ihrer Früchte beraubt, Früchte, Samen, die allesamt neues, pflanzliches Leben enthalten. Wie, frage ich, ist das mit veganer Ethik vereinbar? Ist laut veganer Ethik denn tierisches Leben mehr wert als pflanzliches?
Und, um auch hier wie im Tierproduktbereich das Denken nicht nur auf Essgewohnheiten zu beschränken: Dein Tisch, Dein Stuhl, Dein Schrank, Dein Bett, Deine Küche, Deine Fensterrahmen, Deine Türen, Deine Dielen - aus zerstörtem, vielleicht hundertjährigem, prachtvollem, vielen Tieren Schutz und Schatten bietendem, die Erde bereicherndem, für Mensch und Tier durch Photosynthese überaus großen Nutzen erweisendem, zu einer von uns gemeinhin als Baum bezeichneten "nachwachsende Ressource" gehörendem Holz?

Ich bin gespannt auf ernstgemeinte, hintergründige Antworten. Für mich persönlich ist das ein großer Konflikt, und freilich ist mir nicht entgangen, dass der konsequente Verzicht auf nunmehr auch pflanzliche Mittel den Menschen komplett die Ernährungsgrundlage entziehen würde. Doch was rechtfertigt den Umstieg auf die Verwertung anderen Lebens, weil uns Menschen das tierische zu kostbar scheint? Was rechtfertigt den Gedanken, Pflanzen dürfen zur Ernährung und Bereicherung des Menschen genutzt werden, Tiere jedoch nicht? Ist es allein der Gedanke, dass wir heutzutage in der Lage sind, auf Grund der Vielzahl pflanzlicher Produkte auf tierische zu verzichten? Warum nicht umgekehrt? Und wie kann man überhaupt Leben gegeneinander aufwiegen?

Weiterdenken, weiterdenken.
Dafür eintretend,
Anna.

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SxEric
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Beitrag von SxEric » 19. Feb 2009 16:32

pflanzen besitzen kein schmerzempfinden, bzw. können leiden nicht bewusst wahrnehmen, im gegensatz zu tieren..
i'll be back...

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Christian.
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Veganismus als Schutz des Lebens?

Beitrag von Christian. » 19. Feb 2009 16:34

Hi Anna,
zwischen Pflanzen und Tieren gibt es entscheidende Unterschiede. Pflanzen besitzen nicht, wie du behauptest, ein Nervensystem. Sie können Reize verarbeiten, aber das ist erst einmal nicht bedeutend. Ein Thermometer reagiert auch auf Hitzeeinwirkung, und bei vielen Pflanzen sind es auch nur einfachste chemische Reaktienen. Wie du ja selbst sagst, ist das Entscheidende die Empfindungsfähigkeit bzw. das Leidempfinden. Man kann wohl nicht sagen, dass Pflanzen mit Sicherheit nicht empfinden, aber man kann auch nicht mit Sicherheit sagen, dass ein Stein nicht empfindet. So etwas zu behaupten, ist reine Spekulation. Durch Beobachtung und Vergleiche mit dem Menschen können wir aber ziemlich sicher sein, dass zumindest die meisten Tiere Empfindungsfähigkeit besitzen, was auch die Grundlage der meisten Tierethiken ist.

Gruß,
Christian

Anna.

Beitrag von Anna. » 19. Feb 2009 16:41

Hallo Christian,

Du hast wohl Recht, dass Pflanzen kein Nervensystem in dem Sinne besitzen, danke für die Berichtigung. Allerdings habe ich mich auf ein paar Seiten umgesehen und festgestellt, dass die wissenschaftliche Tendenz zwar seit Jahren in die Richtung geht, dass Pflanzen kein Schmerzempfinden haben, es allerdings allein auf Grund der Verschiedenheit zu Menschen oder Tieren nicht auszuschließen ist, wie Du schon sagtest.

Abseits dessen: Pflanzen sind Lebewesen, ebenso wie Tiere inkl. Menschen. Besteht der einzige Grund, das pflanzliche Leben gegen das tierische aufzuwiegen, wirklich darin, dass Pflanzen vermutlich keinen Schmerz empfinden und man sie deshalb abtöten und ausbeuten kann?

Grüße,
Anna.

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Christian.
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Beitrag von Christian. » 19. Feb 2009 16:59

Hi Anna,
keiner wiegt pflanzliches gegenüber tierlisches Leben auf. Das Pflanzen zu den Lebewesen gehören, ist doch reine Definitionssache. Angenommen, die Definition von Lebewesen würde auch Steine einschließen. Müssten wir dann wirklich argumentieren, warum wir Steine aus unserer Ethik ausschließen, während wir doch die anderer Lebewesen wie Tiere und Pflanzen beachten?
Wir vermuten eben nicht, das Pflanzen keine Schmerzen empfinden, da es wie gesagt auch völlig spekulativ ist, sondern wir vermuten, dass Tiere Schmerzen empfinden. Der jetztige Zustand ist doch, dass weder Tiere noch Pflanzen wirklich in die Ethik eingeschlossen werden. Wir wollen Tiere mit in die Ethik nehmen, aber nicht Pflanzen "rauswerfen". Nochmal: Nur weil wir für die Beachtung der Empfindungsfähigkeit von Tieren argumentieren, argumentieren wir nicht gegen die Empfindungsfähigkeit von Pflanzen oder Steinen. Es gibt einfach keinen Zusammenhang, außer, dass Menschen, Tiere und Pflanzen Lebewesen sind, was aber wie gesagt einfach nur Definitionssache ist.

Gruß,
Christian
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Ich bin die Ethik.
Der Anfang und das Ende.
Fleischwerdung des Vollkommenen.

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Beitrag von Gast321 » 19. Feb 2009 17:01

Hallo Anna,

Mein Standpunkt stimmt soweit mit dem von Christian überein. Solltest du versuchen wollen auch Pflanzen in deine Moral mit einfließen zu lassen (ohne in Konsequenz aufzuhören dich überhaupt zu ernähren), dann solltest du dich im ersten Schritt trotzdem vegan ernähren, da die Tiere ja auch Pflanzen (fr)essen und für die Erhaltung der Körperfunktionen Nährstoffe/Kalorien verbrauchen, die du selbst besser hättest nutzen können.
Also ungefähr in ein paar hundert Jahren, wenn sich die Menschheit daran gewöhnt hat, dass es auch Frauen gibt. Luise F. Pusch

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Beitrag von pünktchen.av » 19. Feb 2009 17:22

na ihr macht euch das schon ganz schön einfach. was schmerzempfinden oder gar bewusstsein genau sind, weiss die wissenschaft nicht so genau. von unseren mitmenschen nehmen wir an, dass sie darüber verfügen, weil wir das von uns selbst so kennen und sie uns auch über ihre sinneseindrücke was mitteilen können. schon bei den hochentwickelten tieren schliessen wir das nur noch aus ihren reaktionen. bei den niederen tieren läuft es darauf hinaus, dass wir aus vermeidung eines reizes auf schmerzempfinden schliessen. allerdings machen pflanzen nichts anderes, wir ignorieren dass nur, weil sie es viel langsamer tun. da ist keine klare grenze schmerzempfinden hier, kein schmerzempfinden da.

zudem müsstet ihr erstmal erklären, wieso denn das schmerzempfinde so bedeutsam ist. ihr fordert ja nicht nur, dass tiere nicht leiden sollen (das wäre eher klassischer tierschutz), sondern auch, dass sie leben dürfen sollen. wieso sollte dieses recht auf leben nicht genauso für pflanzen gelten?

@ christian: dein definitionstrick ist noch billiger. genauso gut könnte ich alle tiere außer dem menschen zu toter materie erklären. wäre unsinn, aber das ist deine umdefinition auch.

@ gast312: das ist kein argument, sondern eine ausrede. und sie stimmt nicht mal: siehe fruganer oder die hier.
Sein Pferdestall war abgebrannt, als Konfuzius von der Audienz heimkehrte.
Er fragte: "Sind Menschen verletzt?"
Nach den Pferden fragte er nicht.

-> antivegan-blog <-

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Beitrag von Gast321 » 19. Feb 2009 17:31

Warum ist es kein Argument? Beide von dir als Beispiel gebrachten Menschengruppen leben auch Vegan, oder?

Im übrigen haben Tiere auch die anatomische Voraussetzungen (Insekten lasse ich bewusst außen vor) um Schmerz zu empfinden bzw. Bewusstsein zu haben.
Also ungefähr in ein paar hundert Jahren, wenn sich die Menschheit daran gewöhnt hat, dass es auch Frauen gibt. Luise F. Pusch

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pünktchen.av
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Beitrag von pünktchen.av » 19. Feb 2009 17:56

es ist

a. kein argument, weil es nicht auf anna pflanzenproblem eingeht. wenn dich jemand fragt, ob er aus diesen und jenen gründen nicht besser veganer werden sollte, sagst du ihm doch auch nicht, dass er doch erstmal vegetarier werden soll weil er so doch immerhin kein fleisch esse.
b. kein argument, weil man sehr wohl leben kann, ohne eine pflanze zu töten (nun gut, in demselben begrenzten rahmen, wie man leben kann, ohne ein tier zu töten. streng genommen kann man beides nicht). die beiden gruppen leben zwar auch vegan, aber eben mehr als das, nämlich frugan.

woher weisst du denn, was die anatomischen vorraussetzungen sind, schmerz zu empfinden? wieso lässt du insekten aussen vor? wieso schliesst du kopffüßler ein, obwohl die auch kein zentrales nervensystem haben? braucht es nicht so was wie bewusstsein, damit man bewusst schmerz empfinden kann? braucht es dazu vielleicht einen neocortex oder was vergleichbares? wenn nicht, reicht dann nicht jede reizreaktion?

und außerdem: wieso kommt es gerade auf das schmerzempfinden an?
Sein Pferdestall war abgebrannt, als Konfuzius von der Audienz heimkehrte.
Er fragte: "Sind Menschen verletzt?"
Nach den Pferden fragte er nicht.

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Krümelmonster
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Beitrag von Krümelmonster » 19. Feb 2009 18:06

anna^^
glaub mir, ich würde auch darauf verzichten pflanzen zu essen, aber ich habe noch den gesunden egoismus, mich am leben zu erhalten.

warum ich pflanzen esse und keine tiere: die definition von leben ist mir eigentlich egal. mich berührt es nur einfach emotional mehr, wenn ich die schlachtung einer kuh sehe, als wenn der metzger ein gänseblümchen ausrupft.

(was jetzt nicht heißt, dass es mir egal ist, wenn wälder abgeholzt werden. :roll: )
toktok ♥

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