Speziesismus unter Veganern

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Palmesel
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Speziesismus unter Veganern

Beitrag von Palmesel » 10. Aug 2017 12:19

Speziesismus, unter Nichtveganern eine gängige Attitüde, ist leider auch unter Veganern verbreitet.

Dies zeigt sich u. a. in der Benutzung des "Hauptsachte für die Tiere"-Narrativs, der inhaltlichen (nicht taktischen) Ablehnung der "Holocaust auf Ihrem Teller"-Formulierung und der Annahme, es gäbe "ideologischen Veganismus" im negativen Sinne, welche alle ohne Speziesismus nicht bestandsfähig sind (imho, ggf. zur Diskussion). Der abolitionistische Veganismus sieht Tierschutz mindestens in weiten Teilen als kontraproduktiv. Wenn Veganer ihre Wurzeln in Tierschutzkreisen haben, wäre dem folgend ein latenter Speziesismus also nicht abwegig.

Wird sich aber ohne die Abkehr vom Speziesismus die Situation der Nutztiere (lebenslanges leidvolles Vegetieren, Lebensende durch erbarmungslose Tötung, Belanglosigkeit direkten Quälens) jemals ändern können?

Wo steht Ihr als Veganer? Haltet Ihr den Speziesismus für unüberwindbar? Haltet ihr das Bestreben des Abolitionismus im Tierrecht für aussichtslos und dumm, oder für doch eher für alternativlos? Stehen (Nutz-)Tierschutz und Antispeziesismus wirklich zueinander im Widerspruch?


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Mr. Kennedy
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Beitrag von Mr. Kennedy » 10. Aug 2017 14:50

Ja, ich halte Speziesismus an sich für unüberwindbar. Aber das hat ja an und für sich nichts mit dem Abolitionismus zu tun. Man kann sowohl Abolitionist als auch bis zu einem gewissen Grad Speziesist sein. Ich kann mich einerseits für den totalen Ausbeutungsstopp aller Tiere durch den Menschen einsetzen, aber andererseits dennoch der Meinung sein, dass ein Mensch mehr wert ist als ein Regenwurm. Und ich würde nicht sagen, dass Tierschutz und Antispeziesismus im Widerspruch zueinander stehen. Eine Werthierarchie aller Spezies auf dem Planeten zu haben, heißt ja nicht zwangsläufig, dass man die Ausbeutung der Spezies "weiter unten" in der Hierarchie befürwortet.

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Palmesel
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Beitrag von Palmesel » 11. Aug 2017 12:50

Mr. Kennedy hat geschrieben:Ich kann mich einerseits für den totalen Ausbeutungsstopp aller Tiere durch den Menschen einsetzen, aber andererseits dennoch der Meinung sein, dass ein Mensch mehr wert ist als ein Regenwurm.
Das ist ein interessanter Hinweis. Es gibt offenbar einen Unterschied zwischen empfundenem und gelebtem Speziesismus. Wichtiger erscheint letzterer, in dessen Sinne Du kein Speziesist wärest, sofern diese Unterscheidung überhaupt greift.

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Kim Sun Woo
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Beitrag von Kim Sun Woo » 11. Aug 2017 14:23

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Mr. Kennedy
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Beitrag von Mr. Kennedy » 11. Aug 2017 16:22

Palmesel hat geschrieben: Das ist ein interessanter Hinweis. Es gibt offenbar einen Unterschied zwischen empfundenem und gelebtem Speziesismus. Wichtiger erscheint letzterer, in dessen Sinne Du kein Speziesist wärest, sofern diese Unterscheidung überhaupt greift.
Naja, ich wäre insofern der Definition nach schon ein Speziesist. Ein Rassist, der der Überzeugung ist, dass Schwarze weniger wert sind, ist ja auch immer ein Rassist, aufgrund dieser Überzeugung und nicht nur solange er Schwarze misshandelt oder? Ich finde Speziesismus ein ziemlich unhandliches und unbrauchbares Konstrukt, weil es in der Debatte um Tierrecht und Veganismus nichts erreicht, ja es eigentlich sogar eher schadet. Es formuliert einen unerfüllbaren Anspruch, nämlich den jedes Wesen gleichwohl der Spezies im Wert als exakt gleich zu betrachten. Das halte ich einfach für unmöglich und auch unnötig.

Inscius
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Beitrag von Inscius » 11. Aug 2017 17:07

Palmesel hat geschrieben:Speziesismus, unter Nichtveganern eine gängige Attitüde, ist leider auch unter Veganern verbreitet.
Das ist richtig.
Palmesel hat geschrieben:Dies zeigt sich u. a. in der Benutzung des "Hauptsachte für die Tiere"-Narrativs,
HFDT heißt u.U., Menschen- gegen Tierrechte auszuspielen. Die Ablehnung einer HFDT-Position ist nicht speziesistisch.
Palmesel hat geschrieben: der inhaltlichen (nicht taktischen) Ablehnung der "Holocaust auf Ihrem Teller"-Formulierung
Das liegt daran, dass viele Punkte unterschiedlich sind. Du musst sie nur zur Kenntnis nehmen.
http://www.tier-im-fokus.ch/interview/sebastian_marcel
Palmesel hat geschrieben: der inhaltlichen (nicht taktischen) Ablehnung der "Holocaust auf Ihrem Teller"-Formulierung und der Annahme, es gäbe "ideologischen Veganismus" im negativen Sinne, welche alle ohne Speziesismus nicht bestandsfähig sind (imho, ggf. zur Diskussion). Der abolitionistische Veganismus sieht Tierschutz mindestens in weiten Teilen als kontraproduktiv. Wenn Veganer ihre Wurzeln in Tierschutzkreisen haben, wäre dem folgend ein latenter Speziesismus also nicht abwegig.
Hier verstehe ich nicht, was Du meinst.
Palmesel hat geschrieben: Wird sich aber ohne die Abkehr vom Speziesismus die Situation der Nutztiere (lebenslanges leidvolles Vegetieren, Lebensende durch erbarmungslose Tötung, Belanglosigkeit direkten Quälens) jemals ändern können?
Natürlich wird sie das. Die Frage ist nur, ob das ausreicht. Und das verneine ich.
Palmesel hat geschrieben: Wo steht Ihr als Veganer? Haltet Ihr den Speziesismus für unüberwindbar?
Ja. Wer etwas anderes behauptet, ist ideologisch befangen.
Palmesel hat geschrieben: Stehen (Nutz-)Tierschutz und Antispeziesismus wirklich zueinander im Widerspruch?
Ja, da beim Tierschutz Verbesserungen der Tierhaltung gefordert werden, nicht deren Überwindung.

DarkInsanity
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Beitrag von DarkInsanity » 12. Aug 2017 01:27

Hmm, scheinbar besteht hier Verwirrung über die Bedeutung des Wortes Speziesismus. Es handelt sich um eine arbiträre, also völlig unbegründete, Form der Diskriminierung aufgrund von Spezies. Wenn man einem Schwein weniger moralischen Wert zukommen lässt als einem Menschen kann das mit den höheren kognitiven Fähigkeiten begründet werden. Spezies ist also nicht der Grund für die Unterscheidung.

Wenn man die Wahl hat einen Menschen oder ein Schwein aus einem brennenden Haus zu retten, wäre es imho unmoralisch das Schwein zu wählen, da der Mensch intelligenter ist und somit sein Leben mehr Potential für Wohlbefinden hat. Wenn der Mensch jedoch durch eine geistige Behinderung die gleichen kognitiven Fähigkeiten hätte wie das Schwein, wäre der moralische Wert nicht differenzierbar. Eine klare Bevorzugung des Menschen wäre in dem Fall Speziesismus.

Bei der Unterscheidung zwischen Schweinen und Hunden, wie sie von Nicht-Veganern oft vorgenommen wird, scheint die Bestimmung des moralischen Wertes eindeutig im Speziesismus begründet.

gnesi
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Beitrag von gnesi » 13. Aug 2017 16:09

Wieso bedeutet mehr Intelligenz mehr Potenzial für Wohlbefinden?
Soweit ich weiß, deuten Studien sogar eher auf das Gegenteil hin - wenn es um tatsächliches Wohlbefinden geht.
most arguments can be won with a stage dive

DarkInsanity
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Beitrag von DarkInsanity » 13. Aug 2017 21:30

@MoralAkteur:

Das hätte ich ein wenig ausführlicher schreiben sollen. Es geht nicht ausschließlich um Intelligenz, sondern eher um Kognition, also alles, was mit Wahrnehmung und Denken zu tun hat. Menschen haben einfach ein sehr viel breiteres und tieferes Bewusstsein, können Konzepte erfassen, die mit den ursprünglichen Überlebens- und Fortpflanzungstrieben scheinbar kaum noch etwas zu tun haben, und sind zu einer deutlich komplexeren Zukunftsplanung befähigt. Einem Menschen etwas gutes oder schlechtes anzutun hat demzufolge meiner Auffassung nach eine deutlich stärkere Auswirkung auf das gesamte Wohlbefinden auf der Welt (die Qualität aller subjektiven Wahrnehmungen in Summe; das, was meiner Auffassung von Moral nach maximiert werden sollte), als wenn man genau das gleiche einem Schwein antut. Vielleicht hat das auch alles keine Bedeutung und Regenwürmer fühlen sich dauerhaft so wie ein Mensch auf Opium, aber solange wir nicht das Wohlbefinden an den Gehirnströmen messen können, denke ich, dass es ein guter Anfang ist auf solche Sachen zu schauen.

Kannst du mir die Studien mal linken? Ich schätze du redest davon, dass dumme Menschen angeblich glücklicher sind. Ich kann mir nicht vorstellen, mit welcher Methode man das herausgefunden haben will.

Ansonsten, wie ist deine Meinung zu dem Thema? Würdest du sagen, dass ein Mensch und eine Ameise genau den gleichen moralischen Wert haben? und falls nein, glaubst du wirklich, dass der Grund für deine Differenzierung lediglich Spezieszugehörigkeit ist? Ich denke, viele Leute teilen meine metaethische Position, auch wenn sie vielleicht nicht bewusst darüber nachdenken.

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Palmesel
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Beitrag von Palmesel » 20. Aug 2017 09:31

Inscius hat geschrieben:Das liegt daran, dass viele Punkte unterschiedlich sind. Du musst sie nur zur Kenntnis nehmen.
Text zensiert.

Inscius hat geschrieben:Hier verstehe ich nicht, was Du meinst.
Tierschützer sind ja nicht Tierrechtler - aber in diesem Punkt gehen wir eh konform, imo.

DarkInsanity hat geschrieben:Menschen haben einfach ein sehr viel breiteres und tieferes Bewusstsein...
Damit wird "Wert" entsprechend (vermeintlichen?) menschlichen Qualitäten priorisiert. Es gibt keinen objektiven Grund, das zu tun. Die Masse der Ameisen und die Masse der Regenwürmer sind beispielsweise für die Stabilität des Ökosystems Erde nicht entbehrlich, während die Menschheit ohne Schaden ausgelöscht werden könnte - in diesem Sinne hat ein Regenwurm oder eine Ameise also mehr "Wert", als ein Mensch. Davon ab sind solche auf Kognition abzielende Wertmaßstäbe hochgradig problematisch, wenn man sie z. B. auf behinderte Menschen anwendet, und diese als wertloser kategorisiert, als nichtbehinderte Menschen.

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