Ich glaube nicht, dass diejenigen, die behaupten, dass vegane Bedarfsdeckung easy ist, irgendwem Schaden wollen! Ich glaube eher, dass diese Aussage meist von sehr erfahrenen, langjährigen Veganern kommt, die sich natürlich längst an all die kleinen Dinge, die man beachten muss, gewöhnt haben, und das deshalb als total normal und easy ansehen. Für einen Anfänger, der keinen blassen Schimmer hat, dass er oder sie jetzt Jod aus Algen, Omega-3 aus Leinsamen, Calcium aus grünem Blattgemüse oder bestimmten Samen zuführen muss, sowie B12 und D in jedem Fall supplementieren muss (und vor allem wie häufig und welche Mengen) ist das aber das exakte Gegenteil von easy. Zumal die genannten Beispiele von mir ja noch längst nicht die komplette Liste darstellen (Stichwort Protein, K2, usw.)
Bevor jetzt einige sofort gedanklich kommentieren, dass auch der Mischköstler Mangel haben kann, ja, das ist wahr, aber bei einigermaßen ausgewogener Kost deutlich weniger wahrscheinlich. Und die, die sich nur von Pommes und Schnitzel ernähren, die sind sich zumindest darüber im klaren, dass das nicht das gesündeste Ist. Ein Veganer denkt aber vielleicht jahrelang, dass er seinem Körper was ganz tolles tut, und dabei schädigt er ihn sogar, wenn bestimmte Dinge fehlen. Und davor sollten wir erfahrenere Veganer lieber warnen, denn nichts ist mehr tragisch, als ein Veganer, der das Experiment nach einem Jahr abbricht, weil er/sie denkt, dass es nicht funktioniert.
Ich werde gleich anhand eines Beispiels skizzieren, welche Defizite man alle leicht erleiden kann, vorher aber noch ein paar Worte, was mich überhaupt dazu befähigt, diese Aussagen zu machen. Bevor ich vegan wurde, habe ich über einen sehr langen Zeitraum tierische Produkte immer weiter reduziert. Allerdings habe ich sie nicht gegen vernünftige Alternativen ersetzt, sondern einfach durch größere Mengen der sontigen Zutaten. Wenn ich z.B. früher Schnitzel mit Kartoffeln und Erbsen gegessen habe, habe ich einfach das Schnitzel weggelassen. Umso mehr tierische Produkte ich so losgeworden bin, umso einseitiger wurde aber auch meine Ernährung. Als ich dann vor ca. 2,5 Jahren vegan wurde, fühlte ich mich schon eher schlapp und ausgelaugt, hatte oft Antriebsschwierigkeiten, schlief viel und hatte auch eine Burnout-Phase bei der im Kopf gar nichts mehr ging, Konzentrationsfähigkeit gleich null. Damals hatte ich das aber alles nicht aufs Essen zurückgeführt, ich dachte ja, ich würde jetzt ultragesund leben, nachdem mein Teller höchstens noch einmal die Woche Fleisch gesehen hat. Nachdem ich dann vegan wurde, ging es mir irgendwann so richtig scheiße, ich war wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen und so began ich endlich, mich mit Ernährung zu beschäftigen. Ich wollte erstmal meine Ernährung tracken, um herauszufinden, was überhaupt fehlt. Dafür habe ich mir die App Fddb für 15 Euro gekauft, hab aber nach einer Stunde festgestellt, dass die totaler Schrott ist. Das Geld habe ich sofort abgeschrieben. Danach habe ich mir Chronometer angeguckt, das ist schon deutlich besser, aber auch die Datenbank enthält bei weitem nicht alles, was ich gebraucht habe und die erfassten Nährstoffe sind längst nicht vollständig. Ich habe mir letztenendes ein eigenes Programm geschrieben und monatelang aus diversen Quellen Nährwerte erfasst. Dabei habe ich in der Regel jeden Wert mehrfach aus mind. 2-3 unterschiedlichen Quellen (Amerikanische, Britische, Skandinavische und Deutsche Seiten) erfasst und Ausreißer nicht berücksichtigt, sodass ich mit einiger Überzeugung nun sagen kann, dass die Ergebnisse meines Programms deutlich besser sein dürften, als die von Chronometer und Co., wo Werte von der Community gepflegt werden und auch mal kompletter Müll sein können.
Mit diesem Programm habe ich meine Ernährung dann mehrere Monate lang getrackt und überall optimiert, sodass ich jetzt umfassend versorgt, ja sogar überversorgt bin, aber ich weiß eben auch, wie geschockt ich am Anfang war, was alles fehlte. Und das möchte ich Euch einfach mal anhand eines Beispiels zeigen:
Angenommen zum Frühstück gibt es:
Haferflocken, Vollkorn, 100gr,
Apfel, 100gr,
Banane, 100gr.
Also eine anständige Portion, die wahrscheinlich nicht jede Frau mal so locker verputzen würde.
Zum Mittag gibt es dann:
Kartoffeln, gekocht, 250gr
Karotten, gekocht, 200gr
Erbsen, TK, gekocht, 100gr
Olivenöl, 20gr
Meersalz, 3gr
Pfeffer, schwarz, 1gr
Das ist auch eine nicht allzukleine Portion und ein typisches Vegan-Anfängeressen, so wie ich es am Anfang ständig gemacht habe.
Angenommen abends sind wir dann mit Freunden in einem Restaurant verabredet, aber in dem Drecksladen gibt es kaum vegane Gerichte auf der Karte. Also was essen wir? Richtig, natürlich Pommes und Salat!

Pommes, frittiert, Salz, 200gr
Endivien, frisch, 50gr
Tomaten, frisch, 100gr
Gurken, frisch, 100gr
Paprika, frisch, rot, 100gr
Zuckermais, Konserve, gekocht, 30gr
Radieschensprossen, frisch, 10gr
Olivenöl, 15gr
Zitrone, Saft, Fruchtfleisch, frisch, 20gr
Meersalz, 2gr
Pfeffer, schwarz, 1gr
Das ist eine ziemlich fette Portion gemischter Salat, sowas wird man in den meisten Restaurants kaum bekommen.
Und was denkt ihr? War das ein gesunder, ausgewogener Tag? Ich wette, dass jeder, der sich nicht allzu intensiv mit Ernährung beschäftigt, erstmal denken wird "Gesünder gehts kaum noch". Also, schauen wir uns doch mal die Inhalte an:
Energie (kcal) = 1556. Das würde gerade mal für eine ganz schlanke Frau reichen, die nur auf dem Sofa liegt. Für mich fehlen da 1000kcal!
Eiweiß (gr) = 37. Auch hier wieder: Das absolute Minimum für eine sehr schlanke Frau die keinerlei Sport macht. Ich versuche das 2,5 fache dessen zu bekommen.
Fett (gr) = 55. Auch hier dürften es für mich gern 20-30 gramm mehr sein.
KH (gr) = 217. Das sind 60% der von mir gewünschten KHs.
Jetzt wird es noch interessanter, kommen wir zu den Vitaminen und Mineralstoffen:
Beta-Carotin (µg) = 23524.4 (392% dank der Möhren :-)
B1 (µg) = 1498 (125% in erster linie dank der Haferflocken)
B2 (µg) = 876 (63%, also fehlt uns hier ein komplettes Drittel der empfohlenen Menge)
B3 (µg) = 12531 (84%)
B5 (µg) = 5061 (84%)
B6 (µg) = 2531 (169%, danke Pommes, Kartoffeln, Bananen und Paprika)
B7 (µg) = 47 (79%)
B9 (µg) = 180 (60% hoffen wir mal, dass die Person nicht schwanger ist, sonst droht vielleicht ein Neuralrohrdefekt)
B12 (µg) natürlich nix!
C (mg) = 292 (266% beten wir die Paprika an!)
D (µg) natürlich nix!
E (µg) = 11859 (85%)
K1 (µg) = 341 (427%)
K2 (ug) natürlich nix!
Calcium (mg) = 301 (30%!!!)
Kalium (mg) = 4114 (103% Punktlandung

Magnesium (mg) = 381 (109% Punktlandung :-) Wobei man sich als Veganer schon extrem dumm anstellen muss, wenn man Magnesium nicht voll kriegt)
Phosphor (mg) = 895 (128%)
Schwefel (mg) = 480 (53% - hier ist einigen quellen zufolge fast jeder defizitär, Stichwort supplementieren mit MSM)
Eisen (mg) = 13 (130% - auch hier habe ich keine Ahnung, wie manche Veganer es schaffen, Eisen nicht vollzubekommen. Das ist bei gesunder Ernährung fast unmöglich)
Jodid (µg) = 72 (36%!!! Das führt zu erheblichem Leistungsabfall, wenn die Reserven erstmal aufgebraucht sind und die Schilddrüse nichtmehr vernünftig ihre Hormone produzieren kann!)
Kupfer (µg) = 1864 (124%)
Mangan (mg) = 7 (175%)
Zink (mg) = 8 (82%)
Selen (µg) = 34 (48% - Kann man voll bekommen, dann muss man aber schon unmengen an Haferflocken und anderen Körnern essen. Wer das nicht schafft, der muss supplementieren, z.B. über ein paar Paranüsse)
Molybdän (µg) = 168 (168%)
Silicium (mg) = 81 (115%)
Omega-3 habe ich nicht erfasst, wäre aber im Beispiel oben vermutlich fast nicht vorhanden und somit gefährlich unterversorgt.
Es gibt noch ein paar weitere, aber da gibt es viele wiedersprüchliche Informationen zu, deshalb lasse ich die jetzt hier mal weg.
Ihr seht also, wer aus Unerfahrenheit einfach mal aus Gefühl drauf losisst, der kann sich schon so einiges an Mängeln einhandeln. Dabei war mein Beispiel oben ja sogar noch relativ ausgewogen und gesund. Wer jetzt alle Mängel durch geeignete Lebensmittel ausgleichen will, der muss schon einiges an Ahnung haben, da raucht dem Anfänger schnell der Kopf, also nennt das bitte nicht easy.